Justizreform in Israel Welche Rolle spielen die Reservisten?
Zehntausende gehen gegen die Justizreform in Israel auf die Straße - ganz vorne mit dabei: Reservisten der Armee. Können sie die Regierung von Netanyahu mit einem neuen Streik beeinflussen?
Herzi Halevy läuft in einem olivfarbigen Overall über das Flugfeld in Tel Nof, südlich von Tel Aviv. In dem Video der israelischen Armee wirkt es so, als wolle der Generalstabschef kontrollieren, ob alle Soldatinnen und Soldaten einsatzbereit sind. Denn daran gibt es Zweifel.
Mehr als 150 Pilotinnen und Piloten der Reserve haben angekündigt nicht mehr freiwillig zum Dienst zu kommen, sollte die Justizreform in den nächsten Tagen durch das Parlament gehen. Einer von ihnen ist Omer Dank.
Reservisten kündigten Dienstverweigerung an
Der Soldat sagt: "Wenn man ein Haus im Gazastreifen, im Libanon oder irgendwo angreift und weiß, dass dabei auch Unschuldige verletzt werden können, muss man der Entscheidungskette des Staates Israel völliges Vertrauen schenken können." Ihm sei aber klar geworden, dass viele Menschen das Vertrauen in die Entscheidungen der Regierung verloren hätten.
Die Ankündigung der Reservisten, den Dienst zu verweigern, hat große Symbolkraft. Aber ist damit wirklich die Sicherheit Israels in Gefahr?
Israelische Reservisten unterzeichnen am 19. Juli 2023 in Tel Aviv eine Erklärung, in der sie die Suspendierung ihres freiwilligen Reservedienstes ankündigen.
Reserve kann begrenzt Einfluss nehmen
Theoretisch ist jeder Soldat und jede Soldatin nach dem Wehrdienst Teil der Reserve - bis zum Alter von 40 Jahren. Das Gesetz sieht dafür fünf Wochen Dienst im Jahr vor.
Praktisch sieht es anders aus: Männer und Frauen werden eher unregelmäßig zu Übungen und Einsätzen gerufen. Offizielle Zahlen gibt es nicht. Aber laut einer Analyse der Denkfabrik INSS dienen nur etwa 1,5 Prozent der Bevölkerung aktiv in Reserveeinheiten.
Ihr Einfluss in der Gesellschaft wird laut der Analyse kleiner - wie auch der der Armee insgesamt. Doch in einzelnen Einheiten kommt es auf die Reservistinnen und Reservisten an, zum Beispiel bei den Piloten. Und die fühlen sich stark verbunden mit der Armee.
Regierung nimmt mögliche Dienstverweigerung ernst
"Bei den Reservisten steht die Luftwaffe zusammen mit der engsten Familie an erster Stelle", sagt der Soldat. "Wir sind ein fester Bestandteil der Luftwaffe und führen die schwierigsten Operationen durch." Die Reservisten der Luftwaffe seien immer dienstbereit und meldeten sich in der Regel "immer" zum Dienst.
Wie ernst die Regierung Reservisten wie Omer Dank nimmt, zeigen die Worte von Premierminister Benjamin Netanyahu. Er nannte die angekündigte Dienstverweigerung Anfang der Woche "eine Gefahr für die Sicherheit". Und er erinnerte die Soldaten daran, dass sie der gewählten Regierung unterstehen.
Premierminister Netanyahu nannte die angekündigte Dienstverweigerung "eine Gefahr für die Sicherheit".
Generalstabschef appelliert an Moral der Reserve
Auch Generalstabschef Herzi Halevy warnte und appellierte an die Moral der Reservisten: "Die Herausforderungen für die Sicherheit zwingen uns aktuell zu einer hohen Bereitschaft. Dafür brauchen wir Training und Zusammenhalt. Jeder der dazu aufruft, den Dienst zu verweigern, verletzt damit nicht nur die Armee, sondern auch die Sicherheit des Staates."
Welchen Einfluss die Armee auf die Justizreform haben kann, hatte sich im März gezeigt. Verteidigungsminister Joav Galant griff die Stimmung vieler Soldaten auf und warnte öffentlich davor, die Reform umzusetzen. Regierungschef Netanyahu wollte ihn daraufhin entlassen, nahm das aber später zurück.
Piloten wohl letztes Ass für Protestbewegung
Zusammen mit einem Streikaufruf des größten Gewerkschaftsverbands sorgte das aber dafür, dass Netanyahu Teile der Justizreform auf Eis legte. Jetzt verfolgt er sie weiter - angetrieben von seinen radikalen Koalitionspartnern.
Insgeheim dürften sie auch daraufsetzen, dass die Reservisten im Fall einer militärischen Eskalation wieder zum Dienst kommen. Für die Protestbewegung scheinen die Piloten dagegen das letzte Ass zu sein, die Justizreform zu stoppen.