Flüchtlingskosten Mit nackten Zahlen gegen die Länder
Seit Wochen dringen die Länder auf mehr Geld für die Unterbringung von Geflüchteten. Vor dem Treffen im Kanzleramt nächste Woche will der Bund offenbar gewappnet sein - und hat mal durchgerechnet.
Für nächste Woche ist das Spitzentreffen im Kanzleramt angesetzt. Auf dem sogenannten Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern wird um die Verteilung der Kosten gerungen. Seit Langem fordern die Länder mehr Geld vom Bund für die Unterbringung, Versorgung und Integration der Geflüchteten.
Die Bundesregierung weist die Forderungen zurück. Finanzminister Christian Lindner hatte der "Rheinischen Post" im April gesagt, der Bund unterstütze die Länder schon massiv, man zahle zum Beispiel den Lebensunterhalt der Flüchtlinge aus der Ukraine, obwohl eigentlich die Länder zuständig seien. Außerdem seien die Länder finanziell in einer besseren Verfassung als der Bund, der aufgrund der Krisen hohe Schulden habe aufnehmen müssen. "Insofern müsste eigentlich der Bund die Länder um Unterstützung bitten und nicht umgekehrt", so Lindner. Bei den Ländern stößt der Finanzminister mit solchen Aussagen allerdings auf wenig Verständnis.
26,65 Milliarden Euro für das Jahr 2023
Im Vorfeld des "Flüchtlingsgipfels" im Kanzleramt versucht sich die Bundesregierung deshalb offenbar mit dem Sammeln von Fakten vorzubereiten. Schon vergangene Woche hatte das Bundesfinanzministerium auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios aufgelistet, wie hoch die flüchtlingsbezogenen Ausgaben des Bundeshaushalts für die Jahre 2022 und 2023 sind.
Demnach gab die Bundesebene dafür 2022 insgesamt 29,84 Milliarden Euro aus. 2023 sollen es rund 26,65 Milliarden sein. Darunter fallen aber alle Kosten, die der Bund mit Flüchtlingen in Verbindung bringt. Im Jahr 2023 zum Beispiel auch mehr als zehn Milliarden Euro für die Bekämpfung von Fluchtursachen.
Die Argumentation des Finanzministeriums: Man lasse Länder und Kommunen bei der Bewältigung dieser "außergewöhnlichen Lage" nicht allein, "obwohl die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten gemäß unserer Verfassung in der Zuständigkeit der Länder liegt".
"Drastische Einnahmenverschiebung"
Auf Grundlage dieser Zahlen ist in der Regierung aber noch eine weitere Auflistung entstanden, die das ARD-Hauptstadtstudio einsehen konnte. Darin wird detailliert beschrieben, wie der Bund bereits jetzt die Länder bei den Flüchtlingskosten unterstützt. Es wird daraufhin gewiesen, dass es in der Vergangenheit eine "drastische Einnahmenverschiebung zu Lasten des Bundes" gegeben habe. Der Anteil des Bundes am gesamten Steueraufkommen sei in den vergangenen 30 Jahren um zehn Prozentpunkte gesunken. Im Jahr 2021 habe er weniger als 38 Prozent betragen.
Dadurch hätten Länder und Gemeinden die Einnahmen erhalten, die sie zur Bewältigung ihrer Aufgaben benötigten. Der Bund habe dadurch allein im Jahr 2021 auf 86 Milliarden Euro zusätzliche Steuereinnahmen verzichtet. Außerdem habe der Bund 2021 fast 25 Milliarden Euro für Aufgaben der Länder aufgewendet.
Defizit hier, Überschüsse dort
Hingewiesen wird auch auf die unterschiedlichen Haushaltssituation bei Bund und Ländern. Während die Länder und Gemeinden in ihrer Gesamtheit Überschüsse machten, müsse der Bund neue Schulden aufnehmen. 2022 habe er zum dritten Mal in Folge ein Defizit in dreistelliger Milliardenhöhe angehäuft. Die Länder und Kommunen hingegen hätten schon 2021 wieder Überschüsse erzielt, die Gesamtheit der Kommunen sogar durchgängig seit 2012.
Bei der Finanzierung der Flüchtlingskosten sei die Situation auch nicht vergleichbar mit 2016. Insgesamt beteilige man sich mit 15,6 Milliarden Euro und zusätzlich vier Milliarden für die Kosten der Unterbringung. 2016 seien es insgesamt 11,1 Milliarden Euro gewesen.
Die Botschaft der Zusammenstellung ist deutlich. Der Bund sieht seine Fähigkeiten am Ende, den Ländern und Kommunen noch unter die Arme zu greifen. Mit mehr Geld können die Länder auf dem "Flüchtlingsgipfel" wohl nicht rechnen. Damit bleibt der Bund bei seiner Linie. Am Wochenende hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Bericht aus Berlin gesagt, es gehe nicht immer um Finanzfragen. Die Länder werden das aber vermutlich anders sehen.