Proteste in Brüssel EU lockert Auflagen für Landwirte
Weniger Pflichten, mehr Spielraum: Die EU-Agrarminister haben bei einem Treffen in Brüssel Erleichterungen für Landwirte beschlossen. Vor Ort wurde wieder protestiert - mit brennenden Reifen und Heuballen.
Sie sind wieder da: Zum dritten Mal seit Beginn des Jahres blockieren Hunderte Traktoren das Brüsseler Europaviertel. Landwirte vor allem aus Belgien haben Heuballen aufgetürmt und Reifen angezündet. Der Protest zeigt Wirkung: Die EU-Staaten haben beschlossen, Umweltauflagen zu lockern.
"Das ist kein Zugeständnis an die Landwirte", betont Frankreichs Minister Marc Fesneau. "Es ist ein Echo, eine Antwort auf das Richtige in ihren Äußerungen, was grundlegende Probleme in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) angeht und deshalb denke ich, dass es nur eine vernünftige Maßnahme ist."
Lockerungen beim Anbau
Die EU lockert Regeln für den Anbau von Zwischenfrüchten. Die Mitgliedsstaaten bekommen mehr Spielraum, um zu entscheiden, welche Böden in welcher Jahreszeit geschützt werden sollen. Landwirte werden auch künftig von der Pflicht befreit, einen Teil der Ackerflächen zugunsten des Artenschutzes stillzulegen.
Betriebe mit einer Fläche von weniger als 10 Hektar werden von Kontrollen und Strafmaßnahmen befreit. Das betrifft zwei Drittel der Empfänger von Direktzahlungen im Rahmen der GAP. Die Verantwortlichen hoffen, dass dadurch der Verwaltungsaufwand deutlich zurückgeht, ohne dass die Umweltziele beeinträchtigt werden.
"Ein Bündel zahlreicher Maßnahmen"
"Wir haben unseren Landwirten zugehört und rasch gehandelt, um ihre Anliegen in einer Zeit zu berücksichtigen, in der sie mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert sind", sagt David Clarinval, der zuständige Minister Belgiens, das derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat.
Beispielsweise sollen die Maßnahmen zur Winterabdeckung flexibler gestaltet werden, oder für mehr Flexibilität bei den Fruchtfolgen sorgen. Ein zweites Paket sehe vor, eine Preisbeobachtungsstelle einzurichten, um schnell auf fallende Preise reagieren zu können. "Es handelt sich also um ein Bündel zahlreicher Maßnahmen, die sich alle auf die Preise auf den Märkten auswirken, um das Einkommen der Landwirte gezielt zu steigern", so Clarinval.
Özdemir: Umweltschutz nicht vernachlässigen
Auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir verlangt, bürokratischen Ballast abzuwerfen. Der Grünen-Politiker betont aber, dabei dürfe die EU nicht beim Umweltschutz nachlassen.
Sein österreichischer Kollege Norbert Totschnig begrüßt die Erleichterungen: "Sie bringen mehr Flexibilität für die Bäuerinnen und Bauern. Vor allem für die kleineren Betriebe heißt das eine Entlastung hinsichtlich der Kontrollen. Aus meiner Sicht ist jetzt notwendig, dass diese Vorschläge rasch umgesetzt werden, damit sie auch schnell ihre Wirkung bei den Betroffenen entfalten."
Verhandlungen über ukrainische Agrarprodukte dauern an
In mehreren europäischen Staaten protestieren Landwirte und ihre Verbände gegen sinkende Preise, neue Umweltauflagen aus Brüssel und Agrarimporte aus der Ukraine. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, auf Einfuhren einiger ukrainischer Agrarprodukte ab einer bestimmten Menge wieder Zölle einzuführen, etwa auf Eier Geflügel und Zucker.
"Man muss die Ukraine militärisch und wirtschaftlich unterstützen, aber es darf nicht zu einem Ungleichgewicht auf den Märkten kommen", erklärt der französische Minister Fesneau. "Wenn wir die Unterstützung der öffentlichen Meinung verlieren und unsere europäische Landwirtschaft, dann bringt das weder der Ukraine noch Europa etwas. Wir sind für eine ausgewogene Position."
Die Verhandlungen darüber laufen noch. Die Erleichterungen für die Landwirte sollen im Eilverfahren beschlossen und Ende April im EU-Parlament abgesegnet werden.