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Europawahl 2024

Nahaufnahme von AfD-Politiker Krah beim Interview nach Delegationssitzung
analyse

AfD bei Europawahl Was kommt nach Krah?

Stand: 10.06.2024 19:22 Uhr

Stärkste Kraft im Osten, bundesweit zugelegt: Die AfD fühlt sich als Wahlgewinnerin. Warum schließt sie ihren Spitzenkandidaten Krah nun aus der Delegation aus? Und warum darf der ebenfalls umstrittene Bystron bleiben?

Eine Analyse von Julie Kurz und Martin Schmidt, ARD Berlin

Fein säuberlich sind die Namensschilder der neu gewählten AfD- Abgeordneten im Europäischen Parlament auf dem Tisch vor der Tür des AfD-Sitzungssaals im Bundestag am Morgen aufgestellt - auch die Namensschilder von Petr Bystron und Maximilian Krah. Man mag es als schlechtes Omen für Krah sehen, dass der Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl erstmal vergisst, sein eigenes Namensschild mit in die Sitzung zu nehmen. Es wird ihm hinterhergetragen.

In den vergangenen Wochen war herausgekommen, dass sein engster Mitarbeiter mutmaßlich ein Spion für China ist. Krah steht auch im Verdacht, Gelder aus Russland angenommen zu haben. Genau wie Petr Bystron, die Nummer zwei der Kandidatenliste der Partei. Beide hatte man fortan im Wahlkampf versteckt. Heute nun die Frage aller Fragen bei der AfD: Was passiert mit ihnen?

Seitenhieb auf Le Pen

Gestern Abend noch waren sie bei der Wahlparty alle sehr erleichtert, manche sogar stolz auf ihr Ergebnis: Platz zwei - trotz des desolaten Wahlkampfes. Nun müssen sie sich wieder dem Parteialltag widmen und der beginnt fast schon traditionell mit einem Machtkampf. Bis 2 Uhr in die Nacht hinein sitzt ein Großteil der neu gewählten AfD-Europaabgeordneten in einem Hotel zusammen. Sie versuchen zu sondieren, damit es bei ihrer ersten offiziellen Sitzung zu keinem ungewollten Eklat kommt. Es geht um die Frage, wer die neue AfD-Delegation anführt und auch, ob Bystron und Krah überhaupt dazugehören sollen, nach allem was vorgefallen ist.

Wenige Stunden später im Bundestag kommt Parteichefin Alice Weidel als Letzte - demonstrativ gut gelaunt. Sie weiß, wie man einen Cliffhanger setzt und raunt den Journalisten kurz vor Sitzungsbeginn zu: "Es werden sehr interessante Gespräche." Sie will schon in den Raum hineingehen, dreht sich dann aber noch einmal um und ergänzt, dass es ja die AfD sei, die sich in Europa direkt an die Arbeit mache und Strukturen aufbaue. Man kann es als Botschaft in Richtung Marine Le Pen und der rechtsnationalen französischen Partei Rassemblement national (RN) verstehen.

Bislang saß man gemeinsam in der Fraktion "Identität und Demokratie". Doch schon länger gehen die Franzosen auf Distanz zur AfD. Zuletzt wegen eines Interviews von Maximilian Krah in der italienischen Zeitung La Repubblica, in dem Krah die SS verharmloste. Le Pen nutzte den Moment, um den Bruch von der AfD zu vollziehen.

Krah wird ausgeschlossen

Es geht also nun bei der AfD weniger um die Frage, ob man Krah und Bystron trotz Vorwürfen in die Delegation aufnimmt, sondern womöglich viel mehr um die Frage, wie schädlich die beiden für mögliche Allianzen der AfD im Europaparlament sind. "Lassen Sie sich überraschen", sagt Weidel vieldeutig und schließt die Tür zum Sitzungssaal. In der AfD ist das natürlich eine Binsenweisheit, wäre es doch eher eine Überraschung, würde es keine Überraschung geben. Als erstes verlässt Krah die Sitzung vorzeitig und verkündet er sei raus. Die Abgeordneten haben dagegen gestimmt, dass er Teil der AfD-Delegation im Europaparlament wird.

Auch wenn Krah ein Dauerlächeln aufsetzt, kann er seinen Unmut kaum verbergen. Zudem äußert er sich eindeutig, spricht von einem falschen Signal: "Eine Partei, die antritt, auch deutsche Interessen in Brüssel auch gegen die EU zu vertreten, sollte sich nicht von einer ausländischen Partei vorschreiben lassen, mit wem sie antritt." Schon vor Beginn der Sitzung war er gewohnt selbstbewusst, kämpferisch aufgetreten: "Das Wahlergebnis bleibt. Das spricht für mich." Er habe mit seinem strategischen Fokus Recht behalten.

Damit spielt Krah auf die vielen kontrovers-diskutierten Social Media-Videos an, mit denen er ein großes Publikum erreicht hat. Mal ging es darum, dass deutsche Vorfahren keine Verbrecher sein sollen, mal darum, ob die deutsche Nationalmannschaft diesen Namen noch zurecht trage. Für Krah steht fest, dass er das Erfolgsgeheimnis seiner Partei bei den Jungwählern ist. Den anderen AfD-Delegierten scheint das erstmal egal.

Warum Bystron bleibt

Doch was passiert mit Petr Bystron? Er verlässt den Sitzungssaal nicht vorzeitig, so wird klar: Bystron bleibt. Warum ausgerechnet er - bei dem es immerhin staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gibt - Teil der Delegation wird und Maximilian Krah (ohne Ermittlungen) nicht, ist für Beobachter schwer nachzuvollziehen. Die Parteisprecher machen sich bei der anschließenden Pressekonferenz einen schlanken Fuß, und verweisen darauf, dass es eine Entscheidung der Delegation gewesen sei.

So richtig will man über das Thema nicht reden. Irgendwann platzt Alice Weidel der Kragen, dass die Medien immer mit "Problembereichen” kämen: "Wir wollen endlich Regierungsverantwortung übernehmen und das lass ich mir von dieser Haarspalterei nicht kaputt reden." Eine Erklärung gibt sie nicht.

Hinter vorgehaltener Hand wird später erzählt, dass Bystron in der gemeinsamen Sitzung sehr überzeugend alle gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe habe ausräumen können. Zusätzlich soll er eine eidesstattliche Erklärung abgegeben haben. In der Parteilogik war es daher schwierig für die AfD-Delegierten, eher den ausführlichen Medienrecherchen zu glauben als dem Parteifreund. Ohnehin werden viele an der Parteibasis schon das Absägen von Maximilian Krah nicht gutheißen. Bystron profitiert daher auch davon, dass man nicht noch einen draufsetzen wollte.

Krah: "Ich bleibe ihnen erhalten"

Öffentlich soll nun René Aust die komplizierten Umstände erklären, die Nummer 3 der Kandidatenliste. Zuletzt fungierte er als Ausputzer im Wahlkampf, nun wird er die Delegation in Brüssel leiten. Man werde jetzt die Gespräche mit dem RN führen, machte Aust auf der Pressekonferenz klar und damit diese nicht überlagert werden, habe man die Entscheidung so getroffen. Man erhofft ich also vom Krah-Ausschluss, die Franzosen in Gesprächen milde zu stimmen, die gemeinsame Fraktion zu bilden. "Ich sage Ihnen heute voraus, die werden erfolgreich sein", so Aust.

Eines wird am Ende des Tages aber auch dem geschassten Spitzenkandidaten Krah Mut machen: Das Stimmenverhältnis, ihn nicht aufzunehmen, war deutlich knapper, als nach der Nachtsitzung vermutet - acht für den Ausschluss, vier dagegen, drei Enthaltungen. Bei seinem vorzeitigen Abgang am Morgen kündigt er noch an seine "Jugendarbeit" fortzusetzen, da habe er noch einiges in petto: "Ich bleibe ihnen erhalten und es bleibt sowohl kontrovers wie unterhaltsam." Für manche in der Partei dürfte das wie eine Drohung klingen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 10. Juni 2024 um 21:02 Uhr.