Kontrollen innerhalb der EU Reisefreiheit mit Grenzen
Eigentlich steht die EU für freies Reisen. Doch immer wieder gibt es Phasen, in denen an Grenzen kontrolliert wird - bei besonderen Veranstaltungen oder Gefahren. Für solche Kontrollen gibt es Regeln.
Die Europa-Brücke, die Deutschland und Frankreich zwischen Kehl und Straßburg verbindet, kommt unscheinbar daher - und ist doch ein alltägliches Symbol für die Reisefreiheit innerhalb der Europäischen Union. Das grenzüberschreitende Reisen ohne Kontrollen ist aus Sicht der Mitgliedstaaten "eine der größten Errungenschaften der Union".
Doch in diesen Wochen gilt diese Freiheit dort nur eingeschränkt - egal ob für Pendler, Touristen oder die Wirtschaft. Polizisten dürfen Reisende wieder zur Kontrolle herauswinken - auf beiden Seiten der Grenze. Das ist aber nichts, was noch nie da gewesen wäre.
So staute es sich hier immer mal wieder als Frankreich nach den Terror-Anschlägen von 2015 Grenzkontrollen wiedereinführte. Nun geht es um die Sicherheit während der Olympischen Spiele in Paris - wie zuvor bei der Europameisterschaft (EM).
Deutschland kontrollierte während der Fußball-EM an all seinen Grenzen und nun während der Olympischen Spiele an der Grenze zu Frankreich - sowie an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz, wo schon länger Kontrollen zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität laufen.
Sicherheitsbehörden befürchten, dass Terroristen die Sportveranstaltungen als Ziel für Attentate nutzen könnten. In Deutschland hatte sich die Gefahr nicht realisiert. In Frankreich gehen die Spiele gerade erst los.
Grenzkontrollen möglich trotz Reisefreiheit
Während besonderer Ereignisse wie Sportveranstaltungen und Gipfeltreffen haben EU-Länder in den vergangenen Jahren immer wieder auf Grenzkontrollen gesetzt. Diese Möglichkeit sieht das EU-Recht ausdrücklich vor.
Kontrollen an den Binnengrenzen dürfen die Mitgliedstaaten aber nur in Ausnahmefällen und nur "vorübergehend" als letztes Mittel wiedereinführen.
Die ersten Jahre über meldeten die Mitgliedstaaten solche Kontrollen für mehrere Tage beziehungsweise Wochen an. Doch im Laufe der Zeit machten sie für immer längere Zeiträume von der Möglichkeit Gebrauch.
Maximaldauer überschritten
Beispiel Frankreich. Das Land wurde ab 2015 zum Ziel mehrerer Terroranschläge. Paris begründete die Wiedereinführung von Grenzkontrollen zunächst mit Verweis auf die Attentate in Paris und Nizza. Dann begnügte es sich auf den Hinweis: "anhaltende Terrorgefahr" - und verlängerte um Monate statt bloß um Wochen.
Deutschland wiederum begründet seit September 2015 Kontrollen an der Grenze zu Österreich mit Verweis auf die irreguläre Migration, zeitweise kamen die Corona-Pandemie und Gipfeltreffen als Argumente hinzu.
Die maximale Dauer von sechs Monaten beziehungsweise zwei Jahren, die der Schengen-Kodex - also das EU-Recht, das die Wiedereinführung von Grenzkontrollen regelt - bis vor Kurzem vorsah, haben beide Länder also längst überschritten.
EuGH zu österreichischen Kontrollen
Die EU-Kommission hat das bislang akzeptiert. Ein Fall, der Österreichs Kontrollen an der Grenze zu Slowenien betraf, landete trotzdem vor dem Europäische Gerichtshof (EuGH). Jemand hatte geklagt, weil er kontrolliert worden war. Der EuGH entschied daraufhin 2022, dass nach Ablauf der Maximaldauer zwar unmittelbar eine erneute Einführung von Grenzkontrollen möglich sei, allerdings brauche es dafür eine neue Bedrohung.
Die Luxemburger Richter hatten Zweifel daran, dass Österreich eine neue Bedrohung nachgewiesen hatte. Das nationale Gericht folgte dieser Linie und erklärte die Kontrolle für rechtswidrig.
Trotzdem wurden die Kontrollen immer wieder verlängert - aktuell bis November 2024. Die Begründungen weichen nur leicht voneinander ab. Um Gefahren durch Migration geht es dabei immer.
Zwischenzeitlich wurde der Schengen-Kodex geändert. Eine Maximaldauer für Kontrollen gibt es aber immer noch: Sie beträgt nun drei Jahre. Und eine Begründung braucht es auch immer noch: "Die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit" muss "ernsthaft bedroht" sein.
Diskussion um Verlängerung an allen Grenzen
Auch Letzteres gerät zuweilen aus dem Blick - aktuell etwa, wenn gefordert wird, dass Deutschland die Kontrollen auch nach der EM an allen deutschen Grenzen fortführen soll, nicht nur an ausgewählten.
Die Bundespolizei hat bislang keine nach Nachbarstaaten aufgeschlüsselte Zahlen, anhand derer sich beurteilen ließe, welchen Effekt die Kontrollen an den jeweiligen Grenzen hatten.
Aus Sicht des Bundesinnenministeriums fehlt für Kontrollen an den westlichen Grenzen und im Norden nach Dänemark die Rechtfertigung. Migrationsrouten führten nicht über diese Nachbarstaaten. Über Österreich, die Schweiz, Tschechien und Polen dagegen schon. Deshalb könne es an diesen Grenzen weiterhin Kontrollen geben mit der Begründung, die Schleuserkriminalität zu bekämpfen.
Außerdem müsse immer abgewogen werden, was Binnengrenzkontrollen für den Tourismus, für Pendler, für das Handwerk in den Grenzregionen, für die Wirtschaft und den Handel bedeuten, so ein Sprecher des Bundesinnenministeriums.
Nicht alle werden kontrolliert
Wobei Wiedereinführung von Kontrollen nicht bedeutet, dass an jedem Übergang jedes Auto, jeder Fahrradfahrer und jeder Fußgänger seine Papiere vorzeigen muss.
Die für alle spürbarste Einschränkung der Reisefreiheit innerhalb der EU gab es wahrscheinlich während der Pandemie. Die Binnengrenzen wurden damals nicht nur kontrolliert, sondern zeitweise weitestgehend geschlossen. Das Ende von Schengen war aber selbst das nicht. Die Grenzen wurden wieder geöffnet.