Lindner im ARD-Sommerinterview "Wir haben keine Notlage"
Finanzminister Lindner hat Vorwürfe zurückgewiesen, wonach Deutschland zu wenig in die Sicherheit investiere. Im ARD-Sommerinterview plädierte der FDP-Chef für weniger Sozialausgaben. Und er machte klar, welcher Kanzler mit seiner FDP nicht ginge.
Bundesfinanzminister Christian Lindner hat im ARD-Sommerinterview den Haushaltskompromiss der Ampel gegen Kritik verteidigt. Vor allem Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte sich beschwert. "Herr Pistorius hat ein 100-Milliarden-Euro-Sonderprogramm für die Ertüchtigung der Streitkräfte, das hatte keiner seiner Vorgänger", erwiderte Lindner. "Damit kann man arbeiten, und damit muss man auch wirtschaften," sagte der FDP-Chef an die Adresse des SPD-Politikers.
Lindner wies auch den Vorwurf zurück, wonach Deutschland zu wenig in die Sicherheit investiere. "Deutschland erfüllt das NATO-Ziel von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die äußere Sicherheit. Wann in den letzten Jahrzehnten hat es das gegeben? Wir tun mehr als Frankreich und Italien beispielsweise."
Zur Sicherheit gehöre aber auch die finanzielle Stabilität der Bundesrepublik. "Wir haben keine Notlage", unterstrich Lindner mit Blick auf Forderungen, die Schuldenbremse auszusetzen. Das ginge, indem man eine haushaltspolitische Notlage erklärt. Die FDP lehnt das strikt ab.
"SPD und Grüne würden sofort die Steuern erhöhen"
Nach Ansicht Lindners muss der aus seiner Sicht zu teure Sozialstaat umgebaut werden. "Wir haben nicht zu wenig Geld. Wir haben zu hohe Ausgaben", sagte er. Das hänge auch mit der irregulären Migration nach Deutschland zusammen. Die Sozialausgaben müssten sinken. Konkret forderte er mehr Treffsicherheit. "Mehr Empathie für Bedürftige und mehr Konsequenz bei Trittbrettfahrern."
Auf die Frage von Matthias Deiß, stellvertretender Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, nach der harschen Kritik von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich an der Haushaltseinigung, sagte Lindner: "SPD und Grüne würden sofort die Steuern in Deutschland erhöhen. Da zögern die keine Sekunde." Er sei wirklich erleichtert, dass eine Einigung gefunden wurde. "Und dass die Schuldenbremse steht". Es sei ein hartes Ringen in der Ampel gewesen.
Dass Politiker von SPD und Grünen nun die Einigung infrage stellen und nachverhandeln wollen, bezeichnete Lindner als "ein Zeichen dieser Koalition". Diese Koalition müsse sich jede Einigung hart erarbeiten. "Leider entstehen dabei viele öffentliche Geräusche."
"Weg vom Umverteilungsstaat"
Mit Blick auf eine nächste Bundesregierung sprach Lindner von Grundsatzentscheidungen, die getroffen werden müssten. Grob gesagt, gebe es zwei Optionen: Höhere Steuern und mehr Schulden oder ambitioniertere Strukturreformen und eine wachstumsfreundliche Politik. Die FDP wolle mit einem Modell für die Reform des Sozialstaats in den Bundestagswahlkampf gehen. "Weg vom Umverteilungsstaat hin zum aktivierenden Sozialstaat."
Lindner forderte klare Anforderungen an diejenigen, die arbeiten könnten, aber es nicht tun. Beim Bürgergeld habe die Ampelkoalition den "fordernden Charakter" gestärkt. Weitere Schritten müssten folgen. "Das Bürgergeld hat die Erwartungen nicht erfüllt und muss daher weiter reformiert werden."
Nicht mit einem grünen Kanzler
Im anschließenden Format Frag selbst beantwortete Lindner zuvor eingereichte Fragen von Usern und Userinnen. Dabei ging es unter anderem um die Rolle der FDP in der Ampel, die angespannte Haushaltssituation und Perspektiven nach der nächsten Bundestagswahl.
Eine Koalition seiner FDP unter Führung der Grünen schloss er aus. Konkret sagte Lindner: "Klar ist für mich eins: Noch mehr grün, also mit einem grünen Kanzler und einem grüneren Regierungsprogramm, das würde nicht zu uns passen", sagte der FDP-Chef.
"Damit habe ich jetzt schon sogar was für den Fall eines möglichen Kanzlerkandidaten Habeck gesagt", fügte er hinzu. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gilt als wahrscheinlichster Kanzlerkandidat der Grünen, nachdem Außenministerin Annalena Baerbock öffentlich ihren Verzicht darauf erklärt hatte.
Das nächste ARD-Sommerinterview ist für den 11. August geplant. Zu Gast ist dann SPD-Chef Lars Klingbeil.