Europawahlkampf im Netz Mit Einsatzteams gegen Desinformation
Wahlkampf im Netz wird immer wichtiger, Parteien geben Millionen dafür aus. Mit digitalen Eingreiftruppen versuchen sie, Fake-News und Shitstorms entgegen zu wirken.
Wie sie im Internet auf Stimmenfang gehen, dazu sind die Parteien sehr unterschiedlich auskunftsfreudig. Die AfD erklärt gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio, dass sie auf Facebook, Twitter und Instagram werbe, mehr will sie jedoch nicht sagen. Auch die CSU gibt sich zugeknöpft. Man unterstütze "den Weg, den einige Plattformen derzeit gehen, um für öffentliche Transparenz zu sorgen, wer die Wahlwerbung finanziert" hat. Aber wie viel die Partei selber ausgibt, dazu schweigt sie.
Die Schwesterpartei CDU zieht nach eigenen Angaben mit zehn Millionen Euro in den Europawahlkampf, will jedoch nicht erläutern, wie viel davon fürs Netz vorgesehen ist. Das Budget für den Europawahlkampf der SPD beträgt elf Millionen Euro. Wie hoch der Anteil für den Online-Wahlkampf ist, gibt die Partei nicht preis.
Mehr Transparenz bei politischen Anzeigen
Klar äußern sich auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios die kleineren Oppositionsparteien. FDP und Grüne planen, je 300.000 Euro für den Onlinewahlkampf auszugeben, insgesamt verfügen die Grünen über ein Budget von drei Millionen Euro, die Liberalen von 2,5 Millionen Euro. Höher ist der Etat der Linken für den Europawahlkampf: Er liegt bei 3,7 Millionen Euro, nur 150.000 Euro davon sind für das Netz vorgesehen.
Bei politischen Anzeigen im Internet fordert Die Linke deutlich mehr Transparenz: "Digitale Anzeigen sollten ein zugängliches Impressum aufweisen und offenlegen, wer die Anzeige veröffentlicht und wer sie bezahlt hat." Zudem plädiert die Partei für "ein öffentliches Register mit allen digitalen Anzeigen."
Wahlwerbung klar erkennbar machen
Ein ähnliches Register bietet Facebook derzeit mit seiner "Werbebibliothek" an, in der das Unternehmen politische Werbung sammelt und öffentlich macht. Nicht gefallen dürfte dem IT-Konzern allerdings eine weitere Forderung der Linken: "Nutzern muss es möglich sein, dem sogenannten Microtargeting zu widersprechen." Microtargeting ist Werbung, die nur bestimmten Zielgruppen angezeigt wird, basierend etwa auf deren Alter, Geschlecht, Verortung oder Vorlieben.
Für die SPD sollte Wahlwerbung "als solche zu erkennen sein und es muss klar identifizierbar sein, in wessen Auftrag die Werbung erfolgt". "Für Werbung im Netz sollten die gleichen Regeln gelten, die auch offline gelten", findet die CDU und hält die geltenden gesetzlichen Regeln für ausreichend. Ähnlich äußern sich die Liberalen: "Die Freien Demokraten sehen zusätzliche Regulierungen von Online-Wahlwerbung zu den bereits bestehenden als nicht notwendig an." AfD, CSU und Grüne ließen die Frage nach Regeln für die Wahlwerbung im Netz unbeantwortet.
Mit Humor gegen Fake-News
Auch beim Umgang mit Desinformation im Netz sind die Parteien unterschiedlich aufgestellt. Die Linke will etwaigen Fake-News mit "Aufklärung, Humor und - auch dies behalten wir uns vor - mit juristischen Mitteln begegnen." Man halte aber "Lobbyismus und den Einfluss von Großkonzernen und finanzstarken Wirtschaftsverbänden für eine größere Gefahr für die Demokratie als Bubbles und Fake-News."
Bei den Grünen gibt es neben vier hauptamtlichen Mitarbeitern, die 14 Social-Media-Accounts betreuen, eine "sogenannte Netzfeuerwehr". Dies sei eine "geschlossene Gruppe mit 4000 Aktiven, die wir bei Falschmeldungen und Shitstorms aktivieren können. Die Mitglieder der Gruppe kommentieren dann falsche Beiträge und setzen sich Shitstorms entgegen."
Einsatz von Freiwilligen
Eine digitale Eingreiftruppe hat auch die CDU. Etwa 3000 CDU-Mitglieder seien in "einer extra für den Online-Wahlkampf angelegten Facebook-Gruppe organisiert", die aus der CDU-Zentrale heraus administriert werde. "Das schnelle Benennen von Falschinformationen - und auch deren Enttarnung - ist ein Aufgabenbestandteil dieser Gruppe. Im vergangenen Bundestagswahlkampf konnten wir so schnell reagieren, wenn es um Falschmeldungen über die CDU oder unsere Kampagne ging. Die Reaktionen reichen dann von einer Gegendarstellung via Twitter bis hin zum klassischen Telefonanruf bei den identifizierten Quellen oder Erstverbreitern der Falschmeldung."
Auch die SPD versucht, sich mit ihrem "Community Management" in Diskussionen auf den eigenen Social-Media-Kanälen einzumischen. Und sie setzt mit ihrem "Digital Debating Team" ebenfalls auf den Einsatz von Freiwilligen. Damit wolle man "gezielt gegen Hate-Speech im Internet vorgehen und Halbwahrheiten und gezielten Falschinformationen im Internet entgegentreten", heißt es aus der Parteizentrale. Es bleibt aber ein Geheimnis, wie viele Mitglieder sich daran beteiligen.
Die SPD hat zwischenzeitlich nach Erscheinen des Artikels gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio konkretisiert, dass sie rund 1,6 Millionen Euro für den Onlinewahlkampf ausgibt. Damit hat sie laut eigenen Angaben die Netzausgaben im Vergleich zur letzten Europawahl 2014 verachtzigfacht. Damals betrug das Budget 20.000 Euro. Im „Bericht aus Berlin“ vom 05.05. hatte SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley die Offenlegung versprochen.