Flüchtlingsunterkunft in Upahl "Die Leute radikalisieren sich"
400 Geflüchtete sollten in dem 500-Einwohner-Dorf Upahl untergebracht werden. Massiver Protest war die Folge. Woher kommt die Ablehnung?
Von Mirco Seekamp und Eike Köhler, NDR
"Was ist das jetzt für ein wirrer Gedanke?", dachte Jan Achilles aus Upahl, als er zum ersten Mal hörte, dass 400 Geflüchtete in sein Dorf mit 500 Einwohnerinnen und Einwohnern kommen sollen. In Upahl gibt es keinen Supermarkt, keine Ärzte, und keine gute Anbindung an die größeren Orte. Trotzdem hat der Kreistag den Bau einer Containerunterkunft beschlossen - und die Dorfbewohner erst eine Woche später bei einem sogenannten Bürgerdialog in der Turnhalle in Grevesmühlen darüber informiert. "Mit uns ist noch nicht gesprochen worden. Das ist das, was uns alle so wütend macht", sagt Anwohnerin Petra Mathieu.
Die Fläche in Upahl, auf der die Container stehen sollen, hat Landrat Tino Schomann vorgeschlagen, denn die Fläche gehört dem Kreis selbst. "Wenn ich keine Grundstücke bekomme und keine Gebäude nutzen kann, wo soll ich die Menschen lassen?", fragt der CDU-Politiker. Allerdings geht es hier in Nordwestmecklenburg gar nicht um fehlenden Platz. Die Gegend ist einer der am dünnsten besiedelten Kreise bundesweit.
Schomann gibt am Ende auch zu, dass die tatsächliche Ursache für die Großunterkunft in Upahl die grundsätzliche Ablehnung gegenüber Geflüchteten ist: "Die Akzeptanz ist eine andere als vor acht Jahren." Daher musste er die kreiseigene Fläche nehmen, bei der er die Nutzung bestimmt, sagt er. Dass die Menschen keine Geflüchteten aufnehmen wollen, liegt Schomann zufolge an Krisen wie Corona, dem Krieg in der Ukraine und Inflation.
Die Ablehnung nimmt zu
Die Akzeptanz seiner Bürgerinnen und Bürger wiederherzustellen, liege jedoch nicht in seiner Verantwortung, sondern in der des Bundes und des Landes: "Solange die Regierungen hier nicht handeln, laufen wir dahin, dass wir immer weitere Ablehnung bekommen." Schomann selbst bemüht sich aber offenbar auch nicht darum, die Menschen aufzuklären oder mit ihnen ins Gespräch zu kommen, wer da kommt.
Die Ablehnung von Geflüchteten gibt es nicht nur in Upahl. Sie hat bundesweit wieder zugenommen. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums haben sogar Angriffe auf Flüchtlingsheime erstmals seit 2015 wieder zugenommen. Allein im Jahr 2022 gab es 121 Fälle. Das sind 73 Prozent mehr im Vergleich zum Vorjahr.
Dass die Stimmung in Upahl so hochkocht, war abzusehen, sagt die Kreistagsabgeordnete Miro Zahra. "Man hätte sich auf diese Situation sicherlich auch rechtzeitig vorbereiten können", wirft die Grünen-Politikerin Landrat Schomann vor. Er habe viel zu spät reagiert. Sie selbst hat im Kreistag gegen den Bau in Upahl gestimmt. Integration sei so nicht möglich, sagt sie. Zahra wirft dem Landrat zudem vor, rassistische Aussagen in Kauf genommen zu haben: "Rassismus kommt auch offen zu Tage und das hätte alles nicht so sein müssen."
Rassistische Aussagen
Man kann auf den Demonstrationen immer häufiger hören, dass die Menschen aus Upahl und den umliegenden Dörfern nicht einfach nur gegen den Bau der Container protestieren, sondern ihren Protest lautstark mit rassistischen Aussagen unterstreichen. Niemand hier weiß, wer wirklich kommen soll, und doch ist die Ablehnung groß. "Denkt an unsere Kinder", steht auf Protestplakaten vor einigen Häusern im Dorf.
"Die Leute radikalisieren sich, ohne es zu wollen", gibt Jan Achilles zu, der jetzt auch selbst ein Protestschild baut. Achilles und viele Dorfbewohner sagen, weil sie vor vollendete Tatsachen gestellt worden seien, hätten sie Vertrauen und Verständnis in die Politik verloren. "Dann bist du in so einer Blase und weißt gar nicht mehr, was du glauben sollst", sagt Achilles. Warum daraus allerdings offener Rassismus wird, können sie nicht erklären.
Baustopp seit dem 3. März
Anika Sommer versucht, die Ablehnung ihrer Nachbarn mit dem geringen Ausländeranteil in der Region zu begründen. Sie würde auch gern in der Unterkunft helfen: "Ich habe da überhaupt keine Vorurteile und ich wäre die Letzte, die Nein sagen würde, irgendwie zu unterstützen."
Eigentlich sollten die Container in Upahl längst schon stehen, doch seit dem 3. März gilt ein Baustopp. Die Anwälte der Gemeinde hatten geklagt, weil sie nicht von Anfang an eingebunden wurden. Zudem liegt keine Baugenehmigung vor.
Wie es nun in Upahl weitergeht, ist unklar. Solange das nicht geklärt ist, bleiben die Geflüchteten in der provisorischen Unterbringung in einer Turnhalle in Wismar. Mustafa sagt: "Hoffen wir, dass sie uns eine Chance geben und uns nicht gleich verurteilen." Momentan sieht es nicht danach aus.