Rettungsversuch für Atomabkommen "Patient auf der Intensivstation"
Europäer und Iran haben sich auf eine Art Aktionsplan geeinigt. Wird es mit ihm gelingen, das Iran-Atomabkommen zu retten? Irans Außenminister verließ Brüssel zumindest einigermaßen zuversichtlich, wie Kai Küstner berichtet.
Europäer und Iran haben sich auf eine Art Aktionsplan geeinigt. Wird es mit ihm gelingen, das Iran-Atomabkommen zu retten? Irans Außenminister verließ Brüssel zumindest einigermaßen zuversichtlich
Es war ein echtes Krisentreffen: Erstmals nach der Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, sich aus dem Iran-Abkommen zurück zu ziehen, haben sich die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritranniens mit dem iranischen Chefdiplomaten Mohamed Dschawad Sarif sowie der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini getroffen.
Wie sehr das Überleben des Atomabkommens am seidenen Faden hängt, daran ließ die EU-Außenbeauftragte Mogherini keinen Zweifel. Einige am Verhandlungstisch hätten den Zustand des Iran-Deals mit dem eines Notfall-Patienten verglichen, verriet sie nach den Gesprächen in Brüssel: "Wir alle haben einen Familienangehörigen, der sich auf der Intensivstation befindet - und wollen den da so schnell wie möglich rausholen."
Hausaufgaben-Liste für EU und den Iran
Nach Trump soll sich nicht auch noch Teheran vom Atomabkommen abwenden - das ist das erklärte Ziel der Europäer. Um das zu erreichen, wird man den Iran zumindest teilweise wirtschaftlich dafür entschädigen müssen, was dem Land durch die bald wieder greifenden US-Sanktionen an Geschäften entgeht.
Gemeinsam haben sich die europäische und die iranische Seite daher nun auf eine Art Aktionsplan geeinigt. Dieser umfasst laut Mogherini folgende Ziele: "Erstens: Erhalt und Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran. Zweitens: Sicherstellung des Verkaufs von iranischem Öl, Gas und von Petro-Produkten. Drittens: Wirksame Bank-Geschäfte mit dem Iran."
Die EU-Außenbeauftragte listete vor Journalisten so viele Punkte auf, dass sie nach einiger Zeit selber mit dem Zählen nicht mehr hinterher kam. Letztlich handelt es sich um eine Art Hausaufgaben-Liste, die Europäer und Iraner nun abarbeiten wollen. Ohne genau zu wissen, ob das Teheran letztlich genug Sicherheiten verschafft und dem gefährdeten Deal damit die entscheidenden lebenserhaltenden Maßnahmen zugeführt werden.
"Es ist ein guter Anfang"
Doch der iranische Außenminister Sarif verließ Brüssel zumindest einigermaßen zuversichtlich: "Es ist ein guter Anfang. Noch haben wir es aber nicht geschafft. Wir starten jetzt diesen Prozess. Wir brauchen diese Garantien und sehen dann, wie wir am besten weitermachen."
Ein unentrinnbares Dilemma
Immerhin also erklären sowohl Teheran als auch die Europäer ihren unbedingten Willen, das Abkommen zu retten. Was natürlich auch ein klares Signal an US-Präsident Trump ist. Niemand leugnet indes, dass dies schwierig wird.
Die EU sieht sich dabei gleich doppeltem Druck ausgesetzt: Auf der einen Seite ist da Teheran, das auf EU-Garantien pocht. Auf der anderen Seite Trump, der den Iran wirtschaftlich offenbar in die Knie zwingen will und auch damit droht, europäische Firmen zu bestrafen, sollten die weiter mit dem Land am Persischen Golf Handel treiben wollen. Für Unternehmen, die mit den USA und dem Iran gleichzeitig Geschäfte machen wollen, ein unentrinnbares Dilemma.
Eins ist aber klar: Sowohl die Europäer als auch die Iraner wollen an dem Deal festhalten. Denn der berühre unmittelbar die Sicherheitsinteressen Europas, sagte der deutsche Außenminister Heiko Maas: "Ohne dieses Abkommen wird es mehr Unsicherheit, mehr Ungewissheit geben wie die Entwicklung im Iran und im Nahen und Mittleren Osten sein wird. Das wollen wir verhindern, indem wir zu der Atomübereinkunft mit dem Iran stehen."
Klar ist auch, dass es nun schnell gehen muss: Die nächsten Wochen sind entscheidend, sagen übereinstimmend die iranische und die EU-Seite.