Unterbringung von Geflüchteten "Nicht nur ein Dach über dem Kopf"
Die Kommunen sehen sich angesichts der vielen Geflüchteten an der Belastungsgrenze. Sie drängen auf mehr Unterstützung vom Bund und fordern eine Strategie - am besten noch vor dem Flüchtlingsgipfel im Mai.
Die Zahl der Geflüchteten in Deutschland nimmt stark zu: Aus der Ukraine flohen seit Beginn des russischen Angriffskriegs mehr als eine Million Menschen nach Deutschland. Auch aus anderen Ländern kommen nach wie vor Schutzsuchende, die Zahl der Asylanträge in der Bundesrepublik steigt rapide. Doch wohin mit all den Menschen? Die Kommunen warnen vor einer Überlastung und fordern mehr Unterstützung vom Bund.
Günther: Kapazitäten der Kommunen sind begrenzt
Aus Sicht von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther muss die Verteilung der Geflüchteten auf die Kommunen begrenzt werden. "Menschen ohne Aussicht auf einen Aufenthaltsstatus oder eine Duldung sollten in den Landesunterkünften verbleiben, damit dort die Verfahren durchgeführt werden können", sagte der CDU-Politker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Bund und Länder müssten anerkennen, dass die Kapazitäten der Kommunen endlich seien. Günther betonte, man wolle Geflüchteten gute Bedingungen bieten. "nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch vernünftige Integrationsangebote". Um das zu gewährleisten, dürften die Kommunen nicht überfordert werden.
Ausreisepflichtige Menschen abschieben
Der Ministerpräsident sprach sich dagegen aus, die Sonderregeln für Geflüchtete aus der Ukraine auf Menschen aus anderen Herkunftsländern zu übertragen. So können etwa ukrainische Geflüchtete sofort in Deutschland arbeiten. Günther betonte jedoch zugleich, dass Geflüchtete, die noch keinen dauerhaften Aufenthaltstitel haben, sich aber einbringen wollen, die Chance bekommen müssten, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen.
Günther lobte das im Vorjahr von der Ampelkoalition auf den Weg gebrachte Chancen-Aufenthaltsrecht, das geduldeten Menschen nach erfolgreicher Integration ein Aufenthaltsrecht zuspricht. Es sei ein wichtiges Instrument gegen den Fachkräftemangel. "Daneben brauchen wir aber endlich ein funktionierendes und solidarisches Asyl- und Migrationssystem auf EU-Ebene, in dem eben auch ausreisepflichtige Menschen abgeschoben werden", unterstrich Günther.
Bas: Wie lang ist der Atem der Bürger?
Auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas fordert eine stärkere Unterstützung der Kommunen bei der Unterbringung von Geflüchteten und warnt vor gesellschaftlichen Spannungen. "Bei der Mehrheit der Deutschen gibt es nach wie vor eine große Solidarität. Wir müssen uns aber fragen, ob die Bürgerinnen und Bürger auf Dauer den langen Atem haben", sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
"Wir müssen jetzt vor allem die besonders belasteten Kommunen bei der Unterbringung von Geflüchteten stärker unterstützen. Es geht um Wohnraum, Schulplätze und die Frage, wie Städte wie meine Heimatstadt Duisburg ihre Kosten erstattet bekommen."
Es dürfe nicht sein, dass Kommunen Mittel für die Geflüchteten umschichteten und bei anderen Aufgaben sparten. "In den Kommunen merken die Bürgerinnen und Bürger zuerst, wenn etwas schief läuft. Da bricht es am ehesten auseinander."
Behrens: Gesellschaftliche Debatte wird schwieriger
Davor warnt auch Niedersachsens Sozialministerin Daniela Behrens. "Wir befürchten, dass wir mittelfristig an einen Punkt kommen könnten, wo die gesellschaftliche Akzeptanz gefährdet wird", sagte Behrens der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung".
Niedersachsen habe im vergangenen Jahr rund 110.000 Kriegsvertriebene aus der Ukraine aufgenommen. Darüber hinaus habe das Land mehr als 20.000 Asylbewerberinnen und -bewerbern Schutz geboten. "Wir haben das bisher alles sehr gut organisiert und in enger Kooperation von Land und Kommunen hinbekommen", unterstrich Behrens. Das werde auch so bleiben, "aber wir merken an den Diskussionen vor Ort, dass die gesellschaftliche Debatte schwieriger wird".
EU-Rücknahmeabkommen muss Rückführungen regeln
Behrens forderte den Bund und die EU zum Handeln auf. Geflüchtete müssten fairer auf die einzelnen EU-Staaten verteilt werden. Zudem müsse im Rahmen von Rücknahmeabkommen dafür gesorgt werden, dass Menschen, die die Asylgründe nicht erfüllen, zurückführt werden können.
Derzeit lebten in Niedersachsen viele Menschen mit abgelehnten Asylanträgen, die aufgrund fehlender Pässe oder mangelnder Bereitschaft zur Rücknahme durch die Herkunftsländer nicht abgeschoben werden könnten. "Das Asylrecht ist ein hohes Gut in Deutschland, insbesondere auch aus unserer historischen Verantwortung heraus. Wenn es aber ausgehöhlt wird, dann ist das ein Problem", unterstrich Behrens.
Flüchtlingsgipfel am 10. Mai geplant
Die Zahl der Asylanträge in Deutschland hat in den ersten Monaten dieses Jahres deutlich zugenommen. Im Januar und Februar 2023 stellten nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) insgesamt 58.802 Personen einen Asylantrag. Gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet dies einen Anstieg um 84,5 Prozent.
Für den 10. Mai ist ein Flüchtlingsgipfel mit den Ministerpräsidenten geplant, in dem es vor allem um Finanzierungsfragen gehen soll. Am Donnerstag hatten die Bundesländer bei der Ministerpräsidentenkonferenz mehr Geld vom Bund zur Unterbringung und Versorgung gefordert. In einem gemeinsamen Beschluss hieß es, Länder und Kommunen stießen an ihre Grenzen.
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte zuvor in seiner Regierungserklärung betont, dass der Bund den "allergrößten Teil" der Kosten für Flüchtlinge trage: Der Bund habe Ländern und Kommunen im vergangenen Jahr mehr als 3,5 Milliarden Euro gezahlt, in diesem Jahr sollten noch einmal 2,75 Milliarden fließen, so der SPD-Politiker.