Debatte um Brexit Labour will Regierung zur Rechenschaft ziehen
Für Labour steht fest: Premier Johnson muss nach der Niederlage vor dem Supreme Court abtreten. Zum Brexit will die Partei aber keine klare Position beziehen. Das sollten die Briten lieber nochmal selbst tun.
Wie, wann und ob der Brexit kommt, das ist derzeit noch völlig unklar. Doch das Urteil des britischen Supreme Court gegen die Zwangspause des Parlaments muss aus Sicht der Labour-Partei eine klare Konsequenz zur Folge haben: Premierminister Boris Johnson, der die fünfwöchige Zwangspause durchgesetzt hatte, müsse zurücktreten.
"Ein ehrlicher, ein moralischer Mensch wäre bereits zurückgetreten", sagt der Labour-Abgeordnete Ben Bradshaw im Interview mit den tagesthemen:
Er hat das Gesetz gebrochen. Er hat unsere Königin angelogen.
Parlament müsse Regierung "zur Rechenschaft ziehen"
Ähnlich hatte sich auch der Chef der Labours, Jeremy Corbyn, beim Abschluss des Parteitages im Seebad Brighton geäußert. Es stehe nun fest, dass Johnson "das Land in die Irre geführt hat". Der "ungewählte Premierminister" müsse sein Amt abgeben. Und das Parlament habe ab Mittwoch die Aufgabe, die Regierung für das, was sie getan habe, zur Rechenschaft zu ziehen.
Wäre es nach Johnson gegangen, wären die Abgeordneten des Parlaments erst Mitte Oktober wieder zu ihrer nächsten Sitzung zusammengekommen. Doch das oberste Gericht in London machte ihm nun einen Strich durch die Rechnung: Die Zwangspause sei "unrechtmäßig". Gerade mit Blick auf den möglichen Brexit müsse das Gremium seine "in der Verfassung festgeschriebenen Aufgaben" wahrnehmen können, entschieden die Richter einstimmig.
Johnson lehnt Rücktritt ab
Die Forderungen nach seinem Rücktritt wies Johnson am Rande der UN-Vollversammlung in New York kurz und knapp zurück. Das Urteil sei falsch, müsse aber respektiert werden. Er pochte erneut auf Neuwahlen.
Die wiederum lehnt die Labour-Partei ab und strebe darum auch kein Misstrauensvotum gegen Johnson an, führt Bradshaw aus. Bei einer Neuwahl dürfe es nicht nur um eine Brexit-Lösung gehen, warnt der Labour-Abgeordnete. Dabei müssten alle politischen Bereiche eine Rolle spielen, auch die Wirtschaft oder der Gesundheitssektor.
Labour zaudert mit Brexit-Kurs
Doch wie nun weiter? Entweder müsse Johnson "sich an sein Versprechen halten", eine neue Vereinbarung mit der EU auszuhandeln oder er müsse um einen weiteren Aufschub des Brexit bitten. Ein Austritt ohne EU-Deal "wäre illegal", warnt Bradshaw. Denn: Vor der nun widerrufenen Zwangspause hatte das Parlament noch ein Gesetz durchgebracht, das Johnson verpflichtet, eine Verlängerung zu beantragen, sollte bis zum 19. Oktober kein neuer Deal stehen. Sollte Johnson trotzdem auf einen ungeregelten EU-Austritt bestehen, würde er das Gesetz brechen.
Statt Neuwahlen setze sich seine Partei für eine neue Volksabstimmung ein. In diesem Fall werde Labour für den Verbleib in der EU werben, kündigt Bradshaw an:
2016 war eine Abstimmung über einen Fantasie-Brexit. Nun haben wir die Realität.
Damit findet Bradshaw klarere Worte als sein eigener Parteichef es zu Beginn des Labour-Parteitages getan hatte. Da wollte sich Corbyn nicht so recht auf einen klaren Brexit-Kurs festlegen, allerdings stand zu diesem Zeitpunkt das Urteil des Supreme Courts noch aus. Der Parteitag stimmte einem von ihm unterstützten Antrag zu, die Partei wolle sich erst klar für oder gegen den Brexit positionieren, falls es wirklich zu einem neuen Referendum kommt. Ein Antrag, sich ab sofort "energisch für eine öffentliche Abstimmung" über den EU-Austritt einzusetzen, scheiterte aber knapp.