EU-Nachzahlungsforderung an Großbritannien "Vollkommen inakzeptabel"
Die Nachforderung von zwei Milliarden Euro aus Brüssel hat den britischen Premier Cameron sichtlich verägert: Er kündigte an, die Rechnung nicht einfach zu zahlen. Ein Einknicken kann er sich innenpolitisch kaum leisten.
Statt eines Schecks mit dem Weihnachtsgeld bekommt die britische Regierung in diesem Jahr vor dem Fest eine Zahlungsaufforderung aus Brüssel: 2,1 Milliarden Euro, zu überweisen spätestens am 1. Dezember dieses Jahres.
Premierminister David Cameron ist darüber sichtlich und hörbar verärgert. Nach dem Treffen des Staats- und Regierungschefs in Brüssel erklärte er: "Es ist nicht akzeptabel, wie die EU arbeitet. Uns auf einmal die Rechnung über so eine Riesensumme zu präsentieren - die auch noch so kurzfristig zu bezahlen ist. Und es ist vollkommen inakzeptabel, wie die EU hier mit einem ihrer größten Beitragszahler umgeht."
Cameron drängt auf Sondertreffen
Rund zwei Milliarden Euro Nachzahlung: Das ist fast ein Fünftel dessen, was Großbritannien jährlich netto als Beitrag zum EU-Budget leistet. Cameron drängte auf ein Sondertreffen der EU-Finanzminister, die nun rasch klären sollen, wie die geforderten Summen zustande kommen. Der Londoner Regierungschef machte aber schon mal klar: Er werde nicht sein Scheckbuch zücken - und zum 1. Dezember einfach zahlen.
Großbritanniens Wirtschaft stärker als erwartet
Grob gesagt bemisst sich der jeweilige EU-Beitrag daran, wie stark eine Volkswirtschaft ist - wobei Großbritannien seit langem von einem Rabatt profitiert. Die EU-Kommission hat durch die Statistikbehörde Eurostat kürzlich neu berechnen lassen, wie stark die Länder in den vergangenen Jahren wirtschaftlich gewachsen sind. Und dabei kommt Großbritannien eben besser weg.
Was schlecht ist für den britischen Finanzminister George Osborne: "Wir müssen erst mal nachvollziehen, wie die EU-Kommission auf diese Rechnung kommt. Ebenso wie anderen Ländern wurden uns diese Zahlen einfach präsentiert. Unklar ist auch, warum diese Forderung genau jetzt kommt, ohne eine Vorwarnung. Und dann prüfen wir, was unsere Optionen sind."
Innenpolitischer Druck
Premier Cameron weiß: Ein halbes Jahr vor der Unterhaus-Wahl wirkt die geforderte Nachzahlung innenpolitisch wie eine Ladung Dynamit, auch in den eigenen konservativen Reihen. John Redwood ist einer der Euro-Rebellen der Tories im Parlament: "Es kann nicht sein, dass die EU rückwirkend allen Briten eine Steuer auferlegt und erwartet, dass das britische Parlament dafür stimmt. Wir zahlen schon genug Steuern, wir sollten uns auch nicht weiter verschulden. Also muss unsere Antwort sein: Nein, wir zahlen nicht."
Und neuer Streit zwischen London und Brüssel spielt nicht zuletzt der europafeindlichen UKIP-Partei in die Hände. Die siegte auf der Insel erst kürzlich bei der Europawahl. Kürzlich schickte sie ihren ersten Abgeordneten in das britische Unterhaus, einen Abtrünnigen der Konservativen. Parteichef und Europa-Parlamentarier Nigel Farage sieht sich dadurch in seiner Forderung nach einem EU-Austritt bestätigt: "Dass wir noch mehr zahlen sollen, und das binnen weniger Tage, ist skandalös, die Briten werden wütend sein. David Cameron ist damit in einer ausweglosen Situation - je früher wir ein Referendum haben, je früher wir austreten, umso besser."
Konservative drängen auf Referendum
Cameron hat den Briten versprochen: Wenn ihr mich und meine Konservativen im kommenden Frühjahr wiederwählt, dann könnt ihr 2017 darüber abstimmen, ob Großbritannien Mitglied der EU bleibt oder nicht. Die jetzt präsentierte Rechnung helfe nicht unbedingt dabei, das Land in der EU zu halten, sagte der Regierungschef in Brüssel.
Laut einer neuen Umfrage wollen allerdings lediglich 36 Prozent der Briten die EU verlassen, 56 Prozent dagegen Mitglied bleiben. Das ist - dem Umfrage-Institut zufolge - der höchste EU-freundliche Wert seit mehr als zwei Jahrzehnten.