Häuser und Wohnungen Warum es in Deutschland so wenige Eigentümer gibt
In keinem anderen Land in der EU gibt es so wenige Wohneigentümer wie in Deutschland. Das liegt etwa an den hohen Baukosten hierzulande - hat aber auch historische Gründe.
In Deutschland leben mehr als 83 Millionen Menschen auf einer Fläche von insgesamt 357.580 Quadratkilometern. Davon sind weniger als die Hälfte Eigentümer. Im Jahr 2022 lebten der Europäischen Statistikbehörde Eurostat zufolge 47 Prozent der deutschen Haushalte in den eigenen vier Wänden, die anderen knapp 53 Prozent zur Miete.
Damit ist Deutschland in Europa - abgesehen vom Sonderfall Schweiz - absolutes Schlusslicht. Die höchsten Eigentümerquoten haben Rumänien, die Slowakei, Kroatien, Ungarn und Montenegro. In diesen Ländern wohnen mehr als 90 Prozent der Bevölkerung im eigenen Haus oder der eigenen Wohnung. Aber warum ist das so?
Industrielle Ballungszentren und Mietskasernen
Dass Deutschland eine im Vergleich so niedrige Eigentümerquote ausweist, hat vor allem historische Gründe. Diese reichen zurück bis ins 19. Jahrhundert nach dem deutsch-französischem Krieg und der Reichsgründung 1871. Deutschland entwickelte sich damals vom spätfeudalen Agrarland zu einer Industrienation.
Das bedeutet: Die Menschen strömten vom Land in die Städte, um dort Arbeit zu finden. Sie brauchten so schnell wie möglich Wohnraum, und günstigen noch dazu. Zwischen 1880 und 1900 entstanden daher große industrielle Ballungszentren. Der Begriff der "Mietskaserne" kommt genau aus dieser Zeit. Damit wurde der äußerst spartanische und militärische Wohnstandard beschrieben, der darin herrschte. Der Begriff stand aber auch stellvertretend für das Wohnungselend im Kaiserreich.
Doch auch nach dem Zweiten Weltkrieg stieg der Druck auf dem Wohnungsmarkt dramatisch an. Infrastruktur, Häuser und zahlreiche Wohnungen wurden zerstört, hinzu kamen Vertriebene aus den Ostgebieten, Flüchtlinge, Evakuierte sowie Soldaten, die aus dem Krieg zurückkehrten. Knapp 21 Millionen Menschen suchten unmittelbar nach dem Ende des Krieges ein neues Zuhause, rund 5,5 Millionen Wohnungen fehlten.
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Bundesregierung wollte schnell Wohnraum schaffen
Die neue Bundesregierung versuchte daraufhin mit einem Bündel an Maßnahmen einerseits, schnell neuen Wohnraum zu schaffen. Andererseits sollte durch die extrem hohe Nachfrage die Mieten nicht explosionsartig ansteigen. Die Wohnungswirtschaft wurde deshalb zur Chefsache erklärt.
"Der Wohnungsbau ist das wesentlichste Erfordernis, um das deutsche Volk einer politischen und wirtschaftlichen und einer ethischen und kulturellen Genesung entgegenzuführen", sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer im Februar 1950 zur Wohnsituation.
Im Krieg habe man mindestens ein Viertel des Wohnbestands verloren, sagt Konstantin Kholodilin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Gespräch mit tagesschau.de. Das sei eine nationale Aufgabe gewesen, die man unbedingt lösen musste.
Maßnahmen für den Wohnungsaufbau in den 50er-Jahren
Im Jahr 1950 wurde schließlich das sogenannte Erste Wohnungsbaugesetz beschlossen. Durch die daraus folgenden Maßnahmen wurden in den Jahren nach dem Krieg mehr als fünf Millionen neue Wohnungen gebaut.
Auch in der DDR war die Wohnungsnot groß. Dort wurde zeitgleich zum Ersten Wohnungsbaugesetz im Westen das sogenannte "Aufbaugesetz" erlassen, um den Wohnungsbau anzukurbeln. Mitte der 1950er-Jahre wurde dadurch der Plattenbau vorangetrieben.
"Das ist eine historische Entwicklung, die wir hatten", sagt Immobilienprofessor Günter Vornholz gegenüber tagesschau.de. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei der Wohnungsbestand in Deutschland stark zerstört gewesen. "In den 50er und 60er-Jahren wurden vor allem schnell Mietwohnungen gebaut. Und dementsprechend gibt es eine hohe Mieterquote", erklärt Vornholz. Seitdem habe sich die Quote nur relativ geringfügig verändert.
"Diverser" Mietmarkt in Deutschland
Michael Voigtländer vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) sieht einen Grund dafür, dass weniger als die Hälfte aller deutschen Haushalte in den eigenen vier Wände lebt, darüber hinaus auch im sozialen Wohnungsbau. Dabei sei zu wenig Wert gelegt worden auf die Förderung von selbstgenutztem Eigentum.
Zudem gebe es Besonderheiten im deutschen Wohnungsmarkt, die nicht nur historisch begründet sind. Das Mietangebot sei sehr divers, so Voigtländer. "Dass ich tatsächlich auch ein Einfamilienhaus oder eine hochwertige Wohnung in unterschiedlichsten Größen zur Miete bekommen kann, gibt es in anderen Ländern nicht."
Dazu komme die "schöne Situation", dass das Land nicht nur ein Zentrum habe, sondern viele große Städte, die wirtschaftlich intakt seien und sehr viele gute Möglichkeiten im Umland zu leben böten. So verteile sich die Bevölkerung relativ gut in Deutschland.
Hohe Kosten für Kauf und Bau
Man habe gute Bedingungen auf dem Mietermarkt, ergänzt auch Vornholz. Der Schutz der Mieter sei in Deutschland relativ hoch. Außerdem seien die Bedingungen, selbst Eigentum zu erwerben, nicht gerade einfach. Denn durch die Massivbauweise und diverse Bauvorschriften sind die reinen Baukosten für eine Immobilie vergleichsweise hoch.
Das gilt auch für die Kaufnebenkosten, wie etwa die Grunderwerbsteuer, die in Deutschland mittlerweile in einigen Bundesländern schon bei 6,5 Prozent des Kaufpreises liegt. Zum Vergleich: In Amerika beträgt die Grunderwerbsteuer gerade einmal 0,3 Prozent. Hinzu kommen in Deutschland vergleichsweise hohe Kosten für Notar und Makler.
Auch Voigtländer sieht in den hohen Erwerbsnebenkosten in Deutschland ein "ganz großes Hemmnis" beim Hauskauf. "Man muss allein dafür schon rund zehn bis zwölf Prozent des Kaufpreises gespart haben", sagt der Fachmann. Viele könnten gar nicht erst diesen Zugang zum Wohneigentumsmarkt finden, weil nur 15 Prozent aller Mieter überhaupt mehr als 60.000 Euro gespart hätten.
Ausgewogener Immobilienmarkt in Deutschland
Die Eigentümerquote hängt zuletzt auch von der Region innerhalb Deutschlands ab. Vor allem in den deutschen Großstädten sind die Eigentumsquoten besonders niedrig: in Berlin etwa weniger als 14 Prozent. In den Metropolen Frankfurt, Hamburg, Köln oder München sieht es ähnlich aus. Auf dem Land leben dagegen deutlich mehr Menschen in ihren eigenen vier Wänden, etwas mehr als die Hälfte. Die höchsten Eigentumsquoten gibt es in Baden-Württemberg und in Niedersachsen.
Dass es nur vergleichsweise wenig Eigentümer in Deutschland gibt, ist aus Sicht von Ökonom Kholodilin aber gar nicht unbedingt schlecht. Im Ausland beneide man das Land um den noch gut wirkenden Immobilienmarkt und die Ausgewogenheit.
Weder 100 Prozent Mieter, noch 100 Prozent Eigentümer seien vorteilhaft für Gesellschaft und Wirtschaft, so Kholodilin. In einigen Ländern sei die einzige Möglichkeit, in Ballungsräumen zu leben, Eigentum zu kaufen. Wenn man sich das nicht leisten könne, müsse man am Ende andere Ausgaben reduzieren oder weit zum Arbeitsplatz pendeln. Zudem sei die Wohnungswirtschaft volatiler bei einer hohen Eigentumsquote. "Die Preise steigen und schwanken stärker, was auch nicht unbedingt die Stabilität fördert", sagt der Experte.