Flüchtlingsgipfel Warum Abschiebungen wieder Thema sind
Konsequente Abschiebungen sind Teil des Koalitionsvertrags, sie sind jedoch oft schwer umzusetzen. Das Thema habe vor allem "hohe symbolische Bedeutung", sagt ein Migrationsexperte.
Die Ampelregierung hat sich eine neue Migrationspolitik auf die Fahnen geschrieben. Im Koalitionsvertrag ist die Rede von regulärer Zuwanderung - etwa von Fachkräften. Explizit steht darin aber auch die konsequente Abschiebung von Straftätern und Gefährdern. Das machte gerade erst Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag noch einmal klar: "Wer hier kein Bleiberecht erhält, der muss Deutschland auch wieder verlassen."
Für Abschiebungen sind die Bundesländer zuständig, nicht der Bund. Dennoch hat die Bundesregierung mit Joachim Stamp nun einen Sonderbevollmächtigten eingesetzt. Der FDP-Politiker soll mit Staaten Abkommen vereinbaren, damit Migration geordneter läuft und Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber besser funktionieren.
Stamp machte zu seinem Dienstantritt Anfang Februar deutlich, dass die Lage in manchen Herkunftsländern zu unsicher ist. Nach Syrien und auch nach Afghanistan seien Rückführungen quasi ausgeschlossen, sagte Stamp. Deshalb müsse man sich auf die Länder konzentrieren, in denen es gehe. Manche Staaten kooperierten nicht, denn sie wollen zum Beispiel Kriminelle nicht zurücknehmen.
Viele Ausreisepflichtige haben eine Duldung
Ende des vergangenen Jahres gab es in Deutschland rund 304.000 Ausreisepflichtige. Vier von fünf hatten eine Duldung - das heißt, ihre Abschiebung wurde vorübergehend ausgesetzt. Von den 56.000 Ausreisepflichtigen wurde weniger als ein Drittel abgeschoben.
Angesichts solcher Zahlen fordert der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm, die Bundesregierung vor dem Flüchtlingsgipfel zum Handeln auf: "Selbstverständlich muss dann auch am Ende mehr Rückführungen, mehr Abschiebungen stehen. Das ist etwas, was sich die Ampel in den Koalitionsvertrag geschrieben hat, aber bisher überhaupt nichts passiert ist."
Dagegen hält die Bundestagsabgeordnete Clara Bünger von der Linken mehr Abschiebungen für den grundsätzlich falschen Ansatz - "insbesondere vor dem Hintergrund, dass wir in der Vergangenheit sehr häufig Abschiebungen erlebt haben von Menschen, die eigentlich einen Schutzstatus erhalten müssten."
Experte: "Auf wichtige Probleme konzentrieren"
Der Migrationsexperte Steffen Angenendt von der Stiftung Wissenschaft und Politik beobachtet, dass es immer wieder stark polarisierende Diskussionen über Abschiebungen gibt. Ein Thema mit seiner Einschätzung nach "hoher symbolischer Bedeutung". Abschiebungen würden nie große Zahlen erreichen, dafür seien sie viel zu kompliziert und zu teuer. Sie entfalteten eher langfristig Wirkung. "Und dafür sind eben die Abkommen notwendig", so Angenendt. "Man muss den Herkunftsländern etwas anbieten, sonst kooperieren die nicht."
Kurzfristig hält es der Politologe ohnehin für viel wirkungsvoller, sich auf die "wirklich wichtigen Probleme" zu konzentrieren und beispielsweise zu klären, wie Geflüchtete untergebracht, wie ihre Sprachkenntnisse verbessert und wie sie in den Arbeitsmarkt integriert werden können.