Reaktionen auf Macrons Vorstoß Deutschlands rote Linien
Erst das Nein zu "Taurus", nun die Absage an westliche Bodentruppen: Nach dem Vorstoß von Frankreichs Präsident Macron ziehen deutsche Politiker erneut klare Grenzen für die Unterstützung der Ukraine.
Im Terminkalender von Bundeskanzler Olaf Scholz stehen heute Termine jenseits der großen Bühne: Besuch beim Deutschen Tagebucharchiv in Emmendingen zum Beispiel, oder beim Fußballverein SC Freiburg. Allerdings: Wenn der Kanzler nicht zur Weltpolitik kommt, dann kommt sie eben zu ihm. Nach Emmanuel Macrons Gedankenspielen über westliche Truppen für die Ukraine erklärt Scholz, was für ihn unverrückbar galt und weiter gilt, "nämlich, dass es keine Bodentruppen, keine Soldaten auf ukrainischem Boden geben wird, die von europäischen Staaten oder NATO-Staaten dorthin geschickt werden."
Geschweige denn deutsche Soldaten. Erst gestern hatte Scholz bekräftigt: Das werde es nicht geben. Dafür stehe er. Schließlich gibt es einen fundamentalen Unterschied: Wer Waffen liefert, hilft damit der Ukraine, sich des russischen Angriffs zu erwehren. Wer Soldaten entsendet, wird selbst zur Kriegspartei. Das aber schließt der Kanzler aus.
Keine deutschen "Boots on the Ground"
Die Verwunderung über die Macron-Äußerungen geht quer durch Europa - ob in Ungarn, Tschechien oder Polen, in Italien und Schweden oder im NATO-Hauptquartier. Verteidigungsminister Boris Pistorius gibt auf die Frage nach deutschen Soldaten für die Ukraine eine Basta-Antwort. "Ja, das schließe ich aus, das ist von Anfang an deutsche Position gewesen." Und um auch nicht den Hauch eines Zweifels zu lassen, nochmal in aller Deutlichkeit: "'Boots on the ground' ist keine Option für die Bundesrepublik Deutschland."
Ausdrücklich dankt Pistorius dem NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, dass auch er für Klarheit gesorgt habe. Ein klares "Nein" also von der Regierung. Doch selbst wenn sie eine Entsendung von Soldaten wollte, bräuchte es dafür eine Mehrheit im Bundestag. Schließlich hat Deutschland eine Parlamentsarmee.
Rote Linien bleiben
Wie oft war der Kanzler bei den Ukraine-Debatten ein Getriebener - man denke nur an den Marschflugkörper Taurus oder den Panzer Leopard. Diesmal aber schließen sich Opposition und Ampelpartner dem Kanzler an und den Einsatz eigener Truppen aus. Das gilt auch für den grünen Europapolitiker Anton Hofreiter, der den Kanzler sonst gerne und oft kritisiert. Klare Worte dagegen in Sachen Bodentruppen-Debatte. Die findet er vollkommen unnötig, sie erschrecke nur die Bevölkerung.
Für die Opposition sieht das CSU-Verteidigungspolitiker Florian Hahn bei "Welt TV" genauso. "In der Tat ist das natürlich weiter eine rote Linie." CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sagt dem ARD-Hauptstadtstudio, die Ukraine brauche vor allem weitreichende Waffen und Munition. Wenn Europa endlich liefere, dann stelle sich die Frage nach Bodentruppen nicht mehr.
Für Grünen-Chef Omid Nouripour stellt sie sich schon jetzt nicht mehr, für ihn ist all das schlicht "kein Thema". Von einer Phantom-Debatte spricht SPD-Außenpolitiker Michael Roth. Er habe auf seinen Ukraine-Reisen mit vielen Fachleuten gesprochen, niemand von ihnen fordere Bodentruppen, sagt Roth dem ARD-Hauptstadtstudio.
Macron habe den Bogen überspannt, findet CDU-Politikerin Serap Güler, der deutschen Debatte tue das nicht gut. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich schiebt hinterher: "Staatskunst besteht nicht in markigen Worten, sondern zeigt sich in konkreter Unterstützung."
Vorgeführt, unkoordiniert, schwach
Bedauern also darüber, dass vom eigentlichen Thema abgelenkt wird: mehr und schnelleren Waffenlieferungen nämlich. Darauf drängt Scholz bei den europäischen Partnern, auch bei Frankreich. Eigentlich war die Pariser Konferenz als Zeichen europäischer Geschlossenheit angekündigt - davon ist am Tag danach nichts übrig, findet Grünen-Politiker Hofreiter. Macron habe abgelenkt vom Wesentlichen, und all das "zeigt einfach wieder, dass die Europäer unkoordiniert und schwach sind".
Deutschland wird von Frankreich vorgeführt, so sieht es CSU-Politiker Hahn. CDU-Außenpolitiker Kiesewetter spitzt es noch weiter zu: Noch nie war das deutsch-französische Verhältnis aus seiner Sicht so schlecht wie heute. Es fehle an einer "Führung in Partnerschaft".
Gezielte Mehrdeutigkeit? Warum aber macht der französische Präsident dann einen solchen Vorstoß? Macron selbst nennt das "strategische Ambiguität" und meint damit: sich nicht in die Karten gucken lassen zu wollen. Alles ist möglich, was hilft, die Ziele zu erreichen: Das wäre dann auch ein Signal Richtung Russland, sich keiner Reaktion sicher sein zu können. Am Tag danach ist von dieser Mehrdeutigkeit allerdings kaum noch etwas übrig. Stattdessen bleibt vor allem ein französischer Präsident in Erinnerung, der an ein Tabu gerührt hat.