Gespräch von Luftwaffen-Offizieren Verteidigungsministerium bestätigt Abhörfall
Ein geheimes Gespräch von Luftwaffen-Offizieren unter anderem zum Thema "Taurus" wurde abgehört. Das bestätigte das Verteidigungsministerium dem ARD-Hauptstadtstudio. Experten sprechen von einem "Super-GAU".
38 Minuten ist der gestern von russischen Propagandakanälen veröffentlichte Mitschnitt lang. Zu hören: Details, die so wohl nie an die Öffentlichkeit gelangen sollten. Das Verteidigungsministerium bestätigt jetzt ebenfalls gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio: Es gibt einen Abhörfall.
"Es ist nach unserer Einschätzung ein Gespräch im Bereich der Luftwaffe abgehört worden", erklärte ein Sprecher. "Ob in der aufgezeichneten oder verschriftlichten Variante, die in den sozialen Medien kursieren, Veränderungen vorgenommen wurden, können wir derzeit nicht gesichert sagen", ergänzte er.
Kanzler Olaf Scholz (SPD), der heute Vormittag eine Privataudienz beim Papst in Rom hatte, zeigte sich nach Bekanntwerden des Spionagefalls zumindest hochgradig besorgt: "Das, was dort berichtet wird, ist eine sehr ernste Angelegenheit und deshalb wird das jetzt sehr intensiv, sehr sorgfältig und sehr zügig aufgeklärt. Das ist auch notwendig."
Offenes Gespräch unter Luftwaffen-Offizieren
In der offenbar am 19. Februar von Russen mitgehörten Internetkonferenz hochrangiger Luftwaffen-Offiziere geht es um die Vorbereitung eines 30-minütigen Briefings für Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zur Machbarkeit eines "Taurus"-Einsatzes in der Ukraine.
Die Offiziere reden offen unter anderem darüber, dass US-amerikanische und britische Militärs in der Ukraine am Boden agieren und besprechen Möglichkeiten, ukrainisches Personal für den "Taurus"-Einsatz in Deutschland auszubilden. Thema ist auch ein Einsatz der Waffe beispielsweise gegen die Kertsch-Brücke, die das russische Festland mit der Krim verbindet.
"Nur die Spitze des Eisbergs"
Verteidigungspolitiker in Berlin fordern jetzt umfassende Aufklärung. "Das muss die Bundeswehr klären", sagte CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter dem ARD-Hauptstadtstudio. Generell gelte: "Die Bundeswehr muss ihre eigene Zeitenwende in der Kommunikationstechnik leisten. Denn das wird nur die Spitze des Eisbergs sein."
Er gehe davon aus, dass die Russen weitere Gespräche mithörten und sie bei passender Gelegenheit veröffentlichen werden: "Was ist die russische Absicht? In jedem Fall Briten, Franzosen und Deutsche auseinanderzutreiben", so Kiesewetter.
Das dürfte in Teilen gelungen sei, auch weil brisante Interna bekannt wurden - wie der Hinweis, dass Soldaten von Partnerländern am Boden in der Ukraine agieren. Der Unionspolitiker Florian Hahn verlangte, dass der Kanzler im Verteidigungsausschuss zu dem Fall Stellung nimmt.
"Nahezu ein Super-GAU"
Experten wie der WDR-Investigativreporter Florian Flade sagen, es gehe hierbei nicht nur um die Offenlegung offenbar unzureichend geschützter Kommunikationswege der Bundeswehr: "Dieser Vorfall ist durchaus schwerwiegend. Sicherheitspolitisch ist das nahezu ein Super-GAU, weil hier gleich mehrere Dinge erreicht werden, die Moskau in die Karten spielen."
So widersprachen die Aussagen der hochrangigen Offiziere - unter ihnen Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz - auch der Darstellung des Kanzlers, der einen "Taurus"-Einsatz mit der Begründung ausgeschlossen hatte, deutsche Soldaten müssten dafür in der Ukraine vor Ort sein.
Aufarbeitung beginnt erst
Die Aufarbeitung dieses Abhörfalls dürfte jetzt erst beginnen. Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz, Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums, sagte dem ARD-Hauptstadtstudio, in allen Verfassungsorganen sei ein besserer Schutz der Kommunikation notwendig: "Ja, das ist ein maximal ernst zu nehmender Vorgang. Wir müssen schnellstmöglich klären, ob es sich um einen Einzelfall handelt, oder um ein strukturelles Sicherheitsproblem in der Kommunikation der Bundesregierung."
Welche Konsequenzen die Bundeswehr aus dem mutmaßlichen Spionagefall zieht, ist unklar. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, es müsse endlich Schluss sein mit unserer Naivität. Cyberangriffe, Spionage und Desinformation seien bereits heute massiv angestiegen. Deutschland sei auf dem Gebiet ganz offensichtlich verwundbar.