EU-Gipfel in Sofia Eine "geschlossene Front" gegen Trump
So deutlich wie beim EU-Gipfel wurde es selten: Das einst hochgelobte transatlantische Verhältnis ist zerrüttet. Die EU scheut nicht davor, "unkonventionelle" Mittel gegen die USA einzusetzen.
Im Verhältnis zwischen EU und Amerika kündigt sich eine neue Eiszeit an - und ein bisher so nicht dagewesener harter Kurs gegen Donald Trump. Die EU-Regierungschefs wollen sich von dem US-Präsidenten nichts mehr gefallen lassen und auch auf Einschüchterungsversuche energischer reagieren.
EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte den passenden Ton für den Gipfel in Sofia schon gestern Nachmittag vorgegeben: "Wenn man sich die jüngsten Entscheidungen von Präsident Trump ansieht, könnte man denken: Mit solchen Freunden, wer braucht da noch Feinde?" Eine "geschlossene Front" gegen Trumps Kurs forderte der EU-Ratspräsident von den Regierungschefs.
Viel Zustimmung für Tusks Machtworte
Zuvor hatte er in einer ungewohnt scharfen Form die US-Regierung als "launenhaft" und damit kaum berechenbar an den Pranger gestellt. Seine Botschaft war unüberhörbar: Die USA fallen als ernst zu nehmende Partner der EU bis auf weiteres aus. Hinter verschlossenen Türen beim gemeinsamen Abendessen gab es für Tusks drastische Machtworte viel Zustimmung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte dazu aber nichts mehr öffentlich sagen - anders als ihr österreichischer Amtskollege Sebastian Kurz: "Was Tusk gesagt hat, ist zugespitzt, aber nicht unrichtig. Klar ist: wir wollen keinen Handelskrieg mit den Amerikanern. Wir wollen eine ordentliche Lösung!"
EU bereit zur Konfrontation
Der Konflikt um neue Zölle beschäftigte die Regierungschefs bisher am intensivsten: Trump hatte zusätzliche Zölle gegen die europäischen Partner angekündigt. Noch bis zum 1. Juni gilt für die EU-Staaten eine befristete Ausnahme. Die EU ist bereit zur Konfrontation, "dann wird natürlich über Gegenmaßnahmen nachgedacht", warnte Österreichs Kanzler Kurz.
Die Vorbereitungen laufen: US-Produkte wie Whiskey, Motorräder und Jeans könnten bald teurer werden. Die EU-Regierungschefs wollen Flagge zeigen und sich Trumps "America first"-Politik energischer als bisher widersetzen - notfalls mit europäischen "Vergeltungszöllen" auf US-Produkte. Begründung: Die USA dürften ihre Maßnahmen nicht mit der nationalen Sicherheit begründen. Es sei absurd auch nur anzunehmen, dass die EU die USA bedrohe.
Import-Erleichterungen für US-Produkte?
Beim Gipfel-Abendessen wurden aber auch Angebote an Trump besprochen - falls dieser nachgibt. In diesem Fall könnte es Import-Erleichterungen für US-Produkte wie Maschinen und Autos geben, außerdem eine beschleunigte Einfuhr von Flüssiggas aus den USA nach Europa - ein Geschäft, das die Amerikaner gerne intensivieren würden. Auch bei einer Reform der von Trump heftig kritisierten Welthandelsorganisation könnten die USA und die EU zusammenarbeiten.
"Die Möglichkeiten sind begrenzt"
Doch weiter will man Trump nicht mehr entgegenkommen. Inzwischen hat sich schon zu viel Ärger aufgestaut. Gleich mehrfach hatte sich Trump den Europäern brüsk widersetzt oder sie einfach ignoriert: Austieg aus dem Pariser Klimaschutz-Abkommen, die Verlegung der US-Botschaft in Isreal nach Jerusalem, Rückzug aus dem Atomabkommen mit dem Iran. Die EU-Regierungschefs wollen zumindest das Atomabkommen retten, auch wenn EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker vor zu großen Erwartungen warnte: "Die Möglichkeiten sind begrenzt."
Zumindest sollen europäische Investionen geschützt werden, die im Iran weiterhin getätigt werden sollen - auch gegen den Willen der Amerikaner. Ein schwieriges Unterfangen. Das EU-Geschäft mit dem Iran könnte zum Erliegen kommen, wenn US-Sanktionen gegen Iran auch europäische Unternehmen treffen, die im Iran aktiv bleiben.
Transatlantisches Verhältnis ist zerüttet
Nach dem Willen der EU-Regierungschefs sollen jetzt auch "unkonventionelle" Mittel gesucht werden - zum Beispiel bestimmte Finanzierungsverfahren - um mögliche US-Strafmaßnahmen auszuhebeln. Ein riskantes Unterfangen, das zeigt, wie zerüttet das einst so hoch gelobte transatlantische Verhältnis ist.
Eigentliches Thema der Staats- und Regierungschefs ist aber die "europäische Perspektive" für sechs Westbalkanländer. Dabei soll es weniger um mögliche EU-Beitritte gehen, sondern erst einmal um den Ausbau von Straßen, Energieleitungen und Kommunikationsnetzen.
Russland und China stehen mit Milliardenkrediten bereit
Die Balkanländer sollen enger an die EU angebunden werden - auch aus strategischen Gründen. Russland und China stehen hier mit Milliardenkrediten bereit. Sie wollen im Gegenzug aber auch politischen Einfluss. Die EU befürchtet zudem, dass die Länder in starke finanzielle Abhängigkeiten kommen, aus denen sie sich selbst kaum befreien könnten.
Schon allein aus diesen geostrategischen Gründen will die EU hier einen Fuß in der Tür haben - auch wenn von neuen EU-Mitgliedschaften bis auf weiteres keine Rede ist. Auch, wenn Beitrittsverfahren laufen.