Söder-Kritik an Migrationspaket "Es braucht eine grundlegende Migrationswende"
Die Ampel will mit den Ländern und der Union über ein Migrationspaket sprechen. Die Opposition macht schon klar, dass ihr die Pläne nicht weit genug gehen. CSU-Chef Söder stellt sogar die Absicht des Kanzlers infrage.
Nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag von Solingen mit drei Toten hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Gespräche mit den Ländern und der Union als größter Oppositionskraft über mögliche Konsequenzen angekündigt. Die Bundesregierung legte außerdem ein Maßnahmenpaket vor, das unter anderem Leistungskürzungen für Geflüchtete vorsieht, für die ein anderes EU-Land zuständig ist.
Ein erstes Treffen soll nächste Woche stattfinden. Doch schon zuvor macht vor allem die Union deutlich, dass die Pläne der Regierung aus ihren Augen nicht weit genug gehen.
Söder: Asylrecht ist "nicht mehr zeitgemäß"
Das vorgestellte Asylpaket enthalte richtige Ansätze, greife aber insgesamt noch zu kurz, sagte Bayerns Ministerpräsident und CSU-Parteichef Markus Söder. "Es braucht endlich eine grundlegende Migrationswende", sagte Söder in einem Interview der Welt am Sonntag. "Dazu gehören Zurückweisungen an den Grenzen, eine grundlegende Reform des Asylrechts, Rückführungsabkommen mit Herkunftsländern und die Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten."
Söder forderte in dem Interview auch eine Änderung des Asylrechts, das er "nicht mehr zeitgemäß" nannte. Er zweifelte aber auch die Ernsthaftigkeit der Gesprächsbereitschaft von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit der Union an. "Ich kann dem Bundeskanzler nur raten, mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen kein taktisches Manöver zu machen", sagte Söder.
Merz: Ampel geht das "eigentliche Problem nicht an"
Auch CDU-Chef Friedrich Merz kritisierte in seinem wöchentlichen Rundschreiben an seine Anhänger, das zunächst den Zeitungen der Funke Mediengruppe vorlag: In den vergangenen Tagen sei zwar "einiges in Bewegung" geraten, die Ampelkoalition aber gehe "das eigentliche Problem wieder nicht an".
Es kämen zu viele Flüchtlinge nach Deutschland, die eigentlich in anderen Ländern ihren Asylantrag stellen müssten, erklärt Merz darin. Daran würden die nun von der Ampel angekündigten Maßnahmen nichts ändern. Er wiederholte seine Forderung, eine Asyl-Notlage auszurufen.
"Herumdoktern an den Symptomen"
Den Schutz der Außengrenzen benannte auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), vor den Gesprächen als wichtiges Thema. "Mit Abschiebungen werden wir die anhaltende Migrationskrise niemals lösen. Wir müssen endlich am Beginn des Prozesses ansetzen und das heißt: Zurückweisungen an der Außengrenze. Darauf werden wir beim Asyl-Gespräch drängen", sagte Frei der Bild.
Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU), sagte der Mediengruppe Bayern zu dem von der Ampel-Regierung vorgestellten Paket: "Das ist alles nicht falsch, aber doch nicht mehr als ein Herumdoktern an den Symptomen." Die Ampel drücke sich weiterhin um aktives Handeln und um die entscheidende Frage: "Wie sorgen wir ganz konkret dafür, dass weniger Menschen ins Land kommen?"
Frei hält Streichungen nicht für wirksam
Mit Blick auf die geplanten Kürzungen für Schutzsuchende, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert wurden, sagte Frei der Rheinischen Post: "Diese Kürzungen betreffen weit weniger Fälle, als mitunter zu lesen ist." Betroffen seien nur Fälle, "in denen das Übernahmeersuchen positiv beschieden wurde und eine soziale Absicherung im Zielstaat besteht. Das reduziert den Anwendungsbereich deutlich".
Frei meint damit, dass die betroffenen anderen EU-Länder einer Rücküberstellung aus Deutschland zustimmen müssen, damit die Flüchtlinge in der Zwischenzeit in Deutschland keine Leistungen mehr über das absolut notwendige Maß hinaus beziehen können. Diese Zustimmung werde aber bei weitem nicht immer erteilt. "Und was nun in Zukunft geschehen wird, liegt auf der Hand: Unsere Nachbarländer werden die Zustimmung noch häufiger versagen als ohnehin schon oder gar noch weniger registrieren", prognostizierte Frei.
Von Notz: Vorschläge teils nicht umsetzbar
Der mutmaßliche Täter des Attentats von Solingen war Berichten zufolge als Flüchtling über Bulgarien nach Deutschland gekommen. Bulgarien habe einer Rückführung zugestimmt, allerdings kam sie anscheinend aus anderen Gründen nicht zustande.
Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz warf der Union unterdessen vor, dass sie teils Vorschläge mache, die faktisch nicht umsetzbar seien. "Wer den Menschen beispielsweise suggeriert, man könne derzeit im großen Stil nach Syrien oder Afghanistan abschieben oder geltendes internationales Recht einfach aussetzen, streut ihnen Sand in die Augen und argumentiert in höchstem Maße unredlich", sagte er gestern der "Rheinischen Post".
Am Freitag hatte Deutschland erstmals seit der Machtübernahme der Taliban vor drei Jahren wieder Afghanen in ihr Herkunftsland abgeschoben.
Wagenknecht fordert "Stoppsignal"
Kritik an den Verabredungen der Regierung über ein Maßnahmenpaket kam auch von anderen Teilen der Opposition. So nannte Linken-Chefin Janine Wissler das Sicherheitspaket "falsch und rassistisch". "Die Ampel-Regierung löst mit einer Flut hektisch beschlossener Maßnahmen kein Problem, aber spielt den Rechten in die Hände", sagte sie dem "Tagesspiegel".
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht forderte von der Bundesregierung "ein Stoppsignal" in der Asylpolitik. "Ich finde ganz klar, wer aus einem sicheren Drittstaat einreist, der darf in Deutschland keinen Anspruch mehr auf soziale Leistungen und ein Asylverfahren haben", sagte sie bei RTL und ntv.