EU-Entwurf zum Brexit Schwere Kost für die Briten
Die EU hat den ersten Entwurf eines Brexit-Vertrags vorgelegt. Brüssel hofft nun auf schnellere Verhandlungen - bis zum Herbst sollen diese immerhin abgeschlossen sein.
Als hätte er geahnt, welche Reaktionen er auslösen würde, versuchte der Brexit-Chefverhandler für die EU, Michel Barnier, schon mal vorab, die Nerven zu beruhigen. "Der Text für die britischen Partner enthält keine Überraschungen", erklärte Barnier vor Journalisten in Brüssel, als er jenes 168 Paragrafen umfassende Werk vorstellte, das bald in den endgültigen Scheidungsvertrag zwischen dem Königreich und der Europäischen Union münden soll.
Postwendend Ärger
Obwohl der Text im Grunde nur das präzisiert, worauf man sich bereits im Dezember geeinigt hatte, ist es insbesondere eine Passage, die Brexit-Befürworter auf der Insel nur schwer verdaulich finden und die bereits Minuten nach der Textveröffentlichung ärgerliche Reaktionen provozierte. Dabei geht es mal wieder um das wohl komplizierteste Brexit-Thema überhaupt: die künftige Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland: "Die Nord-Süd-Zusammenarbeit auf der irischen Insel wird gewährleistet. Eine harte Grenze wird vermieden", so Barnier.
So weit, so gut - genau so lautete die Einigung zwischen EU und Großbritannien im Dezember. In dem Vertragsentwurf buchstabiert die EU-Seite nun jedoch schwarz auf weiß, was passieren wird, wenn man keine Lösung für die Grenzfrage findet. Dann nämlich, heißt es dort, sollen im britischen Nordirland Regeln der EU-Zollunion und des EU-Binnenmarktes weiter gelten. Von beidem jedoch will sich London nach dem Austritt verabschieden.
EU-Chefunterhändler Barnier präsentiert den ersten Entwurf eines Brexit-Vertrags.
"Dies ist die Auffanglösung, die wir in unserem Austrittsvertrag unterbringen müssen", erklärte Barnier. Er versuchte zu besänftigen: "Es handelt sich ja nur um eine von drei möglichen Lösungen." Und in der Tat hat die britische Seite bislang keinen Vorschlag gemacht, wie genau sie eine harte Grenze vermeiden will. In der Praxis würde die "Notfall-Lösung" bedeuten, dass Nordirland im Grunde eine Grenze zum Rest des Vereinigten Königreichs hätte.
May reagiert empört
"Der Nordirland-Plan der EU gefährdet die konstitutionelle Selbstbestimmung Großbritanniens", reagierte Premierministerin Theresa May. Barnier erklärte auf Nachfrage, ihm liege es fern, damit irgendjemanden provozieren zu wollen: "Ich will damit keinen Schock hervorrufen. Ich will, dass diese Verhandlungen ein Erfolg werden."
Mit diesen Worten trat der EU-Chefverhandler Gerüchten entgegen, er habe bewusst der May-Regierung einen Schrecken einjagen wollen, damit die sich in den Verhandlungen bewegt - und die lang ersehnten Ideen liefert, wie sich London die künftigen Beziehungen eigentlich vorstellt. Fest steht, dass die EU mit diesem Text den Druck erhöht - und überhaupt versucht, Tempo bei den Gesprächen zu machen.
Tempo in den Verhandlungen
"Wenn die Verhandlungen ein Erfolg werden sollen - und das will ich - dann müssen wir sie beschleunigen", erklärte Barnier. Bereits in 13 Monaten werde das Vereinigte Königreich kein Mitglied der EU mehr sein. Nun deutet sich jedenfalls an, was Experten bereits vor Monaten vermuteten: dass die zweite Phase der Scheidungsverhandlungen wesentlich härter wird als die im Dezember abgeschlossene erste.