Großbritannien Ein Jahr König Boris
Boris Johnsons erstes Jahr als britischer Premierminister war wahrhaft turbulent. Es war ein Jahr voller schwerwiegender Fehleinschätzungen - und ein Jahr, in dem er das Land nach seinem Willen umkrempelte.
An Turbulenzen hat es Boris Johnson nicht gemangelt in seinem ersten Jahr als Premierminister. Aber die dramatischste Nachricht in dieser Zeit betraf ihn ganz persönlich.
Anfang April kam der britische Premier mit einer Corona-Infektion auf die Intensivstation. Ein Schreckmoment für die Briten, auch wenn Johnson heute nicht weniger umstritten ist als bei seinem Antritt vor einem Jahr. Tage vorher hatte der Regierungschef noch jovial herumgealbert: Ich war gerade im Krankenhaus, habe Leuten die Hand geschüttelt, auch Corona-Patienten.
Corona-Gefahr komplett unterschätzt
Da hatte sich das Virus schon längst im Land ausgebreitet - und Johnson hatte nur eins bewiesen: Dass er die Corona-Gefahr völlig unterschätzt hatte. Es war nicht die erste schwerwiegende Fehleinschätzung in seinem ersten Jahr in 10 Downing Street. Am Tag seines Amtsantritts versprach er seinen Landsleuten: Wir sind raus aus der EU am 31. Oktober, ohne Wenn und Aber.
Schon das klappte nicht. Verhindert durch ein Parlament, das Johnson daraufhin in politisch geradezu rüpelhafter Weise kurzerhand in den Zwangsurlaub schickte. Aber auch das hielt nicht lang, der Regierungschef kassierte umgehend einen schweren Rüffel des Obersten Gerichtshofs. Immerhin konnte Johnson schließlich Neuwahlen erreichen. Da waren die Leute nach drei Jahren Brexit-Chaos der ganzen Sache einfach nur noch überdrüssig. Eine Stimmung, die Johnson und seine Brexit-Freunde geschaffen hatten und die sie jetzt zu nutzen wussten.
Kapital schlagen aus dem Überdruss der Briten
Die Unterhauswahl fand in der Weihnachtszeit statt. Für einen Werbeclip seiner Konservativen verwendete Johnson eine Vorlage aus dem Weihnachtsfilm "Love Actually" - und traf damit den Nerv der Mehrheit.
Genug ist genug, lasst uns das endlich über die Bühne bringen. Die Wahl bescherte Johnson 12 Tage vor Heiligabend einen fulminanten Sieg, mit einer Mehrheit, wie es sie für die Konservativen seit Maggie Thatcher nicht mehr gegeben hatte. Seitdem will Johnson das Land umkrempeln, mit viel Geld für die Infrastruktur, für Verkehr und Digitalisierung, mit einem schlankeren Regierungsapparat in London, mit neuen Handelsverträgen weltweit. Wir müssen nur an uns selbst glauben, und an das, was wir schaffen können, appelliert er an seine Landsleute.
Fast nebenbei hat sich Boris Johnson in diesem ersten Jahr im Amt auch noch scheiden lassen, hat wieder geheiratet und ist auch noch einmal Vater geworden. König der Welt wollte er immer sein, hat seine Schwester einmal erzählt. Premierminister des Vereinigten Königreichs ist Boris Johnson immerhin geworden. Der Stoff des ersten Amtsjahres würde schon jetzt locker reichen für einen Kino-Mehrteiler.