May gegen Brexit-Plan der EU "Kein Premier könnte dem zustimmen"
Der EU-Entwurf über den Brexit facht den Streit weiter an, anstatt Fortschritte zu bringen. Die britische Regierung reagiert empört und spricht von einer Bedrohung für das Königreich.
Premierministerin Theresa May appelliert an die Londoner Abgeordneten auf den Oppositionsbänken, sich zu beruhigen, als es in der Brexit-Debatte hoch hergeht. Dabei muss sich die konservative Regierungschefin womöglich selbst beruhigen, nachdem Brüssel beim Austrittsabkommen den Aufschlag gemacht hat. Mit einem Text, den sie so nicht unterschreiben wird, wie May im Parlament klarstellt:
Wenn dieser Entwurf in Kraft träte, würde dies den gemeinsamen Markt und die konstitutionelle Integrität des Vereinigten Königreichs bedrohen, weil es dann eine Handelsschranke zwischen Nordirland und Großbritannien gäbe. Kein britischer Premierminister könnte dem je zustimmen - und das werde ich Brüssel klarmachen.
Was May derart erregt, sind die EU-Formulierungen zur inner-irischen Grenze. Für den Fall, dass es keinen Brexit-Deal gibt, soll Nordirland demnach de facto alle Spielregeln übernehmen, die auch in Irland - also in der EU - gelten. Die Premierministerin will ihr Land schließlich aus der Zollunion und aus dem europäischen Binnenmarkt herausführen - damit müsste nach dem Brexit eigentlich der Güterverkehr auf der irischen Insel kontrolliert werden.
Die Grenzfrage als Druckmittel?
Genau das, eine feste Grenze mit Checkpoints, will May aber vermeiden. Das irische Grenzproblem zu lösen, bleibt der Versuch der Quadratur des Kreises. Nicht ohne Grund nimmt May jetzt ihren Außenminister in die Pflicht, nachdem Boris Johnson, oberster "Brexiteer" im Kabinett, hatte durchblicken lassen, eine harte Grenze wäre nicht dramatisch.
Johnson unterstellt der EU vielmehr, den Brexit sabotieren zu wollen: "Die irische Grenzfrage wird politisch ausgenutzt, um Großbritannien in der Zollunion und praktisch auch im Binnenmarkt zu halten, so dass wir die EU nicht wirklich verlassen können. Darum geht es im Moment."
May auf DUP-Stimmen angewiesen
Heikel ist diese Causa nicht nur, weil an ihr der Friedensprozess in Nordirland hängt, sondern weil sie auch politisch brisant ist für May. Denn ihre Tory-Minderheitsregierung bleibt auf die Stimmen der nordirischen Protestanten-Partei DUP angewiesen. Dieser Großbritannien-treue Bündnispartner lehnt vehement alles ab, was nach einem Sonderstatus für Nordirland riecht. "Wir verlassen nicht die EU, um dann dem Auseinanderbrechen des Vereinigten Königreichs zuzusehen. Es wäre katastrophal, wenn Nordirland von seinem wichtigsten Markt abgeschnitten wäre", stellt der DUP-Abgeordneter Nigel Dodds klar.
Die Opposition hat eine Lösung parat: Labour-Chef Jeremy Corbyn wirbt seit dieser Woche dafür, dass Großbritannien nach dem Brexit langfristig in einer Art Zollunion mit der EU bleibt. Die Tory-Regierung dagegen sei so gespalten, dass die Premierministerin nicht in der Lage sei, einen schlüssigen Brexit-Plan vorzulegen, kritisiert Corbyn - auch wenn Mays Regierung genau dies eigentlich übermorgen tun will.
Die Zeit in den Verhandlungen drängt: Ohne fertiges Austrittsabkommen gibt es keine zweijährige Übergangsperiode und kein britisch-europäisches Freihandelsabkommen. Das Brexit-Pokerspiel geht weiter.