Klimaschutz Die Industrie und ihr CO2-Problem
Noch immer trägt die Industrie einen großen Anteil zur CO2-Verschmutzung und somit zum Klimawandel bei. Wo stehen deutsche Konzerne - und was tun sie für mehr Nachhaltigkeit?
Was kann ich einzelner Mensch tun, um das Klima zu schützen? Diese Frage wird immer wieder aufgeworfen. Viele Klimaaktivisten fordern allerdings viel eher, dass sich vor allem die Industrie bewegen sollte. Als großer CO2-Emittent seien vor allem dort Umschwung und Transformation lange notwendig. So fordert zum Beispiel Fridays For Future Deutschland, dass Deutschland, "als eines der wirtschaftsstärksten Länder und historisch größten Emittenten", sich dafür einsetzen müsse, dass die COP28 ein Erfolg werde.
Und so sind auch viele deutsche Vertreter aus Industrie und Wirtschaft in Dubai vor Ort. Denn sie wissen: Ihr Anteil am weltweiten Klimawandel ist nicht gering. Die Schwerindustrie und die Herstellung von Metallen, Chemikalien aber auch Zement verbrauchen bisher vor allem eine enorme Menge fossile Energien. Dies führt zu immens hohen CO2-Emissionen. Laut Umweltbundesamt stieß der Industriesektor im Jahr 2022 über 110 Millionen Tonnen CO2-äquivalente Treibhausgase aus. Dabei hat der Sektor "Eisen und Stahl" mit etwa 29,5 Prozent den größten Anteil daran. Das entspricht rund 33 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent.
Grüner Wasserstoff statt fossiler Energieträger
Wie kann dies geändert werden? Häufig steht diese Frage aber nicht nur im Zusammenhang mit Klimaschutz, sondern auch mit der Frage nach Wirtschaftlichkeit. Eine der Firmen, die hier gegensteuern will, ist Thyssenkrupp. Das größte Stahlwerk Deutschlands liegt im Ruhrgebiet und will in Zukunft seinen Stahl durch den Einsatz von Wasserstoff gewinnen. Insgesamt ist die ganze Stahlproduktion für sieben Prozent des Kohlendioxidausstoßes in Deutschland verantwortlich. Ein Umschwung wäre hier von großer Bedeutung.
"Die Herstellung und der Handel grünen Stahls ist eines der wichtigsten Projekte im Kampf gegen den Klimawandel und zur Reduzierung der CO2-Emissionen in Deutschland und weltweit", lässt sich Andreas Kölsch, Head of Technical Sales des Unternehmens, auf der eigenen Website zitieren. "In einer klimaneutralen Gesellschaft wird grüner Stahl eine unverzichtbare Rolle spielen. Viele Branchen sind auf Stahl angewiesen", bewirbt die Firma ihr Projekt weiter.
Der Vorstandsvorsitzende des Duisburger Unternehmens ist derweil selber in Dubai bei der Weltklimakonferenz. Miguel Ángel López Borrego spricht dort von einer notwendigen Kooperation der Industrie mit der Politik: "Hier geht es darum, Partnerschaften zu schließen, mit der Politik zusammenzuarbeiten, um die Partnerschaften zwischen Unternehmen möglich zu machen und das voranzutreiben."
Klimaschutz bedeutet auch mehr Wirtschaftlichkeit
Dass solche Projekte wegweisend sein können, sagen auch Klimaforschende. Vor allem sei eine höhere Wirtschaftlichkeit eben auch im Eigeninteresse der Firmen und führe schneller zu Umsetzung und Erfolg in Sachen Klimaschutz. "Die Stahlindustrie in Deutschland hat mit den beiden größten Unternehmen Thyssenkrupp und Salzgitter an der Spitze klare Signale für den konsequenten Umstieg auf klimaverträgliche Erzeugungsstrukturen gesetzt", sagt Klimawissenschaftler Manfred Fischedick vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie.
"Einer der wichtigsten nächsten Schritte ist der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur, die die Versorgung des Standortes sicherstellt. Dafür wird bundesweit von den Gasnetzbetreibern der Aufbau eines Wasserstoffstartnetzes konkret vorbereitet", erklärt der Wissenschaftler. Von Bedeutung sei zudem der Aufbau von grünen Produktmärkten, die es perspektivisch ermöglichen, dass sich die Produktion von grünem Stahl aus Deutschland von allein rechnet. So würde in diesem Teil der Industrie erfolgreicher Klimaschutz betrieben.
Es braucht Energie-, Ernährungs- und Ressourcenwenden
Ein weiteres Beispiel ist die Zementindustrie, derzeit noch ein Klimasünder. In Deutschland steht vor allem der DAX-Konzern Heidelberg Materials (ehemals Heidelberg Cement) im Fokus. In einer Auswertung des "Handelsblatts" für das Jahr 2021 landet das Unternehmen in der Liste der größten CO2-Emittenten im DAX auf Platz zwei - direkt hinter dem Energieriesen RWE. Eine Lösung für die Zementbranche wäre das Einfangen und Einlagern von klimaschädlichen CO2-Gasen. Das heißt in der Fachsprache "Carbon Capture and Storage" (CCS). Auf diese Weise könnte CO2 unschädlich gemacht werden. Das Ziel: eine klimaneutrale Zementproduktion wäre möglich.
Es ist klar, so Klimaforschende, dass hier nur ein genereller Wandel zum Umschwung beitragen kann - auch wenn es teuer und aufwendig ist. "Jetzt sind wir aber an den Punkt gekommen, wo wir gesehen haben, dass wir so etwas wie Innovationssprünge machen müssen", erläuterte unlängst Politökonomin Maja Göpel im Interview mit tagesschau24. Es müssten nicht nur einzelne Produkte, sondern ein gesamtes System verbessert werden. "Da sprechen wir dann von Wenden. Eine Wende eines Energiesystems oder eine Wende eines Ernährungssystems oder eine Ressourcenwende."
Bundesverfassungsgerichtsurteil stiftet weitere Unruhe
Unruhe gestiftet habe die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vor wenigen Wochen, so schildern es einige Pressestellen großer Schlüsselindustrien in Deutschland auf Anfrage. Das 60-Milliarden-Haushaltsloch - die Investitionen in Klimaschutz, Innovation und Transformation, die nun fehlen beziehungsweise als unsicher gelten: Das bereitet vielen Firmen und Unternehme Sorgen.
Genau hier sei die Politik gefordert, rasch für Antworten zu sorgen, meint Klimaforscher Fischedick vom Wuppertal-Institut: " Es wird jetzt darauf ankommen, klare Signale zu setzen und die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes entstandenen Unsicherheiten zu beheben." Der staatliche Instrumentenkasten liege grundsätzlich mit den entscheidenden Elementen vor. "Es kommt jetzt auf die konsequente Umsetzung an - und darauf, über Glaubwürdigkeit für die Industrie die notwendige Verlässlichkeit zu generieren."
Vieles sei noch Zukunftsmusik; dies müsse nun bald in die Realität umgesetzt werden. Denn wenn für die Schwerindustrie Transformationsprozesse nur in der Theorie erdacht, aber nicht in die Praxis umgesetzt werden, wird es schwer, in Sachen Dekarbonisierung und im Kampf gegen den Klimawandel ein gutes Stück vorwärts zu kommen.