Wahlerfolg der AfD Rechtsruck an der Basis
Die Kommunalwahlen stärken die AfD in der Fläche. In manchen ostdeutschen Kommunen kommt sie auf fast 40 Prozent. Schon fordert die Partei einen neuen Umgang mit sich ein.
Das Ergebnis war nur bedingt zu erwarten. Anders als noch bei den Kommunalwahlen in Thüringen hat es die AfD in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt geschafft, hohe Umfragewerte in Ergebnisse umzumünzen. Die in Teilen rechtsextreme Partei ist der Wahlsieger bei den dortigen Kommunalwahlen.
Wahlkarte färbt sich blau
Mit Werten von fast durchweg über 25 Prozent, nicht selten auch über 30, wird sie in den allermeisten Kreistagen stärkste Kraft. Besonders gut schnitt die AfD in den Strukturwandelregionen ab. Im Landkreis Spree-Neiße holte sie 38,2 Prozent, im Landkreis Görlitz 36,1 Prozent.
In einzelnen Städten und Gemeinden fiel der Wert noch höher aus. In der Kohlestadt Spremberg erreichte die AfD bei der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung 38,9 Prozent. In Großschirma, Sachsen kam sie sogar auf 49 Prozent. Dort stellt sie künftig die Hälfte aller Stadträte.
Bereits im März war in Großschirma ein AfD-Bürgermeister gewählt worden. Die Wahl muss allerdings wegen eines formalen Fehlers wiederholt werden.
Soziologe Quent: "Großer Schritt nach rechts"
Der Soziologe Matthias Quent von der Hochschule Magdeburg-Stendal sieht die kommunale Verankerung der AfD gestärkt. Quent sagte der Nachrichtenagentur dpa, insgesamt sei es "ein großer Schritt nach rechts für die Kommunen".
Die anderen Parteien sieht Quent in einer "äußert schwierigen Situation". Einerseits müssten sie die Werte des Grundgesetzes verteidigen. Andererseits hätte eine Dämonisierung der AfD "ganz offensichtlich bei Bürgerinnen und Bürgern eher für Dissonanzen gesorgt".
Berndt: "Alle Parteien sollen mit AfD zusammenarbeiten"
Was aber bedeuten die Ergebnisse für die Arbeit in den Kommunalparlamenten? In Brandenburg bekannten sich am Montag alle größeren Parteien weiter zu einer "Brandmauer" gegenüber der AfD. Genau diese will die AfD einreißen.
"Wir fordern alle Parteien auf, ohne Brandmauern mit der AfD zusammenzuarbeiten", sagte AfD-Landesvize und -Landtagsfraktionschef Hans-Christopher Berndt auf einer Pressekonferenz. In den Kommunen sollten Argumente, nicht "Blöcke" entscheiden.
Seine Partei wolle etwa Mehrheiten für Entscheidungen bei der medizinischen Versorgung und der Vereinsförderung organisieren. Über letztere hatte die AfD in der Vergangenheit immer wieder Gelder für lokale Demokratie-Projekte kritisiert.
Amthor: "CDU wird für konstruktives Klima arbeiten"
Weitere Landratsämter oder Rathäuser konnte die AfD allerdings nicht erobern. Bei den gleichzeitig stattfindenden Stichwahlen in Thüringen unterlagen ihre Kandidaten allesamt denen von SPD, Freie Wähler und CDU.
Die CDU gewann sechs Landratswahlen und stellt neuerdings die Oberbürgermeister von Erfurt, Eisenach und Gera. Überhaupt war die CDU in der Breite oftmals die einzige Partei, die ihr Niveau von vor fünf Jahren halten und die AfD teils übertrumpfen konnte.
In Mecklenburg-Vorpommern erholte sich die CDU mit landesweit 24 Prozent von der desaströsen Landtagswahl vor drei Jahren. Philipp Amthor, Bundestagsabgeordneter und Landesgeneralsekretär, sagte tagesschau.de, die CDU könne in den Kommunen als einzige Partei noch dagegenhalten - "gegen die Vereinfacher von ganz rechts und ganz links".
Seine Partei sollte auch deshalb an dem beim Bundesparteitag in Berlin eingeschlagenen Kurs festhalten. Zum Umgang mit der AfD sagte Amthor, die CDU werde weiter für ein "konstruktives Klima in den Kommunalparlamenten" arbeiten. "Die AfD darf die Polarisierung nicht in die Kommunen tragen."
Auf Wählergruppen kommt es an
Vielerorts kommt es allerdings nicht mehr auf die im Bundestag vertretenen Parteien an, ob die AfD ihre Inhalte durchsetzen kann. Das ist auch theoretisch mit Wählergruppen möglich. Auch diese gehen aus dem Sonntag gestärkt hervor.
Ein Teil von diesen organisiert sich bei den Freien Wählern. Deren sächsischer Landeschef Thomas Weidinger sieht in den Ergebnissen eine "schallende Ohrfeige" für die Ampelregierung. Die Ausgrenzungspolitik gegenüber der AfD sei gescheitert, so Weidinger zu tagesschau.de.
Die Freien Wähler sehen sich als am besten kommunal verankerte Partei. Allerdings herrscht unter ihnen eine gewisse Ratlosigkeit über die Stärke der AfD. In Grimma, wo Freie Wähler-Spitzenkandidat Matthias Berger Oberbürgermeister ist, konnte die AfD die Freien Wähler überholen. Thomas Weidinger sprach dennoch von einem "hoffnungsvollen" Ergebnis für die sächsische Landtagswahl im September.
Wagenknecht-Partei teils drittstärkste Kraft
Selbiges ist auch aus dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zu hören. Während SPD, Grüne und Linke nahezu überall Geländeverluste verzeichneten, etablierte sich die Wagenknecht-Partei auf den Schlag auch im Kommunalen.
Die Partei war vielerorts nur angetreten, wo oftmals Ex-Linke-Mandatsträger den Wahlkampf übernahmen. Mit Werten um die zehn Prozent wurde sie in einigen Kreisen, gerade in Sachsen, auf Anhieb drittstärkste Kraft. BSW-nahe Wählerbündnisse in Brandenburg und Sachsen-Anhalt, die ohne den prominenten Namen antraten, schnitten hingegen deutlich schwächer ab.
Mandate für Neonazis
Bei den Kommunalwahlen hatte ein breites Spektrum an Rechtsextremisten kandidiert, etwa der bundesweit bekannte Neonazi Tommy Frenck. Im thüringischen Kreis Hildburghausen war Frenck vor zwei Wochen in die Stichwahl um das Landratsamt eingezogen. Dort unterlag er nun zwar dem Kandidaten der Freien Wähler, Sven Gregor. Frenck gewann allerdings im Vergleich zum ersten Wahlgang fast 2.000 Stimmen dazu und kam nunmehr auf 10.331 Stimmen.
In Sachsen blieben die Freien Sachsen hinter den eigenen Erwartungen zurück. Die von Extremismusforschern und Verfassungsschützern als Sammlungsbewegung von Rechtsextremisten eingeschätzte Partei kam in keinem sächsischen Kreis und keiner Großstadt über fünf Prozent.
Dennoch konnten in einigen Gemeinden zweistellige Ergebnisse erreicht werden. Nach eigenen Angaben stellt die Partei zudem nun mehr als Hundert Mandate. Das eigentliche Wahlziel, gemeinsame Mehrheiten mit der AfD zu erreichen, verpasste sie aber.
Auch im Süden Gewinne für AfD
Auch in Hamburg, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland fanden am Sonntag Kommunalwahlen statt. Beinahe hätte der Landkreis Germersheim für die erste Stichwahl mit einem AfD-Kandidaten in Westdeutschland gesorgt: Bei der Landratswahl kam Bernd Schattner von der AfD bei sechs Bewerbern auf 17,5 Prozent. Da CDU-Mann Martin Brandl aber genau 50 Prozent erreichte, kommt es nicht zu einem zweiten Wahlgang.
Auch andere Teile von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gelten als Hochburgen der AfD. Bei der Europawahl konnte die Partei dort ebenfalls bis zu 20 Prozent erreichen, blieb im Kommunalen aber dahinter zurück. Mit einer Ausnahme: In der Großstadt Pforzheim am Rand des Schwarzwalds wurde die AfD mit 22 Prozent stärkste Kraft vor der CDU - der Wert entspricht in etwa jenen der Partei in den Magdeburg, Halle oder Brandenburg an der Havel.
In Hamburg, jahrelang eine Stadt rot-grüner und grün-roter Mehrheiten, haben sich CDU, SPD und Grüne nach bisherigem Stand einander angenähert. Die AfD legte auch hier zu. Im Saarland gab es kaum Verschiebungen, die CDU bleibt kommunal auch hier vor der SPD.
Anmerkung: Wir haben im Beitrag Wahlstände, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht vollständig ausgezählt waren, aktualisiert.