SPD-Vorsitzender Das ARD-Sommerinterview mit Klingbeil im Faktencheck
SPD-Chef Klingbeil stand im ARD-Sommerinterview Rede und Antwort. Von ihm verbreitete Zahlen und Fakten etwa zu den Themen Bürgergeld oder Ukraine-Krieg hielten einer Überprüfung stand.
Im ARD-Sommerinterview mit SPD-Co-Chef Lars Klingbeil ging es unter anderem um die anstehenden Wahlen in Thüringen und Sachsen, die Wahlniederlagen der SPD in der jüngsten Vergangenheit und die Frage, wie sehr die SPD an Bundeskanzler Olaf Scholz mit Blick auf die Kanzlerkandidatur bei der nächsten Bundestagswahl festhält.
Zudem waren die SPD-Kernthemen Rente und Bürgergeld Thema - ebenso wie der Krieg gegen die Ukraine und die Lieferung deutscher Waffen dorthin.
Zahlen und Aussagen zum Bürgergeld stimmen
Die von Klingbeil angeführten Zahlen und Aussagen zur Debatte rund um das Bürgergeld hielten einer Überprüfung stand. So sagte Klingbeil in dem Gespräch, es gebe in Deutschland etwa 800.000 Menschen, die arbeiteten und trotzdem Bürgergeld bekämen.
Das deckt sich mit Zahlen des Bundesarbeitsministeriums. Demnach waren Stand Dezember 2023 von den rund vier Millionen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten rund 20 Prozent erwerbstätig. Auch die Diakonie bestätigte diese Zahlen.
Ebenfalls korrekt ist die von Klingbeil genannte Zahl von knapp 16.000 Menschen in Deutschland, die sich einer Arbeit verweigern. Die Zahl ist ebenfalls von Dezember 2023. Zuletzt hatte die Bundesagentur für Arbeit mitgeteilt, dass diesen Menschen im Zeitraum von Februar bis Dezember 2023 der Regelsatz des Bürgergeldes "wegen Ablehnung von Arbeitsangeboten oder der Nicht-Fortführung einer Arbeit" gekürzt wurde.
Zudem sagte Klingbeil, man habe mit dem Haushalt beschlossen, "dass Menschen, die bei der Schwarzarbeit erwischt werden, obwohl sie Bürgergeld bekommen, drastische Kürzungen bekommen".
Auch diese Aussage ist richtig: Mit ihrer im Juli auf den Weg gebrachten Wachstumsinitiative hatten sich die Parteien der Ampel etwa darauf geeinigt, dass die Bürgergeldleistungen bei Schwarzarbeiten um 30 Prozent gekürzt werden können.
Die These, Arbeit lohne sich für Geringverdiener nicht mehr genügend, wies Klingbeil zurück. Das bestätigt auch das Ifo-Institut. Zu Jahresbeginn 2024 hatte es bestätigt, dass trotz der deutlichen Anhebung der Regelbedarfe im Bürgergeld weiterhin ein spürbarer Lohnabstand besteht.
"Es gibt ein Existenzminimum"
Dass der Abstand vom Bürgergeld zum niedrigen Einkommen vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland in einigen Fällen nicht sehr groß ist, verteidigte Klingbeil mit Verweis auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes. Wörtlich sagte er: "Es gibt ein Existenzminimum. Das ist durch ein Bundesverfassungsgerichtsurteil festgelegt, wie das Existenzminimum in diesem Land zu sein hat."
Damit beruft sich Klingbeil auf ein Grundsatzurteil des Karlsruher Gerichtes aus dem Jahr 2019. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht auf das Grundgesetz verwiesen: Die Ausgestaltung der Grundsicherung ergibt sich demnach aus dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Denn staatliche Verpflichtung ist es, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen.
Der Staat hat demnach den Auftrag, die Voraussetzungen für ein eigenverantwortliches Leben zu schaffen. Seine sozialen Leistungen darf er daran knüpfen, dass Menschen ihre Existenz nicht selbst sichern können - und an aktive Mitwirkung. Auch Sanktionen sind dem Urteil nach erlaubt. Aber der Staat muss dabei laut Karlsruhe strenge Anforderungen der Verhältnismäßigkeit beachten.
Ukraine darf sich auch auf russischem Gebiet verteidigen
Auch der Überraschungsangriff der Ukraine auf die russische Region Kursk war Thema des ARD-Sommerinterviews. Dabei ist die ukrainische Armee mit Bodentruppen erstmals auf russisches Territorium vorgedrungen.
Konkret ging es dabei um die Frage, welche Rolle aus Deutschland gelieferte Waffen dabei spielen könnten. Denn Medienberichten zufolge sollen bei dem Angriff solche Waffen aus Deutschland im Einsatz gewesen sein - in einem Bericht der Bild-Zeitung war von mehreren Schützenpanzern des Typs "Marder" die Rede.
Der Kritik, die Waffen seien nur zur Verteidigung auf ukrainischem Gebiet gedacht gewesen, setzte Klingbeil entgegen, ihm sei nicht bekannt, dass es Einschränkungen irgendeiner Art gebe. Auch das, was gerade auf russischem Gebiet passiere, falle "völkerrechtlich mit unter das Recht auch der Selbstverteidigung".
Das bestätigt auch die Sicherheitsexpertin Stefanie Babst auf Anfrage des ARD-faktenfinders. Babst schreibt dazu: "Die Ukraine verteidigt sich weiter gegen Russland und greift Stellungen an, von denen aus ukrainische Zivilisten in Supermärkten und Krankenhäusern bombardiert werden." Das alles sei im Rahmen des internationalen Völkerrechts. Und auch die Waffenhilfe aus Deutschland ist laut Babst "perfekt damit im Einklang".