Unionsantrag im Bundestag Der "Taurus" sorgt weiter für Unruhe
Kommende Woche will die Union erneut über eine "Taurus"-Lieferung an die Ukraine abstimmen lassen. SPD-Generalsekretär Kühnert sieht das gelassen. Doch die Kritik am Kurs des Kanzlers reißt nicht ab.
Die Union will im Bundestag erneut über eine Lieferung des Marschflugkörpers "Taurus" an die Ukraine abstimmen lassen. Mit einer Mehrheit dank weiterer Stimmen aus der Ampelkoalition kann sie dabei nach Einschätzung von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert aber nicht rechnen.
Auf eine entsprechende Frage sagte Kühnert in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner": "Nein, das glaube ich nicht, wir haben ja einen Koalitionsvertrag miteinander, in dem klar geregelt ist, dass die Koalitionspartner sich gemeinsam auf politische Inhalte verständigen und nicht Oppositionsanträgen zustimmen, auch wenn Frau Strack-Zimmermann das nun in der letzten Sitzungswoche anders gesehen hat."
Bei der Abstimmung vor zwei Wochen hatte Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, für einen Antrag der Unionsfraktion gestimmt. Die FDP-Politikerin kündigte bereits an, auch dem neuen Antrag zuzustimmen. "Meine Meinung ist bekannt und wird sich auch nicht mehr ändern. Ich werde mich bei weiteren Abstimmungen entsprechend verhalten", sagte sie dem Nachrichtenportal t-online.
Auch der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki hatte bereits Anfang der Woche angekündigt, nun für einen - zu diesem Zeitpunkt noch nicht angekündigten - neuen Unionsantrag stimmen zu wollen. "Schon beim letzten Mal hätten mindestens ein Dutzend weitere Kolleginnen und Kollegen, die ich kenne, liebend gern dem Unionsantrag zugestimmt, haben sich aber der Koalitionsdisziplin gefügt. Ich war auch kurz davor", sagte Kubicki dem "Münchner Merkur". Diesmal wäre für ihn der Punkt erreicht, es zu tun.
Neuer Antrag der Union am kommenden Donnerstag
Die Unionsfraktion wird einen Antrag zur Lieferung von "Taurus"-Marschflugkörper am kommenden Donnerstag zur Abstimmung stellen. Das sagte deren Parlamentarischer Geschäftsführer Thorsten Frei dem ARD-Hauptstadtstudio.
Kühnert sagte zum neuen Vorstoß, die Union sei frei darin, zu beantragen, was immer sie für richtig halte. "Ich bin aber auch frei darin, das als einen gewissen Grad an Klamauk mittlerweile zu empfinden." Alle Debatten im Bundestag zu dem Thema drehten sich nur noch um den "Taurus". "Wenn wir den Antrag wieder kriegen, dann wird wieder darüber abgestimmt werden. Und dann kann ich nur für meine Reihen sprechen und sagen: In der SPD stehen alle zu dem, was der Bundeskanzler gesagt hat."
Scholz gegen "Taurus"-Lieferung
Olaf Scholz (SPD) lehnt die Lieferung der Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometern an die Ukraine ab, weil er befürchtet, dass Deutschland damit in den Krieg hineingezogen werden könnte. Am Montag vergangener Woche begründete er sein Nein erstmals ausführlich öffentlich.
Scholz befinde sich nicht nur in einem außenpolitischen Umfeld, sondern auch in einem innenpolitischen und nehme die Sorgen der Menschen ernst, sagte Kühnert. Er müsse die volle Verantwortung für die Entscheidung über eine "Taurus"-Lieferung übernehmen.
Zum Vorwurf, dass die SPD Wahlkampf als Friedenspartei führen wolle, sagte Kühnert: "Das ist ein infamer Vorwurf, der der Tragweite der ganzen Entscheidung nicht gerecht wird." Er wolle nicht, dass das Ziel, Frieden in Europa zu haben, in den Dreck gezogen werde.
Pistorius erteilt "Taurus"-Lieferung ebenfalls Absage
Unterstützung für seine Haltung bekommt Kanzler Scholz von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius. Scholz habe mehrmals erklärt, dass es "eine entscheidende Linie" gebe, "die wir niemals übertreten werden", sagte Pistorius während seines Besuchs bei seinem finnischen Amtskollegen Antti Häkkänen. "Nämlich Kriegspartei zu werden", so der SPD-Politiker. "Das ist der Grund, warum 'Taurus' bis jetzt nicht geliefert wurde."
Die Raketen könnten "an der einen oder anderen Stelle helfen", sagte der Minister. Langstreckenraketen würden den Krieg aber nicht entscheiden.
Scharfe Kritik von CDU-Politiker Kiesewetter
Der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter kritisierte Scholz in der "Taurus"-Frage hingegen scharf. "Der Kanzler hat seine eigene Koalition bewusst hinters Licht geführt, obwohl eine Mehrheit der Abgeordneten dort die Lieferung von Taurus zum Schutz der Ukraine befürwortet", sagte Kiesewetter dem ARD-Hauptstadtstudio. Es wäre deshalb sinnvoll, nächste Woche erneut eine Abstimmung zu ermöglichen, "nachdem nun jeder endgültig weiß, dass es keine rechtlichen oder technischen Gründe gibt, die gegen eine Lieferung der Marschflugkörper an die Ukraine sprechen." Es würden keine Bundeswehrsoldaten benötigt und es stelle sich auch nicht die Frage, mit einer Lieferung Kriegspartei zu werden.
Kiesewetter spielte damit auf die Frage an, ob Bundeswehrsoldaten den Einsatz unterstützen müssten. Aussagen des Kanzlers hatten darauf hingedeutet. Die Union kommt vor dem Hintergrund der Abhöraffäre aber zu einem anderen Urteil.
In einem von Russland abgehörten Gespräch hatten Bundeswehroffiziere mögliche Szenarien für den Fall einer Lieferung des Marschflugkörpers an die Ukraine diskutiert. Sie kamen dabei auch zu dem Schluss, dass ukrainische Soldaten das Waffensystem nach einer intensiven Ausbildung ohne fremde Hilfe bedienen könnten, also ohne Einbindung deutscher Soldaten. Für CDU und CSU ist damit klar, dass es keine Hürden für eine Lieferung mehr gibt.
Mehrheit gegen "Taurus"-Lieferung
Die Menschen in Deutschland stehen einer "Taurus-Lieferung" kritisch gegenüber. Im ARD-DeutschlandTrend lehnen 61 Prozent der Befragten eine Lieferung ab. Das sind neun Punkte mehr im Vergleich zum ARD-DeutschlandTrend im Morgenmagazin vom August 2023. Nur 29 Prozent (-7) sind für eine solche Waffenlieferung.