CDU-Chef im ARD-Sommerinterview "Die Bahn muss ihr Angebot reduzieren"
CDU-Chef Merz erwartet von Kanzler Scholz eine "präzise Berichterstattung" zu der geplanten Stationierung von US-Waffensystemen. Im ARD-Sommerinterview ging es außerdem um die Baustelle Bahn. "Die Bahn ist strukturell überfordert", sagte Merz.
Auch bei CDU-Chef Friedrich Merz hat das Attentat auf Ex-Präsident Donald Trump Bestürzung hervorgerufen. Zu Beginn des ARD-Sommerinterviews äußerte er seine Sorge vor einer weiteren Zuspitzung des US-Wahlkampfs. Das Attentat werde vermutlich Einfluss haben auf das Wahlergebnis. Merz warnte vor harter persönlicher Konfrontation in der Politik auch in Deutschland und plädierte für Respekt auch für den politischen Gegner.
Scharfe Kritik an der Ampel
Im Mittelpunkt des ARD-Sommerinterviews stand aber die Innenpolitik. Scharf kritisierte Merz die Ampel-Regierung und hier vor allem auch den Kommunikationsstil von Kanzler Olaf Scholz.
Angesprochen auf die am Rande des NATO-Gipfels in Washington verkündete Entscheidung, weitreichende US-Waffensysteme in Deutschland zu stationieren, sagte der CDU-Chef: "Ich bin über die Entscheidung sehr überrascht gewesen und ich habe bis zum heutigen Tag keine Unterrichtung durch die Bundesregierung erhalten." Er erwarte in den nächsten Tagen eine präzise Berichterstattung der Bundesregierung über dieses Vorhaben. "Das ist eine fundamentale Veränderung der strategischen, militärischen Lage in Europa und auch in Deutschland." Das könne man nicht einfach so mit einer Presseerklärung machen, so Merz.
Es gebe eine zunehmende Bedrohung durch Russland. Darauf müsse man reagieren. Aber, so Merz weiter, er wolle gerne wissen, was genau die Umstände dieser Entscheidung sind. Er wisse auch nicht, ob Deutschland um die US-Waffen gebeten habe.
Mehr Geld für die Bundeswehr - ohne neues Sondervermögen
Auf die Frage von ARD-Hauptstadtstudioleiter Markus Preiß nach einem neuen Sondervermögen für die Bundeswehr, antwortete Merz: "Wir haben eine Finanzierungslücke von mindestens 30, eher 40 Milliarden Euro, in dem Augenblick, in dem das Sondervermögen aufgebraucht ist." Die Bundesregierung finanziere entgegen den Zusagen auch den laufenden Betrieb der Bundeswehr aus diesem Sondervermögen. "Das war nicht so verabredet."
Merz plädierte dafür, im Bundeshaushalt neue Prioritäten zu setzen. "Wir machen in diesem Jahr 50 Milliarden Euro neue Schulden im Bund, im nächsten Jahr 40 Milliarden - und das mit Schuldenbremse." Das werde so nicht weitergehen. "Wir werden an anderer Stelle einsparen müssen," sagte der CDU-Chef.
Er sei grundsätzlich gegen weitere Sondervermögen. Nötig seien im laufenden Etat höhere Verteidigungsausgaben, "das kann man nicht immer nur mit Sondervermögen machen". Sondervermögen laufen außerhalb des Haushalts und werden bei der Schuldenbremse nicht angerechnet.
Was würde ein Kanzler Merz anders machen?
In Umfragen ist die Union seit Wochen mit Abstand stärkste politische Kraft. Was würde die CDU mit Merz an der Regierung anders machen?
Scholz habe keine klare Vorstellung davon, wo es mit diesem Land hingehen solle, kritisierte Merz und nannte als Gegenbeispiel Helmut Kohl, der der Architekt der deutschen Einheit gewesen sei. Auch Angela Merkel habe besser kommuniziert als Scholz.
"Die Bahn ist strukturell überfordert"
Dass die CDU-geführte Regierung unter Merkel eine Mitschuld am schlechten Zustand dieses Landes trage, wollte Merz nicht bejahen. ARD-Hauptstadtstudioleiter Preiß nannte das Beispiel Deutsche Bahn. Was ein Kanzler Merz hier anders machen will? "Netz und Betrieb müssen getrennt werden", sagte Merz. Das Netz müsse in der Hand des Staates bleiben. Der Betrieb auf dem Netz könne im Wettbewerb stattfinden.
Vor allem dürfe man der Bahn nicht ständig neue Aufgaben, Verbindungen und Angebote auferlegen. "Das Angebot der Bahn muss reduziert werden." Damit das reduzierte Angebot von der Bahn wieder zuverlässig erbracht werden könne. "Die Bahn ist strukturell überfordert."
CDU als "Fels in der Brandung"
Sollte die Union wirklich die Bundestagswahl gewinnen, bräuchte sie mit ziemlicher Sicherheit Koalitionspartner. Wer könnte das in Zeiten einer sich verändernden Parteienlandschaft sein? "Wir sind als CDU und CSU der Fels in der Brandung", sagte Merz. Die Union sei die mit Abstand stabilste und stärkste politische Kraft in Deutschland. "Aber natürlich werden wir nach der nächsten Bundestagswahl Koalitionspartner brauchen, hoffentlich nur einen und hoffentlich zwei zur Auswahl". Merz verwies auf das Beispiel Hessen. Dort konnte CDU-Wahlsieger Boris Rhein wählen zwischen Grünen und SPD. Er entschied sich für die SPD. "Eine vergleichbare Situation im Bund würde uns eine Zweierkoalition ermöglichen."
Die nächste Bewährungsprobe für die CDU steht bereits im Herbst an: die drei ostdeutschen Landtagswahlen im September. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg ist die AfD besonders stark. "Wir wollen in allen drei Ländern stärkste politische Kraft werden", gab Merz als Ziel aus. "Wir wollen dann dafür sorgen, dass ohne uns nicht regiert werden kann." Eine Regierungsbildung dürfte schwierig werden.
Wie geht die CDU mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht um? Ein Zusammengehen der CDU mit dem BSW schloss Merz etwa in Thüringen nicht aus. Das letzte Wort hätten aber die Landesverbände. Er habe CDU-Landeschef Mario Voigt aber vor allem ermutigt, die direkte Auseinandersetzung mit AfD-Landeschef Björn Höcke zu führen. Der Landesverband von Höcke wird als gesichert rechtsextrem eingestuft.
"Einvernehmliche Lösung" in der K-Frage
Nach den Landtagswahlen will die Union auch über ihren Kanzlerkandidaten entscheiden. Merz gilt qua Amt als Favorit. Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen. Vor allem CSU-Chef Markus Söder hält seine Rolle im Unklaren. Vereinbart ist lediglich, dass es nicht wieder zu einem unionsinternen Kampf wie vor der letzten Bundestagswahl zwischen Armin Laschet und Söder kommen soll. "Gehen Sie davon aus, dass wir eine einvernehmliche Lösung vorschlagen", gab sich Merz überzeugt.
Im Anschluss an das ARD-Sommerinterview konnten Zuschauer und User Fragen an Merz stellen. Im Format "Frag selbst" ging es auch um die "K-Frage". Konkret wurde Merz gefragt, ob er CSU-Chef Söder als Kanzlerkandidaten unterstütze, weil seine eigenen Umfragewerte schlecht seien. "In aller Bescheidenheit erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass ich unter den Top fünf in Deutschland bei den Umfragen liege", antwortete Merz.
Die Frage der Kanzlerkandidatur werde nicht nur nach Umfragen entschieden. Auf die Frage, was Kriterien seien, sagte Merz: "Die persönlichen Fähigkeiten, auch die Lebenserfahrung, die Führungserfahrung und ein Bild von Deutschland." Zum Thema Führungserfahrung sagte er, er führe zum zweiten Mal die größte Oppositionsfraktion im Bundestag und habe außerhalb der Politik auch Führungserfahrung.
Söder im ZDF-Sommerinterview
Führungserfahrung hat natürlich auch Söder als langjähriger bayerischer Ministerpräsident. Er stand parallel im ZDF-Sommerinterview Frage und Antwort. Dort blickte Söder auch schon Richtung Bundestagswahl. Seiner Ansicht nach kann die Union hier auf viele Wechselwähler von der AfD hoffen. "In dem Moment, wo ein denkbarer Bundestagswahlkampf stattfinden wird und auch ein Wechsel in einer Regierung denkbar ist, wird die Union noch mal deutlich zulegen können", sagte der bayerische Ministerpräsident.
Konkret nannte Söder frustrierte Wähler, die aus Protest über die Politik der Ampel-Regierung zur AfD gewechselt seien, aber nicht die grundsätzlichen Ziele der Partei unterstützten. Es sei daher seine "dringende Empfehlung" für die Union, klare Konzepte in der Migrationspolitik und in der Wirtschaftspolitik zu erarbeiten.