Bund-Länder-Streit Wer will was in der Flüchtlingspolitik?
Die Kommunen sehen sich überlastet mit der Versorgung Geflüchteter. Der Bund weist die Forderungen nach mehr Hilfe und Geld zurück. Zudem gibt es Rufe nach einer Begrenzung der Zuwanderung. Wer will was?
Die Ausgangslage
Eigentlich hätte der Streit in der Flüchtlingspolitik zwischen Bund, Ländern und Kommunen längst beigelegt sein sollen. Doch ein Spitzentreffen im Februar brachte wenig konkrete Ergebnisse und schon gar keine dauerhafte Befriedung des Konfliktes.
Im Wesentlichen geht es seit Wochen um die Verteilung von Geflüchteten und deren Unterbringung, Versorgung und Integration - und hier vor allem ums Geld. Bundesländer und Kommunen fordern vom Bund vehement mehr finanzielle Unterstützung. Die Bundesregierung weist das ebenso vehement zurück.
Zudem geht es einmal mehr um die Frage, wie viele Menschen Deutschland aufnehmen kann und will. Angesichts steigender Flüchtlingszahlen mehren sich Forderungen nach einer Begrenzung und einer Verschärfung des Asylrechts.
Wie entwickeln sich die Zahlen?
Im vergangenen Jahr waren 1,1 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine gekommen, von denen knapp eine Million geblieben ist. In den ersten drei Monaten dieses Jahres waren es laut Bundesregierung 81.647 Ukrainerinnen und Ukrainer. Für sie gilt eine Ausnahmeregelung: Sie brauchen keinen Aufenthaltstitel und müssen das reguläre Asylverfahren nicht durchlaufen.
Die Zahl Schutzsuchender aus anderen Ländern steigt deutlich. Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge haben im Zeitraum von Januar bis März dieses Jahres insgesamt 87.777 Personen einen Asylantrag in Deutschland gestellt - 80.978 davon sind Erstanträge und 6799 Folgeanträge. Das entspricht einem Anstieg um rund 80 Prozent. Im Vorjahres-Quartal gab es der Behörde zufolge 44.908 Erstanträge auf Asyl in Deutschland.
Die meisten Antragsteller in diesem Zeitraum kamen - wie bereits im gesamten vergangenen Jahr - aus Syrien (22.702 Personen), Afghanistan (15.980 Personen) und der Türkei (10.267 Personen).
Wie unterstützt der Bund die Kommunen?
Für 2023 hat der Bund den Kommunen 2,75 Milliarden Euro versprochen, damit sie Geflüchtete ausreichend versorgen und unterbringen können. Angekommen ist davon aber noch nichts. Das teilten das Bundesfinanzministerium und der Deutsche Landkreistag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) mit.
Grund für das Ausbleiben der zugesagten 2,75 Milliarden Euro seien noch fehlende Rechtsgrundlagen. Das Geld werde aus einer Umsatzsteuerverteilung bereitgestellt - die gesetzliche Grundlage dafür werde auf Bundesebene aber erst im Laufe des Jahres geschaffen, sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums dem RND. Zudem müsse auch auf Länderebene ein rechtlicher Rahmen vereinbart werden, um die Verteilung des Geldes auf die Kommunen zu organisieren.
Die Gespräche darüber liefen in den meisten Ländern derzeit, berichtete das RND unter Berufung auf eine eigene Umfrage bei den Innenministerien aller Bundesländer. Aus Nordrhein-Westfalen hieß es demnach etwa, dass das Land die Kommunen vorerst mit Landesmitteln aus einem Sondervermögen unterstütze. Derartige Zahlungen können sich die Landesregierungen vom Bund erstatten lassen. Allerdings zeichnet sich nach Angaben der Länder bereits ab, dass die vom Bund angekündigten Mittel nicht ausreichen werden.
Was fordern die Länder?
Die Bundesländer drängen auf eine langfristige finanzielle Unterstützung des Bundes bei der Integration geflüchteter Menschen. Geboten sei eine "verstetigte und dauerhafte Beteiligung des Bundes zur Unterstützung von Ländern und Kommunen", sagte der amtierende Vorsitzende der Integrationsministerkonferenz, Hessens Sozialminister Kai Klose (Grüne).
Zudem seien höhere Summen nötig. Die tatsächlich anfallenden Integrationskosten seien bei der vom Bund bislang zugesagten Finanzierungspauschale von 2,75 Milliarden Euro für 2023 nicht ausreichend berücksichtigt, kritisierte Klose. Notwendig seien mindestens drei Milliarden Euro, hieß es. Es gehe dabei etwa um zusätzliche Unterkünfte und Wohnraum für Geflüchtete, Arbeitsmarktintegration, Personal für Kitas und Schulen sowie um Sprachförderung. Die Bundesbeteiligung an den Flüchtlingskosten müsse sich dynamisch entwickeln und an steigenden Flüchtlingszahlen anpassen, hieß es. Ministerpräsident Markus Söder forderte konkret - aus bayerischer Sicht - eine Beteiligung des Bundes von 50 Prozent an den Flüchtlingskosten.
Was fordern die Kommunen?
Die Kommunen haben laut Städte- und Gemeindebund bei der Flüchtlingsunterbringung längst ihre Belastungsgrenze erreicht. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg fordert deshalb, dass Deutschland weniger Flüchtlinge aufnimmt und sich zudem für eine bessere Verteilung von Schutzsuchenden auf europäischer Ebene einsetzt.
Um die Unterbringung zu finanzieren, fordert der Deutsche Landkreistag vom Bund sogar 4,5 Milliarden Euro. Die Begründung: Landkreise und kreisfreie Städte seien im vergangenen Jahr bei den Unterbringungskosten für Flüchtlinge auf rund zwei Milliarden Euro sitzen geblieben. Angesichts steigender Zahlen gehe man für dieses Jahr von zusätzlichen 2,5 Milliarden Euro aus, sagte Verbandspräsident Reinhard Sager (CDU) Anfang April der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Was sagt die Bundesregierung?
Die Bundesregierung verteidigt hingegen den bisherigen Umfang der finanziellen Beteiligung des Bundes. "Der Bund unterstützt die Länder bereits massiv. Wir haben die Flüchtlinge aus der Ukraine alle ins Bürgergeld übernommen, das heißt, der Bund zahlt für ihren Lebensunterhalt, obwohl eigentlich die Länder zuständig wären", sagte der Finanzminister Christian Lindner (FDP) der "Rheinischen Post" Mitte April.
Die Länder seien zudem finanziell in einer besseren Verfassung als der Bund, der aufgrund der Krisen hohe Schulden habe aufnehmen müssen und vor gewaltigen Herausforderungen stehe. "Insofern müsste eigentlich der Bund die Länder um Unterstützung bitten und nicht umgekehrt", so Lindner.
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte Anfang April erklärt, sie könne Forderungen der Kommunen nach mehr Geld vom Bund für die Unterbringung von Flüchtlingen und Migranten zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachvollziehen.
So ganz einig ist die Ampel in der Flüchtlingspolitik aber nicht, vor allem FDP und Grüne verfolgen unterschiedliche Positionen. So fordert die FDP einen "neuen Kurs in der Migrationspolitik" - und meint damit vor allem mehr Steuerung und Begrenzung, leichtere Abschiebungen. Die Grünen legten den Schwerpunkt dagegen vor allem auf finanzielle Hilfen für die Unterbringung und Versorgung durch besonders belastete Kommunen.
Wie geht es weiter?
Bisher scheinen weder Bund noch Länder und Kommunen von ihren Positionen abzurücken. Ob sich das bis zum 10. Mai ändert, ist nicht abzusehen. Dann ist in Berlin der nächste Bund-Länder-Gipfel geplant. Diesmal mit Bundeskanzler. Thema: Flüchtlinge und Migration.
Mehr zu diesem Thema sehen Sie am Sonntagabend im "Bericht aus Berlin" im Ersten.