Klimakonferenz in Baku Überfordert uns der Klimawandel?
Große Hoffnungen werden in die Klimakonferenz nicht gelegt - und das, obwohl die Klimakrise längst Realität ist. Extremwetter zeigen: Unsere Gesellschaft stößt an ihre Grenzen. Viele scheinen mit dem Thema überfordert.
Mehr als 200 Staaten versuchen in halbdunklen Messeräumen Lösungen und Maßnahmen zu diskutieren. In Baku läuft die Weltklimakonferenz. Doch die Wahl Donald Trumps zum neuen US-Präsidenten schmälert die Hoffnung auf eine zukunftsfähige, globale und gemeinschaftliche Klimapolitik. Ohne USA wird das schwer. Ein drohender Rückschlag, der vielen Klimaaktivisten und -wissenschaftlern Hoffnung nimmt.
Auch allgemein gilt: Die Bekämpfung des Klimawandels scheint in den Hintergrund gedrängt worden zu sein. Eine Frage, die sich viele aber stellen, ist: Wie lange kann sich die Gesellschaft diesen Herausforderungen noch stellen? Die Antwort der Wissenschaft ist klar: nicht mehr lang.
Anzeichen der Überforderung
Zahlreiche Umfragen belegen, dass die Besorgnis über den Klimawandel in der Bevölkerung wächst, während gleichzeitig ein Gefühl der Ohnmacht verbreitet ist. Drei Viertel der Bundesbürger (75 Prozent) sind einer aktuellen Ipos-Umfrage davon überzeugt, dass die Welt auf eine Klimakatastrophe zusteuert, wenn die Menschheit ihre Lebensgewohnheiten nicht schnell ändert.
"Überforderung ist nie eine gute Grundlage für mutiges Handeln", erklärt Transformationsforscherin Maja Göpel. Einer der Gründe, warum das Thema Klimaschutz wohl auch in den Hintergrund gerutscht ist. Waren laut ARD-DeutschlandTrend Klima- und Umweltschutz bei der Europawahl 2019 noch Wahlthema Nummer eins, hat es nun für die Wählerinnen und Wähler deutlich an Gewicht eingebüßt. Nach 23 Prozent wiesen dem Thema diesmal nur noch 14 Prozent Bedeutung für die eigene Wahlentscheidung zu. Auch bei den Landtagswahlen waren die dominierenden Themen nicht Klima- und Umweltschutz.
Psychologische Belastungen
Zusätzlich zur politischen und sozialen Dimension bringt die Klimakrise auch psychologische Belastungen mit sich. Das Phänomen der "Klimawandel-Angst" ist in den letzten Jahren immer häufiger geworden. Lea Dohm ist Psychologin und beschäftigt sich schon seit langem mit dem Umgang mit der Klimakrise. "Viele Menschen sind durch alle Krisen überlastet und wissen gar nicht mehr, wo sie ihre Aufmerksamkeit hinwenden sollen", erklärt sie vor wenigen Wochen in den tagesthemen. "Und dann tritt etwas ein wie Nachrichtenvermeidung oder ein Rückzug ins Private."
Ein Appell zum Handeln
Die Überforderung der Gesellschaft in Bezug auf die Klimakrise ist ein vielschichtiges Problem, das sowohl individuelle als auch kollektive Lösungen erfordert. Forscher und Experten plädieren für einen ganzheitlichen Ansatz. "Die Chance liegt darin, dass Menschen genau die Spezies sind, die vorausschauend und innovativ handeln kann, also nicht warten muss, bis die Umstände sie zur Anpassung zwingen", erklärt Wissenschaftlerin Göpel. Stattdessen schlägt sie vor: "Wir täten also sehr gut daran, hier jetzt nicht überall schwarze Peter verteilen zu wollen, sondern die Ursachen gut zu ergründen, Muster zu erkennen und in anderen Branchen und Gesellschaftsbereichen ins Handeln zu kommen."
Wichtig sei auch zu sehen, was schon geschafft wurde in Sachen Klimakrisenbekämpfung. Bei der nun anstehenden Weltklimakonferenz hoffen viele auf neue Maßnahmen und Lösungen, die in Sachen Bekämpfung des Klimawandels die Weltgemeinschaft nach vorne bringt. Doch vergangene Gipfel haben auch immer wieder für Enttäuschungen gesorgt.
Eine von vielen Maßnahmen, bei denen sich die meisten Klimaforscher einig sind und die Helge Gößling vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven auf den Punkt bringt: "Es ist eigentlich klar, dass die fossilen Brennstoffe im Boden bleiben müssen. Wenn man einen sehr starken Klimawandel verhindern will, dann ist es das A und O, dass die fossilen Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas im Boden bleiben. Das haben wir alle schon 100 Mal gehört, aber es ist nach wie vor das A und O."
Ermüdung als Momentaufnahme?
Dafür setzen sich Wissenschaft aber auch Klimaaktivisten schon seit Jahren ein. Luisa Neubauer ist seit nun mehr als fünf Jahren als Teil von "Fridays For Future" ganz vorne mit dabei. Die Klimabewegung verliert an Zulauf, die Demonstrationen werden kleiner. Trotzdem finden sie regelmäßig statt und können immer noch Zehntausende zumindest auf die Straße bringen. Einen Impact haben sie mit ihrem Aktivismus bestimmt geleistet.
Neubauer scheint nicht überfordert und hofft auch, dass viele junge Menschen sich nicht von der Überforderung übermannen lassen: "Ich würde diese Ermüdung zweifelsfrei als Momentaufnahme verstehen. Gefährlich wird es eben da, wo diese Überforderung politisch insofern missbraucht wird, dass man dann meinte, wir sprechen lieber weniger darüber und tun so, als sei das ganze Problem nicht da." Das sei ein Trugschluss.
Forderung nach klaren Rahmenbedingungen
Wichtig ist aber vor allem, dass Lösungen überparteilich und über alle Interessensgruppen hinweg gefunden werden. Um so auch ein wichtiges, psychologisches Zeichen in Richtung überforderter Bevölkerung zu senden. "Für mich sind die Politik und die Wirtschaft nun dringend gefragt", fordert Transformationsforscherin Göpel.
"Parteipolitische Fehden müssen jetzt einer Verantwortung für klare Rahmenbedingungen in Richtung industrieller Erneuerung und Schutz der Ressourcen weichen." Dabei sei es zentral, die großen europäischen Linien zur Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft und dem Wiederaufbau von Naturkapital zu unterstützen und fortzuschreiben. "Spätestens mit der Wahl von Donald Trump sollte klar sein, dass nationale Zick-Zack-Kurse hier keine Lösung sind."
Strategien für einen nachhaltigeren Lebensstil
Hoffnung will eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) geben. Ein Forschungsteam untersuchte, wie mit bestimmten Strategien Konsum und Produktion in verschiedenen Sektoren verändert werden könnten. "Alle Szenarien, die wir untersucht haben, verfolgen dieselben Ziele - die Frage ist jedoch, wie man diese erreicht", erklärt Isabelle Weindl, Wissenschaftlerin am PIK auf der Homepage des Instituts.
Weindl betont, dass jeder der untersuchten Pfade besondere Stärken, aber auch besondere Herausforderungen aufweist. "Der Pfad mit Fokus auf nachhaltigen Lebensstil umfasst beispielsweise eine rasche Umstellung auf eine flexitarische, größtenteils pflanzenbasierte Ernährung, die bekanntermaßen auch erhebliche Vorteile für die Gesundheit hat." Dieser Pfad würde zudem eine Reduzierung des weltweiten Endenergieverbrauchs pro Kopf um rund 40 Prozent bis 2050 umfassen. Eine Reduzierung des Fleischkonsums wird häufig als eine der zentralen Maßnahmen aufgeführt, die Bürger in ihrem Leben integrieren könnten.