Britische Nachzahlungen an die EU Kleiner Sieg, bitterer Nachgeschmack
Nach dem Treffen mit den EU-Finanzministern strahlte der britische Schatzkanzler Osborne. Denn sie kamen ihm im Streit um die geforderte Milliarden-Euro-Nachzahlung entgegen. Doch zu Hause erwarten ihn keineswegs nur Lobgesänge.
Es ist alles eine Frage der Interpretation: Das gilt überhaupt in der Politik, aber ganz besonders, wenn es um EU-Angelegenheiten geht; und erst recht, wenn das oft störrische Mitglied Großbritannien betroffen ist. Der britische Premierminister David Cameron jedenfalls reklamiert den Sieg im Budget-Streit für sich: "Wir haben viel erreicht: Die Rechnung wurde halbiert, wir müssen sie erst später bezahlen, es werden keine Zinsen fällig und wir ändern die Spielregeln, so dass sich dies nicht wiederholen kann."
Das seien alles in allem gute Nachrichten für Großbritannien, frohlockt der Regierungschef und Vorsitzende der Tory-Partei. Er muss also nicht schon zum 1. Dezember überweisen, sondern darf in zwei Raten zahlen, im Juli und im September kommenden Jahres. Wobei es kaum Zufall sein dürfte, dass die Nachzahlung erst nach der Parlamentswahl im Mai erfolgen muss und dass der Briten-Rabatt vorher abgezogen wird.
Doch all das kann selbst Camerons Parteifreund, den konservativen Europa-Parlamentarier Daniel Hannan, nicht überzeugen: "Die Summe ist nicht kleiner geworden!" Es sei immer klar gewesen, dass der Rabatt noch angerechnet wird. Denn es sei um Nachzahlungen für mehrere Jahre gegangen. "Es ist eine Beleidigung unserer Intelligenz, wenn uns erzählt wird, dieser Rabatt habe in Zweifel gestanden. Ja, wir haben ein paar Monate mehr Zeit. Aber sollen wir uns darüber wirklich freuen?", fragt Hannan.
Briten in Brüssel isoliert
Wie genau sich der britische Rabatt auf den EU-Beitrag des Landes berechnet, verstehen wohl nur wenige Insider in London und Brüssel. Es gilt aber das Prinzip: Großbritannien zahlt zunächst die volle Summe und bekommt dann hinterher Geld zurück. Bei der jetzt umstrittenen Budget-Nachzahlung wird dieser Rabatt jedoch bereits im Voraus angerechnet. Deshalb muss London nicht zwei Milliarden, sondern nur etwa eine Milliarde Euro zahlen.
Dies sei alles Augenwischerei, schimpft Schatten-Finanzminister Ed Balls von der oppositionellen Labour Party: "Cameron hat nichts erreicht! Dem Premierminister und dem Finanzminister hört in Europa niemand zu. Beide tanzen nach der Pfeife ihrer euroskeptischen Hinterbänkler und von UKIP. Sie werden in Brüssel ignoriert. Als Folge zahlen wir eine Riesen-Rechnung, wir verlieren Einfluss, schaden unserem nationalen Interesse."
"Dynamit in der britischen Republik"
Erst der Wutausbruch, dann die Wiederwahl 2015, dann ein Referendum über die Mitgliedschaft in einer reformierten EU 2017 - das ist die Strategie, besser: die Hoffnung von Premier Cameron. Er hat bei seinem Auftreten auf dem Kontinent stets die Insel im Blick, denn ihm sitzen die Euro-Rebellen der Tories ebenso im Nacken wie die anti-europäische UKIP-Partei.
Das wisse auch Brüssel, sagt die britische EU-Beobachterin Jackie Davis: "Diese Nachzahlung wirkte wie Dynamit in der britischen Politik, so wie die Europa-Stimmung hier momentan ist. In Brüssel sind viele realistisch und politisch genug um zu wissen, dass Cameron diesen Deal zuhause als Sieg verkaufen will. Das machen im Übrigen alle EU-Regierungschefs."
Ob sich Camerons Wüten und Toben für ihn auszahlt, wird sich bereits am 20. November zeigen, wenn in Großbritannien eine Nachwahl zum Unterhaus stattfindet. Noch liegt in dem betreffenden Wahlkreis den Umfragen zufolge der UKIP-Kandidat vorn, ein Überläufer von den Konservativen. Sollte dieser tatsächlich gewinnen, wäre dies die zweite herbe Schlappe für Cameron binnen weniger Wochen, denn im Oktober schickte UKIP den ersten Abgeordneten nach Westminster.
Die Runde im Kampf mit Brüssel mag der Tory-Chef halbwegs gewonnen haben. Über Sieg oder Niederlage für den Premier entscheiden endgültig allerdings erst die Wähler im Mai 2015.