Nach Razzia bei "Reichsbürgern" "Gewaltsame Umsturzfantasien"
Die Schüsse auf einen Polizisten bei einer Razzia im "Reichsbürger"-Milieu hat Politiker aus der Regierungskoalition alarmiert. Sie pochen auf schärfere Auflagen für Waffenbesitzer und mehr Wachsamkeit.
Nach einem Schuss in Reutlingen auf einen Polizisten bei Durchsuchungen im "Reichsbürger"-Milieu haben Politiker der Ampelparteien vor Bedrohungen durch die Szene gewarnt. "Wir haben es nicht mit harmlosen Spinnern zu tun, sondern mit gefährlichen Extremisten, die von gewaltsamen Umsturzfantasien getrieben sind und viele Waffen besitzen", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Der Staat sei in der Verantwortung, alles zu tun, um so früh wie irgend möglich zu erkennen, wenn von Waffenbesitzern erhebliche Gefahren für andere Menschen ausgehen. "Dafür fehlen uns bislang wichtige Regelungen im Waffengesetz", sagte sie mit Verweis auf ihren Gesetzentwurf vom Januar. "Wir müssen sicherstellen, dass bei Anzeichen für eine Gefährlichkeit der jeweiligen Person Waffenerlaubnisse gar nicht erst erteilt oder rechtzeitig entzogen werden."
Von Notz: "Umfassende Aufklärung"
Auch die Grünen mahnten zu Wachsamkeit. Der Vorfall in Reutlingen "führt einmal mehr die massiven sicherheitspolitischen Gefahren vor Augen, die von dieser demokratiefeindlichen Szene ausgehen", sagte der Grünen-Sicherheitsexperte Konstantin von Notz den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Es brauche eine "umfassende und vorbehaltlose Aufklärung" nicht nur des Angriffs, sondern auch der Netzwerke, Verbindungen und Planungen der bereits im Dezember aufgedeckten "Reichsbürger"-Gruppe.
Razzien in acht Bundesländern
Am Mittwoch hatte es im Zusammenhang mit dem "Reichsbürger"-Milieu Durchsuchungen in acht deutschen Bundesländern und der Schweiz gegeben. Ein Beamter eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) wurde dabei in Reutlingen angeschossen und am Arm verletzt.
Der Schütze wurde festgenommen und ist in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen des Verdachts des mehrfachen versuchten Mordes. Die Durchsuchungen standen im Zusammenhang mit einer Großrazzia Anfang Dezember, die sich unter anderem gegen den Unternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß als mutmaßlichen Rädelsführer gerichtet hatte.
Ermittlungen offenbar langwierig
Nach Angaben der Bundesanwaltschaft hat sie im Zuge dieser Ermittlungen neben den bisher 25 Hauptverdächtigen fünf neue Beschuldigte im Visier. Gegen sie bestehe der Verdacht der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, die das politische System in Deutschland stürzen wollte. Die fünf neuen Beschuldigten kommen aus Bayern, Niedersachsen, Sachsen und der Schweiz.
Daneben wurden am Mittwoch die Räumlichkeiten von 14 weiteren Personen durchsucht, die nicht als verdächtig gelten. Unter ihnen sind nach Informationen aus Sicherheitskreisen ein Polizist und ein Angehöriger der Bundeswehr. Weitere Festnahmen gab es laut Bundesanwaltschaft nicht. Die Ermittlungen würden einige Zeit in Anspruch nehmen, in zwei, drei Monaten sei noch mit keiner Anklage zu rechnen.
Bundesanwaltschaft: "Robusteres Vorgehen"
Generalbundesanwalt Peter Frank sagte, das "Reichsbürger"-Milieu sei nicht mehr dasselbe wie vor zehn Jahren. Damals hätten deren Mitglieder keine Steuern gezahlt oder versucht, irgendwelche Gerichtstermine zu boykottieren. Inzwischen hätten die Vernetzung und die Gewalttätigkeit zugenommen, man beobachte einen stärkeren Zusammenschluss.
Deshalb sehe die Bundesanwaltschaft auch die Gefahr, dass sich dort kriminelle oder terroristische Vereinigungen bildeten - und habe sich 2022 zu einem "robusteren Vorgehen" entschieden.