Trotz Protesten Israels Parlament billigt Kernelement der Justizreform
Das israelische Parlament hat für einen zentralen Teil der umstrittenen Justizreform gestimmt. Demnach kann das Höchste Gericht künftig Regierungsentscheidungen nicht mehr als "unangemessen" ablehnen. Kritiker sehen die Demokratie gefährdet.
Trotz massiven Widerstands hat Israels Parlament ein Kernelement der umstrittenen Justizreform verabschiedet. 64 von 120 Abgeordneten stimmten nach tagelangen Debatten für einen Gesetzentwurf, der die Handlungsmöglichkeiten des Höchsten Gerichts einschränkt. Die Opposition boykottierte die Abstimmung.
Das Gesetz ist Teil eines größeren Pakets und einer der umstrittensten Bestandteile der Justizreform. Demnach ist es dem Höchsten Gericht künftig nicht mehr möglich, eine Entscheidung der Regierung oder einzelner Minister als "unangemessen" zu bewerten.
Der Staat Israel hat keine schriftliche Verfassung und fußt stattdessen auf einer Sammlung von Grundgesetzen. Daher kommt dem Höchsten Gericht eine besondere Bedeutung bei der Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu.
Justizminister lobt "Korrektur des Justizsystems"
Nach der Abstimmung sagte Justizminister Jariv Levin, der Architekt des Plans, das Parlament habe "den ersten Schritt in dem historischen Prozess getan, das Justizsystem zu korrigieren und die Befugnisse wiederherzustellen, die der Regierung und der Knesset über viele Jahre hinweg genommen wurden".
Die Regierung von Premier Benjamin Netanyahu wirft der Justiz vor, sich zu sehr in politische Entscheidungen einzumischen.
Opposition kündigt Petition an
Oppositionsführer Jair Lapid sagte dagegen, das Land steuere auf eine Katastrophe zu. Mit dem geplanten Gesetz würden die Feinde Israels gestärkt, der Sicherheit des Staates werde geschadet.
Er kündigte an, morgen beim Höchsten Gericht eine Petition gegen die "einseitige Aufhebung des demokratischen Charakters des Staates Israels" einreichen zu wollen. Lapid appellierte auch an die Reservisten der Armee, eine Entscheidung des Höchsten Gerichts über das Gesetz abzuwarten. Mehr als 11.000 von ihnen hatten angekündigt, nicht mehr zum Dienst zu kommen, sollte die Justizreform beschlossen werden.
Auch eine Nichtregierungsorganisation will laut Nachrichtenagentur AP eine Klage gegen das neue Gesetz vor dem Höchsten Gericht an.
Kritiker befürchten Willkür
Kritiker stufen die Reform als Gefahr für Israels Demokratie ein. Sie befürchten, dass damit Korruption und auch die willkürliche Besetzung wichtiger Posten und Entlassungen begünstigt werden.
Bis zuletzt hatte Präsident Isaac Herzog versucht, im Streit um die Justizreform zu vermitteln. Diese Bemühungen waren allerdings gescheitert.
Seit dem Morgen Massenproteste
Gegen die Reformpläne gibt es seit Monaten Massenproteste im Land - auch heute wieder. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein und versuchte Hunderte Demonstranten daran zu hindern, den Zugang zur Knesset, dem israelischen Parlament, zu blockieren.
Zudem blieben Banken, Einkaufszentren und andere Geschäfte als Zeichen des Widerstands gegen die Justizreform geschlossen. Nach der Abstimmung wurden weitere Massenproteste erwartet.