Brexit-Wünsche Brüssel meldet Post aus London
Erstmals hat die britische Regierung Änderungswünsche für den Brexit-Vertrag nach Brüssel geschickt. Die EU prüft die Papiere jetzt. Den Finnen geht langsam die Geduld aus. Sie setzten Johnson eine Frist.
Im Streit über den Brexit-Vertrag hat die britische Regierung der Europäischen Union erstmals schriftliche Dokumente zu ihren Änderungswünschen vorgelegt. Dies teilte die EU-Kommission in Brüssel mit. Ob diese Papiere die von der EU gewünschten "schriftlichen Vorschläge" sind, müsse erst noch geprüft werden, sagte eine Kommissionssprecherin. Sie kündigte für Freitag ein Treffen des britischen Brexit-Ministers Stephen Barclay mit EU-Chefunterhändler Michel Barnier an.
Knackpunkt Backstop
Der britische Premierminister Boris Johnson will den fertigen Austrittsvertrag vor allem in einem Punkt ändern: Die von der EU geforderte Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland will er streichen, den sogenannten Backstop. Sollte keine Einigung mit der EU gelingen, will Johnson sein Land notfalls auch ohne Vertrag am 31. Oktober aus der EU herausführen.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte zuletzt konkrete Vorschläge aus London gefordert, wie der Backstop gleichwertig ersetzt werden kann. Die britische Regierung nannte die übergebenen Dokumente "eine Reihe vertraulicher technischer Non-Papers, die die Ideen widerspiegeln, die Großbritannien bisher vorgebracht hat".
Ob mit den Papieren wieder Schwung in die festgefahrenen Brexit-Verhandlungen kommt, ist unklar. Für Mitte Oktober steht der entscheidende EU-Gipfel an. Es ist - nach jetziger Planung - das letzte Treffen vor dem Brexit-Termin am 31. Oktober.
Finnland setzt eine Frist
Die finnische Regierung, die derzeit den EU-Ratsvorsitz inne hat, erhöhte den Druck auf die britische Regierung. Regierungschef Antti Rinne setzte Johnson eine Frist bis zum Monatsende, um einen "schriftlichen Vorschlag" einzureichen. Wenn Großbritannien über Alternativen zum bestehenden Austrittsabkommen sprechen wolle, müsse das Land diese bis Ende September schriftlich vorlegen, sagte der finnische Regierungschef. Sonst "ist es vorbei", so Rinne.
"Dann ist es vorbei": Finnlands Regierungschef Rinne geht die Geduld mit den Briten aus.
In einer Mitteilung erklärte Rinne, die 27 verbleibenden EU-Mitgliedstaaten seien sich einig, dass der britische EU-Austritt gemäß dem bestehenden Abkommen im Interesse aller sei. Man müsse sich aber auch auf einen möglichen Austritt ohne Abkommen - den sogenannten No-Deal-Brexit - vorbereiten.
Kommissionschef Juncker hatte gestern das Risiko für einen No-Deal-Brexit als "sehr real" bezeichnet. Juncker äußerte sich mit Blick auf Nachverhandlungen mit den Briten wenig optimistisch. "Ich bin nicht sicher, ob wir Erfolg haben werden, es bleibt wenig Zeit."
Johnson auch zu Hause unter Druck
Auch in London steht Johnson enorm unter Druck. Der Regierungschef will den EU-Austritt unbedingt am 31. Oktober durchziehen, ob mit oder ohne Austrittsvertrag. Das britische Parlament hat ihn eigentlich verpflichtet, entweder bis 19. Oktober eine Einigung mit der EU zu erzielen oder eine weitere Fristverlängerung bis Ende Januar zu beantragen. Den Aufschub schließt Johnson allerdings aus - ohne zu sagen, wie das ohne Gesetzesbruch möglich sein soll. Stattdessen verbreitet er Zuversicht, ein Deal mit Brüssel werde beim EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober klappen.
Das Oberste Gericht verhandelt zudem gerade über eine Klage gegen die Zwangspause des Parlaments. Das Urteil des Supreme Court wird für Freitag erwartet. Johnson hatte die Abgeordneten für fünf statt der üblichen zwei Wochen in Zwangspause geschickt. Die Anwälte der Kläger argumentierten, die Aussetzung des Unterhauses sei erfolgt, um die Abgeordneten davon abzuhalten, Johnsons Brexit-Kurs zu durchkreuzen.