Debatte im britischen Parlament Angriff ist die beste Verteidigung
Das britische Parlament ist nach der Zwangspause wieder zusammengetreten. Premier Johnson forderte am Abend ein Misstrauensvotum und Neuwahlen - die Opposition will erst einen Brexit-Aufschub.
Die Unterhausabgeordneten sind aus der Zwangspause zurück, laut und leidenschaftlich, und vom Speaker John Bercow kaum zu bändigen. Es ist die Ouvertüre zu einem Drama, das mindestens die nächsten Tage andauern wird. Premierminister Boris Johnson handelte nach der bewährten Devise "Angriff ist die beste Verteidigung". Mit dem Urteil des Obersten Gerichts hielt er sich nur kurz auf, als er am Abend vor die Abgeordneten trat.
Zum ersten Mal in der Geschichte sei der Supreme Court angerufen worden, um in einem rein politischen Prozess zu intervenieren, und habe eine falsche Entscheidung getroffen, so der Premierminister. Johnson ging mit keinem Wort darauf ein, dass die Richter seine Begründung dafür, die Abgeordneten in eine parlamentarische Zwangspause zu schicken, für null und nichtig erklärt hatten.
Opposition fordert Johnsons Rücktritt
Die Opposition fand das unglaublich, forderte Johnsons Rücktritt. Dem Regierungschef gehe jede Demut vor den Richtern ab, erklärte die Chefin der Liberaldemokraten, Jo Swinson:
Sie müssen sich entschuldigen. Wenn schon mein Sohn sich dafür entschuldigen muss, einen Fußball in eine Glasscheibe geschossen zu haben, dann muss sich ein Premierminister doch mit Sicherheit dafür entschuldigen, die Queen und das ganze Land in die Irre geführt zu haben, als er in illegaler Weise die Demokratie ausgeschaltet hat.
Der Fraktionsvorsitzende der schottischen Nationalisten, Ian Blackford, schlug in die gleiche Kerbe und warf Johnson vor, das Land in eine Diktatur verwandeln zu wollen.
Entschuldigung ist wirklich das schwierigste Wort für diesen Premierminister. Und um einen früheren Premierminister zu zitieren: Wo das Gesetz endet, beginnt die Tyrannei. Die Tatsache, dass dieser Premierminister hier weiter steht, zeigt, dass er immer noch glaubt, über dem Gesetz zu stehen.
Johnson reizt die Opposition weiter
Johnson lachte solche Vorwürfe weg. Und reizte die Opposition zusätzlich mit der Forderung, den Weg für den Brexit frei zu machen oder sofort ein Misstrauensvotum gegen ihn einzubringen, Neuwahlen zu ermöglichen und sich der Abrechnung mit den Wählern zu stellen.
Die Opposition sieht darin aber nur einen Trick, das Parlament für den Wahlkampf erneut nach Hause zu schicken und gleichzeitig einen ungeregelten EU-Austritt am 31. Oktober durchzuziehen. Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn hielt Johnson deshalb entgegen:
Auch ich will Neuwahlen. Es ist ganz einfach: Wenn auch Sie Neuwahlen wollen, gehen Sie nach Brüssel und holen sich dort eine Verschiebung des Austrittstermins - dann machen wir die Neuwahlen.
Dieser Streit wird die Tagesordnung des Unterhauses auch in den kommenden Tagen beherrschen - Ende offen.