Unruhe vor AfD-Parteitag Warum Chrupalla um sein Amt bangt
Vor den Landtagswahlen will die AfD auf ihrem Parteitag Geschlossenheit demonstrieren. Doch für Unruhe sorgt ein Antrag, die Doppelspitze der Partei abzuschaffen. Leidtragender wäre wohl Parteichef Chrupalla.
Die Nervosität in der AfD steigt kurz vor dem Parteitag in Essen, hier soll der Bundesvorstand neu gewählt werden. Auch die Nervosität der Parteisprecher Alice Weidel und Tino Chrupalla steigt. Beide beteuern in Interviews, gern in der Doppelspitze weiterarbeiten zu wollen.
Doch vor allem Chrupalla bekommt Gegenwind. Die Westverbände standen noch nie geschlossen hinter ihm, und aus dem Osten gibt es Vorwürfe, er habe sich im Europawahlkampf nicht breit genug vor den umstrittenen Spitzenkandidaten Maximilian Krah gestellt. Er stammt wie Chrupalla aus Sachsen. Weidel und Chrupalla hatten Krah nach einer Vielzahl von Skandalen - zuletzt verharmloste er die SS - nicht einmal mehr zum Wahlabend in die Parteizentrale geladen.
Doppelspitze könnte abgeschafft werden
Nun liegt für den Parteitag ein Antrag vor, den viele Landesvorsitzende mittragen. In der AfD soll der Posten des Generalsekretärs geschaffen - dafür aber auf die Doppelspitze künftig verzichtet werden. Hinter vorgehaltener Hand macht niemand einen Hehl daraus, wer diese Posten dann besetzen soll. Alice Weidel ist der unbestrittene Star in den eigenen Reihen, sie soll die AfD weiter anführen - eine Partei, die weiß, dass sie ein Frauenproblem hat.
Als Generalsekretär wünschen sich viele Sebastian Münzenmaier, einen Bundestagsabgeordneten aus Rheinland-Pfalz, der seit einiger Zeit eines der einflussreichsten Netzwerke in der AfD organisiert. Aus seinem Umfeld stammt der Antrag.
Für Chrupalla wäre dann kein Platz mehr. Nicht schlimm, heißt es, er bleibe schließlich mit Weidel gemeinsam Chef der Bundestagsfraktion. All dies soll jedoch Zukunftsmusik sein und erst bei der Bundesvorstandswahl 2026 umgesetzt werden. Einige aber fragen sich - weil sie auf Chrupalla schlecht zu sprechen sind - ob man diese Parteistrukturreform nicht einfach vorziehen sollte.
Ein Versuch, die "Abwahlbombe" zu entschärfen
Nun kursiert eine lange Nachricht unter den Delegierten, eine Art FAQ zum Generalsekretärsantrag. Verfasst von Damian Lohr, Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD im rheinland-pfälzischen Landtag - Strippenzieher und Intimus von Münzenmaier. Die Nachricht liest sich wie eine Reaktion auf die Debatte um Tino Chrupalla. Es ist ein Versuch, die mögliche "Abwahlbombe" wieder zu entschärfen.
"Soll auf dem kommenden Bundesparteitag die Doppelspitze abgeschafft werden? Nein!", schreibt Lohr. Die Satzungsänderung sei bewusst so formuliert worden, dass sie erst zum 1. Januar 2025 in Kraft treten könne. Trotzdem sei es wichtig, diesen Antrag jetzt zu verabschieden, damit man sich im Bundestagswahlkampf kommendes Jahr nicht mit Satzungsfragen auseinandersetzen müsse.
Geschlossen in die Landtagswahlen
Vor allem Chrupalla selbst hatte sich über den Zeitpunkt des Antrags sehr geärgert, wohl weil er geahnt hat, welche Diskussionen der Antrag mit sich bringt. Mutmaßlich auch um den Parteichef zu beruhigen, bietet Lohr nun Zugeständnisse an: "Um eine negative Berichterstattung samt bösartiger Interpretationen meines Vorhabens durch die Medien zu verhindern, bin ich gerne bereit, dass der Bundesparteitag die Möglichkeit eines Generalsekretärs auch unter einer Doppelspitze ermöglicht", so Lohr.
Das solle ein klares Signal an die Öffentlichkeit senden, dass die AfD geschlossen in die Ostwahlen ziehe. Trotzdem spart der Rheinland-Pfälzer in seiner Begründung für den neuen Posten auch nicht mit Kritik am Europawahlkampf der Partei und ihrer Führung: "Machen wir uns ehrlich: Es wäre mehr drin gewesen!" Die Skandale um den Spitzenkandidaten seien "auch kommunikativ oft schlecht pariert" worden. "Ein Generalsekretär hätte in solchen Situationen Abhilfe leisten können", meint Lohr.
Versuche der Beschwichtigung
Auch Münzenmaier selbst scheint inzwischen klar geworden zu sein, dass der Antrag in der Partei nicht als harmlos wahrgenommen wird. Demonstrativ lobt er das Vorsitzendenduo im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio: "Tino Chrupalla und Alice Weidel machen das sehr gut."
Andererseits betont Münzenmaier noch einmal, für wie sinnvoll er die Generalsekretärsidee eigentlich hält. "Viele andere Parteien machen das ja auch, zum Beispiel erfolgreiche Partner wie die FPÖ in Österreich, die das ja vorlebt und zeigt, dass es ein Erfolgsrezept ist", sagt er. Das passt zu einem Schlagwort dieser Tage, das man aus der Partei von vielen Seiten hört: Die AfD müsse sich professioneller aufstellen. Vor allem Münzenmaier und sein Netzwerk sehen darin den Schlüssel, erfolgreicher zu werden.