Labour-Parteitag Corbyn spielt beim Brexit-Kurs auf Zeit
Auf dem Labour-Parteitag fordern viele ein Bekenntnis zum EU-Verbleib. Parteichef Corbyn ist gegen eine Festlegung. Er favorisiert eine spätere Entscheidung - womöglich durch eine Kommission.
Sie sind auch da: Extinction Rebellion. Mit mehreren hundert Teilnehmern zogen die Umweltaktivisten am Nachmittag vor dem Brighton Center entlang, in dem Labour seinen Parteitag abhält. Über Klimathemen würden auch drinnen im Saal viele am liebsten reden und zum Beispiel über soziale Gerechtigkeit. Aber die Parteispitze sorgte selbst dafür, dass es wieder einmal vor allem anderen nur um das eine geht.
"Wir sind eine Remain-Partei", sagte der stellvertretende Labour-Parteichef Tom Watson, "eine Partei, die für den Verbleib in der Europäischen Union ist". Damit spricht er den meisten Parteimitgliedern und Labour-Wählern wohl aus dem Herzen, nicht aber seinem eigenen Parteichef Jeremy Corbyn. Der will erst einmal Neuwahlen, dann neu verhandeln und dann neu abstimmen.
Labour-Vize Tom Watson geht auf Konfrontationskurs zu Parteichef Corbyn.
Corbyn will sich noch nicht festlegen
Welche Position Labour dabei schließlich einnehmen wird - "Ja" zum selbst ausgehandelten Austritts-Vertrag oder "Ja" zum Verbleib -, das will Corbyn zumindest jetzt noch nicht festlegen. Erstmal möchte er sehen, was bei dem neuen Vertrag rauskommt. "Dann geben wir die endgültige Entscheidung an die Briten und werden unsere Entscheidung zu der Zeit treffen", sagt der Parteichef.
Gegen diesen Kurs regt sich heftiger Widerstand in der Partei. Mehr als 80 Anträge liegen dem Parteitag in Brighton vor, in denen ein klares Bekenntnis zum Verbleib in der EU gefordert wird. Schatten-Außenministerin Emily Thornberry sagt: "Wir müssen nicht nur dafür werben, wir müssen uns sogar an die Spitze dieser Bewegung setzen." Anne, eine Delegierte aus Barnet nördlich von London, findet: "Wir müssen klarer sein. Wir müssen für den Verbleib sein, wir sind eine internationale, sozialistische Partei. Sozialisten sind von Natur aus immer auch Internationalisten."
"Ein Kampf gegen den Parteiapparat"
Die Stimmung in der Partei ist unmissverständlich. Aber Parteichef Corbyn zögert noch, und nicht nur er allein. Immerhin kommen zwei Drittel der Labour-Abgeordneten aus Wahlkreisen, die für den Brexit gestimmt haben. Graham aus York ist trotzdem optimistisch, dass sich am Ende bei Labour ein Pro-EU-Kurs durchsetzen wird. "Ich glaube, das ist jetzt ein Kampf gegen den Parteiapparat", sagt er. "Aber 90 Prozent der Partei sind für den Verbleib, und sie werden sich bei einem zweiten Referendum auch für den Verbleib einsetzen."
Am Wochenende deutete Corbyn an, dass möglicherweise eine eigene Kommission eine Lösung finden soll. Corbyn selbst wird am Mittwoch seine Parteitagsrede halten.