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Europawahl 2024

Rene Aust
Europawahl

AfD vor der Wahl Alle Hoffnung auf die Nummer drei

Stand: 03.06.2024 16:18 Uhr

Nachdem die beiden AfD-Spitzenkandidaten Krah und Bystron nicht mehr auftreten sollen, soll die Nummer drei auf der Europawahlliste retten, was noch zu retten ist. Der Mann heißt René Aust und kommt aus dem Landesverband von Björn Höcke.

Von Kilian Pfeffer, ARD Berlin

Es wäre wohl überraschend, wenn sich ein AfD-Politiker so eine Gelegenheit entgehen ließe. Gerade hat es in Mannheim einen brutalen Messerangriff gegeben, der mutmaßliche Täter war ein Afghane, mehrere Personen wurden verletzt, unter ihnen der Anti-Islam-Aktivist Michael Stürzenberger. Ein Polizist schwebt in Lebensgefahr.

Bei seinem Auftritt beim "Pfalztreffen" in Kirchheimbolanden im Donnersbergkreis fordert René Aust vor der anstehenden Fußball-Europameisterschaft nun ein "Sofortprogramm". Erstens: Gefährder sollten leichter vorsorglich in Haft genommen werden können. Zweitens: "Jeder Ausländer, der in diesem Land raubt, vergewaltigt, mordet - der muss die Haftstrafe in seinem Heimatland absitzen."

Und drittens müsse man eine "Festung Europa" errichten. Es solle niemand mehr herkommen, von dem man nicht wolle, dass er herkomme.

"Beeindruckendes Line-Up an AfD-Rednern"

Die 500 Personen in der Stadthalle Kirchheimbolanden applaudieren begeistert. Es fühlt sich so an, als ob sie auf solche Töne geradezu gewartet hätten. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass Mannheim nicht weit weg ist von Kirchheimbolanden.

Aust, 37 Jahre alt, studierter Wirtschaftsgeograph und Landtagsabgeordneter aus Thüringen, tritt beim "Pfalztreffen" gemeinsam mit anderen AfD Politikern auf: Kristin Brinker, Landesvorsitzende der Berliner AfD, dem stellvertretenden Chef der Bundestagsfraktion, Sebastian Münzenmaier, und Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel. "Ein beeindruckendes Line-Up an AfD-Rednern" steht in der Einladung.

Plötzlich im bundesweiten Rampenlicht

Nachdem die beiden AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Peter Bystron nicht mehr auftreten sollen, steht René Aust, Nummer drei auf der Europawahlliste der AfD, plötzlich im bundesweiten Rampenlicht. Er ist der Ausputzer, soll verhindern, dass die Partei nach den vielen Skandalen der zurückliegenden Wochen in der Wählergunst allzu sehr abstürzt, muss TV-Auftritte absolvieren und für Krah einspringen. Ein Himmelfahrtskommando?

In der AfD wollen sie die Geschichte lieber anders erzählen. Für sie kann Aust in dieser schwierigen Situation eigentlich nur gewinnen. Er sei smart, "ein angenehmer Typ", bisher nicht negativ aufgefallen. Und er biete eine Chance für einen Neuanfang.

Karriere unter Höcke

In der AfD trauen sie Aust viel zu. Dem Mann, der früher mal in der SPD war, der wegen der Flüchtlingskrise zur AfD wechselte und im Landesverband des heute erwiesenen Rechtsextremisten Björn Höcke Karriere machte. Ein expliziter Höcke-Mann soll Aust aber nicht sein.

Jürgen Pohl, Bundestagsabgeordneter und Vertrauter von Höcke, kennt Aust seit 2016, förderte ihn und sieht sich selbst als eine Art politischen Ziehvater. Pohl glaubt, dass Europa eine Chance für Aust sein kann. Dass er sich auf diese Weise einen Namen machen und sich für höhere Aufgaben empfehlen kann.

Dafür, so kann man es wohl sagen, ist die EU in den Augen Pohls gerade noch gut genug. Der Anwalt aus dem Wahlkreis Eichsfeld-Nordhausen-Kyffhäuserkreis macht keinen Hehl aus seiner Verachtung für die Europäische Union. "Ich würde mich nicht mal an der Wahl beteiligen. Ich bin für den Dexit. Aber wenn ich nicht in der Höhle sitze, kann ich nicht mitheulen mit den Wölfen."

Bei Aust klang das im ZDF in der vergangenen Woche so: "Wir wollen die Ressourcen nutzen, um unsere Inhalte zu verbreiten, um keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber den anderen zu haben." Die AfD will darauf hinarbeiten, die EU in ihrer bisherigen Form abzuschaffen und stattdessen einen "Bund europäischer Nationen" zu gründen - und zwar mit den Mitteln, die ihnen die EU zur Verfügung stellt.

Netzwerk jüngerer AfD-Politiker

Aust ist Teil einer jüngeren Politikergeneration, die aktuell in der AfD nach oben strebt. Zu diesem Netzwerk gehören Sebastian Münzenmaier aus Rheinland-Pfalz, René Springer aus Brandenburg, Jan Nolte aus Hessen oder Jan Wenzel Schmidt aus dem Landesverband Sachsen-Anhalt. Diese Politiker treten zumeist pragmatisch und vordergründig freundlich auf, auch gegenüber der sonst in der AfD so verachteten "Mainstream"-Presse.

Daran, dass sie radikale Ansichten haben, kann allerdings wenig Zweifel bestehen: sie befürworten eine "Festung Europa" und "Remigration" ebenso wie Björn Höcke. Das Netzwerk agiert strategisch und machtorientiert. Es hat erkannt, dass Tiraden über Erinnerungskultur oder Schuldfragen nicht helfen, die neuen Wählergruppen zu erobern, die die AfD so gern hätte.

Neuer Delegationsleiter Aust?

Für Rene Aust ist das "Pfalztreffen" ganz gut gelaufen, nach seiner Rede in der Stadthalle Kirchheimbolanden bekommt er so wie alle anderen Redner standing ovations. Völlig zufrieden wirkt er nicht, "man sieht sich selbst ja immer etwas kritischer als andere," sagt Aust im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Immerhin habe er viel Zuspruch bekommen.

Nach der Europawahl könnte Aust neuer Leiter der AfD-Delegation werden, munkeln einige - einer Delegation, der Maximilian Krah nicht mehr und Petr Bystron möglicherweise gar nicht erst angehören. Doch vieles ist im Fluss. Und viel hängt davon ab, wie die AfD bei der Europawahl mit ihrem Ausputzer an der Spitze abschneiden wird.

In einer früheren Version dieses Textes war von "Auftrittsverboten" die Rede. In der betreffenden E-Mail der AfD-Bundessprecher Weidel und Chrupalla heißt es, dass Bystron auf weitere Auftritte verzichten solle. Wir haben das entsprechend geändert.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Erste in der Sendung "Bericht aus Berlin" am 02. Juni 2024 um 18:00 Uhr.