Kritik der Polizeigewerkschaft Warum Grenzkontrollen umstritten sind
Seit Oktober gibt es Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz, seit September 2015 an der Grenze zu Österreich. Laut Bundeskanzler Scholz haben sie sich als effizient erwiesen. Das sehen nicht alle so.
Zwei Tunnelzelte, höher als ein Doppelstockbus, sind aufgebaut an der A17, Grenzübergang Breitenau. Ein kleiner Stau hat sich gebildet vor den Bundespolizisten, die hier mit Winkerkelle stehen. An ihnen muss jeder vorbei, der aus Tschechien nach Sachsen will.
Ein schwarzer Kleinwagen rollt an, Winkerkelle nach links: bitte vorbeifahren. Ein weißer Transporter wird nach rechts gelotst, er muss zur Grenzkontrolle ins Zelt. Kleintransporter sind, das wissen die Bundespolizisten aus ihren Statistiken, die meistgenutzten Schleuserfahrzeuge.
Hoher Personaleinsatz
So eine stationäre Kontrolle ist aufwendig, das sieht man auf den ersten Blick. Zwei Beamte an der Abfahrt, drei Bundespolizisten im Zelt. Drei weitere Kollegen sind gerade in einem vollbesetzten Bus und lassen sich die Papiere zeigen. Rund um die Uhr wird kontrolliert, auch an etlichen vergleichbaren Kontrollstellen entlang der Grenzen zu Tschechien, Polen und der Schweiz.
Seit Herbst 2023 laufen die Maßnahmen dort, Richtung Österreich schon länger. Grenzkontrollen dauerhaft und an allen deutschen Außengrenzen, so wie etwa CDU-Chef Friedrich Merz sie nach dem Anschlag von Solingen forderte, würden noch einmal mehr Personal binden.
Denn dann müsste beispielsweise auch Richtung Frankreich oder Niederlande verstärkt kontrolliert werden. Und viele Bundespolizisten sind jetzt schon skeptisch, ob die Maßnahmen so, wie sie laufen, sinnvoll sind. Sie fordern eine Neuausrichtung.
Polizisten fehlen an anderer Stelle
"Für das, was wir erreichen, ist der Personaleinsatz zu hoch", sagt Andreas Roßkopf von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Am Ende mache der verstärkte Grenzeinsatz mit dieser Personalverlagerung andere Orte womöglich sogar unsicherer. Ob Grenzkontrollen Attentäter wie Issa al H. aufhalten, ist zumindest sehr fraglich.
Schon jetzt würden "über 1.000 Kräfte aus der Bereitschaftspolizei der Bundespolizei die Grenzdienststellen unterstützen", sagt Roßkopf. Die Bereitschaftspolizisten seien eigentlich eine Art Feuerwehr, die bei Fußballspielen oder anderen Großlagen Präsenz zeige.
Auch von den Bahnhöfen seien Kollegen an die Grenze abgezogen worden: "Wir erleben gerade an Großstadtbahnhöfen eine zunehmende Brutalität. Wir sehen auch in den Statistiken eine hohe Zahl an Messerattacken", so Roßkopf. "Also wäre es fatal, etwa an den Bahnhöfen jetzt Personal abzuziehen."
Gewerkschaft fordert bessere Ausstattung
Was die Bundespolizei-Gewerkschafter stattdessen seit Langem fordern: Die Polizisten müssten für den Grenzeinsatz technisch besser ausgestattet werden - denn dann könnte man mit weniger Personal trotzdem unvorhersehbarer für Schleuser sein.
Seit 2019 gibt es ein internes GdP-Konzept, gespeist aus den Erfahrungen der Migrationswelle 2015. Das hat die Politik, auch vor der Ampelkoalition, lange liegen gelassen. Mit Beginn der erweiterten Kontrollen im Herbst 2023 erneuerte die GdP ihre Forderungen, nannte die Arbeitsbedingungen in einem Brief an die Innenministerin "skandalös schlecht, primitiv und bestenfalls provisorisch". Passiert sei seitdem zu wenig, kritisiert die Gewerkschaft.
Worum geht es? Die Bundespolizei-Gewerkschafter fordern 30 mobile Kontrollstellensets mit Containern, Nachtlicht, Beschilderung. "Man baut einen Tag auf, kontrolliert drei bis vier Tage und bewegt sich dann weiter", erklärt Roßkopf. Auch Drohnen, Bewegungsmelder oder Kameras würden bei den Einsätzen helfen - gerade entlang der "grünen Grenze", also den langen Abschnitten zwischen den Grenzübergangen, die sonst schwer zu kontrollieren sind.
Ausstattung hängt an "haushalterischen Möglichkeiten"
Das Innenministerium äußert sich zu den Forderungen nur sehr zurückhaltend. Man wolle nicht bestätigen, dass Hunderte Polizisten aus anderen Bereichen zur Grenze abgezogen seien. Das würde den Schleusern zu viel über "einsatztaktische Bedingungen" verraten. Erste Drohnen setze man "vereinzelt" ein, schreibt das Innenministerium auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios.
Derzeit laufe ein Beschaffungsverfahren. Danach müssten aber noch Piloten weitergebildet werden. Einsatzbeginn: unklar. Ob weitere Ausstattung, etwa die mobilen Kontrollstellen, beschafft wird, hänge an den "haushalterischen Möglichkeiten".
Allein entlang der jetzt kontrollierten Übergänge zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz gibt es eine Grenzlinie von rund 2.400 Kilometern. "Wir betreiben im Moment zwischen 28 und 30 Kontrollstellen", sagt Roßkopf. Dazwischen gebe es Einsätze der Schleierfahndung. Aber klar sei: "Wir haben viele Bereiche, die relativ unüberwacht sind."
Wer illegal einreisen oder Menschen schleusen will, wisse inzwischen, wo verstärkt kontrolliert wird. Die Maßnahmen seien zu starr und unflexibel, auch wenn Innenministerin Faeser immer wieder von "intelligenten und nicht stationären Kontrollen" spricht.
"Greifen eher die Fahrer auf"
Auch gelingt es aus Sicht der GdP zu selten, bei Grenzkontrollen wirklich Schleuserstrukturen zu zerstören: "Wir greifen eher die Fahrer auf, die kurzfristig etwa in Tschechien oder Polen angeworben wurden und 500 Euro für ihren Einsatz bekommen", berichtet Roßkopf. "Rechtlich betrachtet sind diese Menschen Schleuser, aber es sind eben nicht die Hintermänner."
Man habe bei den Maßnahmen bislang auch nur selten Handys gefunden, die man brauchbar auslesen kann. Die Gewerkschafter sind nicht generell gegen Grenzeinsätze, verlangen aber von der Politik, ehrlich zu sagen, ob man dauerhafte Kontrollen wolle. Dann müsse zusätzlich zur technischen Ausstattung auch insgesamt mehr Personal in der Bundespolizei her.
Druck auf Nachbarländer erhöht
Einen Erfolg der Kontrollen sieht die Gewerkschaft immerhin: Man habe bei den Nachbarländern Druck aufgebaut. Polen wolle beispielsweise nicht, dass Pendler oder Händler an der Grenze aufgehalten werden. Deshalb hätten diese Länder die Kontrollen an ihren eigenen Außengrenzen hochgefahren. "Man kann das als Dominoeffekt sehen", sagt Roßkopf.
Derzeit laufen die erweiterten Kontrollen zu Polen, Tschechien und der Schweiz befristet bis Mitte Dezember. Der Einsatz Richtung Österreich ist bis Mitte November beschlossen. Innenministerin Faeser hat zuletzt immer wieder betont, dass es weitergehe, so lange die Kontrollen "notwendig" seien. Wie genau das definiert ist, ob es etwa eine Marke gibt, unter der die Anzahl aufgegriffener Schleuser liegen muss - diese Fragen beantwortet das Innenministerium gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio nicht.
Nur eine Antwort zur Planung gibt es: Spätestens einen Monat vor Ende der Kontrollen müsse man über eine Verlängerung entscheiden und diese bei der EU anmelden.