ARD-DeutschlandTrend Sicherung von Frieden entscheidend bei EU-Wahl
Zehn Tage vor der Europawahl liegt die Union in der Sonntagsfrage klar vorne. Anders als vor fünf Jahren ist die Sicherung von Frieden wahlentscheidendes Thema. Insgesamt ist der Blick auf die EU kritischer geworden.
In zehn Tagen ist Europawahl in Deutschland. Das Interesse daran ist seit Beginn des Monats gewachsen: Aktuell sagen 62 Prozent der Wahlberechtigten, dass sie sich sehr stark oder stark für die Wahl zum europäischen Parlament interessieren - das sind 13 Punkte mehr im Vergleich zu Anfang Mai. 36 Prozent interessieren sich weniger oder gar nicht dafür - 12 Punkte weniger. Damit liegt das Interesse an der Europawahl ungefähr auf demselben Niveau wie vor fünf Jahren, als die vergangene Wahl zum europäischen Parlament stattgefunden hat.
Der Blick auf die Themen, die bei der Wahlentscheidung die größte Rolle spielen, hat sich allerdings verschoben, schließlich findet die Wahl in einem anderen Umfeld statt: Nach der Corona-Pandemie beschäftigte die EU vor allem der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dementsprechend nennen die Wahlberechtigten an erster Stelle das Thema Friedenssicherung (26 Prozent, +4 im Vgl. zu Mai 2019). An zweiter Stelle folgt soziale Sicherheit (23 Prozent; +3), an dritter Stelle mit 17 Prozent (+5) Zuwanderung. Das wichtigste Thema aus 2019 - Klima- und Umweltschutz - wird aktuell nur von 14 Prozent (-9) genannt; 13 Prozent (+3) sagen, dass das Thema Wirtschaftswachstum für ihre Wahlentscheidung die größte Rolle spielt.
Wenn man bei dieser Frage nach Parteianhängern unterscheidet, so wird deutlich, welche Partei aus Sicht der Wählerinnen und Wähler besonders stark für ein Thema steht: 52 Prozent der Grünen-Anhänger nennen Klima- und Umweltschutz; 46 Prozent der AfD-Anhänger Zuwanderung; 37 Prozent der BSW-Anhänger Friedenssicherung. Von den SPD-Anhängern werden vor allem die Themen soziale Sicherheit (35 Prozent) und Friedenssicherung (32 Prozent) genannt; von den Unions-Anhängern die Friedenssicherung (28 Prozent), die soziale Sicherheit (22 Prozent) und das Wirtschaftswachstum (20 Prozent).
Blick auf die EU etwas kritischer als 2019
Profitiert Deutschland von der Mitgliedschaft in der EU oder eher nicht? Aktuell verbinden vier von zehn Wahlberechtigten (41 Prozent; Mai 2019: 46 Prozent) Vorteile für Deutschland mit der EU-Mitgliedschaft. Für 19 Prozent überwiegen die Nachteile (Mai 2019: 14 Prozent). Für 33 Prozent halten sich Vor- und Nachteile die Waage (Mai 2019: 37 Prozent).
Eine weitere Frage: Sollte die Europäische Union in Zukunft noch stärker oder weniger stark zusammenarbeiten? Aktuell wünschen sich 48 Prozent, dass die Mitgliedstaaten ihre Zusammenarbeit in den nächsten Jahren vertiefen und weitere Zuständigkeiten an die EU abgeben. Vor fünf Jahren waren das noch 55 Prozent. Unverändert jeder siebte Bundesbürger (14 Prozent) will am bestehenden Integrationsniveau festhalten. 30 Prozent unterstützen eine Rückverlagerung von Zuständigkeiten an die Mitgliedsländer - 2019 waren das noch 26 Prozent.
Zweite Amtszeit für Ursula von der Leyen?
Die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen ist seit 2019 EU-Kommissionspräsidentin. Sowohl die Fraktion der Europäischen Volkspartei im Europaparlament als auch CDU/CSU in Deutschland unterstützen eine weitere Amtszeit von der Leyens. Dies stößt bei den Wahlberechtigten in Deutschland auf ein geteiltes Echo: 42 Prozent fänden eine weitere Amtszeit gut, darunter Mehrheiten aus den Reihen von Union, SPD und Grünen. Ebenso viele Wahlberechtigte (41 Prozent) lehnen eine zweite Amtszeit von der Leyens als Kommissionspräsidentin dagegen ab, mehrheitlich die Anhänger von AfD (88 Prozent) und BSW (69 Prozent).
Union stärkste Kraft in beiden Sonntagsfragen
Wenn schon am Sonntag Europawahl wäre, käme die Union auf 29 Prozent. Die Grünen kämen auf 14 Prozent; die SPD läge aktuell bei 15 Prozent und die AfD würde sich auf 14 Prozent verbessern. Die FDP läge bei 4 Prozent und die Freien Wähler bei 3 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das bislang noch nicht an einer Europawahl teilgenommen hat, käme aktuell auf 6 Prozent. Auf alle anderen Parteien würden 12 Prozent entfallen (2019: 10,7 Prozent). Das hat die repräsentative Vorwahlbefragung von infratest dimap ergeben, bei der auch Menschen ab 16 Jahren befragt wurden.
Bei dieser Umfrage handelt es sich ausdrücklich um keine Prognose, sondern um die politische Stimmung in der laufenden Woche. Die Sonntagsfrage misst aktuelle Wahlneigungen und nicht tatsächliches Wahlverhalten. Eine große Bedeutung hat zudem die letzte Phase des Wahlkampfs mit der gezielten Ansprache von unentschlossenen und taktischen Wählern.
Sonntagsfrage zur Bundestagswahl: AfD stärker
Wenn schon am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die SPD von Bundeskanzler Olaf Scholz derzeit auf 15 Prozent (+/-0 im Vergleich zu Anfang Mai). Die Union käme weiter auf 31 Prozent (+/-0). Die Grünen verlieren einen Punkt und lägen bei 14 Prozent. Auch die FDP verliert einen Punkt und läge mit 4 Prozent derzeit unterhalb der Mandatsschwelle. Die AfD bleibt stabil bei 18 Prozent und wäre damit weiter zweitstärkste Kraft. Sowohl die Partei Die Linke als auch die Freien Wähler kämen aktuell auf 3 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bleibt in der Sonntagsfrage bei 5 Prozent. Auf alle anderen Parteien würden 7 Prozent entfallen.
Es fällt auf, dass sich die Werte der AfD unterscheiden: Während 18 Prozent sie als Wahloption für den Bundestag nennen, so tun dies nur 14 Prozent für das Europaparlament.
Denkbar ist, dass die Vorwürfe gegenüber dem AfD-Spitzenkandidaten zur Europawahl, Maximilian Krah, und der Nummer 2 auf der Europawahlliste der Partei, Petr Bystron, eine Rolle dabei spielen. Aktuell ist fast jeder zweite AfD-Anhänger (49 Prozent) zufrieden mit dem bisherigen Verlauf des Europawahlkamps für die AfD; 41 Prozent hingegen sind weniger oder gar nicht zufrieden mit dem Wahlkampf der eigenen Partei. Auch sagen aktuell 22 Prozent der AfD-Anhänger, dass in ihrer Partei zu viele Rechtsextreme sind.
Deutliche Kritik an Arbeit der Ampelregierung
Knapp drei Viertel der Deutschen (74 Prozent) sind weiterhin unzufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung; aktuell sind 23 Prozent sehr zufrieden oder zufrieden - vier Punkte mehr im Vergleich zu Anfang Mai. Dabei zeigen sich Abstufungen mit verschiedenen Feldern: Mit dem, was die Koalition aus SPD; Grünen und FDP seit ihrem Amtsantritt inhaltlich auf dem Weg gebracht hat, sind aktuell ein Viertel (25 Prozent) der Bürgerinnen und Bürger zufrieden. Noch kritischer blicken die Deutschen auf die "B-Note": 85 Prozent sind weniger oder gar nicht zufrieden mit der Art, wie die Regierung ihre Politik erklärt und vermittelt bzw. wie die Regierungsparteien miteinander umgehen. Hier sind nur 11 beziehungsweise 10 Prozent zufrieden.
Könnte es die Union besser?
Die Union liegt mit 31 Prozent klar an erster Stelle der Sonntagsfrage zum Bundestag. Dass eine unionsgeführte Koalition die anstehenden Aufgaben und Probleme in Deutschland besser lösen würde als die amtierende Bundesregierung, glaubt aktuell gut jeder Fünfte (22 Prozent). Dass eine unionsgeführte Koalition dies schlechter lösen würde als die Ampel, glaubt jeder Sechste (17 Prozent). Für jeden Zweiten (51 Prozent) macht es keinen Unterschied, ob die SPD oder die Union die Bundesregierung führt: Eine unionsgeführte Koalition würde - je nach Perspektive - "ähnlich gut" oder "ähnlich schlecht" handeln.
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon- und Online-Befragung (davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk)
Erhebungszeitraum: 27. bis 29. Mai 2024
Fallzahl: 1.479 Befragte (889 Telefoninterviews und 590 Online-Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und Rückerinnerung Wahlverhalten
Schwankungsbreite: 2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent
3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte zur Europawahl ab 16 Jahren in Deutschland
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon- und Online-Befragung (davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk)
Erhebungszeitraum: 27. bis 29. Mai 2024
Fallzahl: 1.515 Befragte (903 Telefoninterviews und 612 Online-Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und Rückerinnerung Wahlverhalten
Schwankungsbreite: 2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent
3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap
Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle einer Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.