Soldaten bereiten in Jordanien eine Hilfslieferung für den Gazastreifen vor.
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Transportwege und Probleme Wie die Hilfe zu den Menschen in Gaza gelangt

Stand: 17.03.2024 14:12 Uhr

Flugzeuge der Bundeswehr werfen Hilfsgüter über dem Gazastreifen ab - Mehl und Reis für die notleidende Bevölkerung. Außerdem kamen Lebensmittel per Schiff. Wo liegen die Probleme beim Transport - und was ist noch geplant? Ein Überblick.

Im Gazastreifen mangelt es derzeit an allem: nicht nur an Essen, sondern auch an Schutzräumen, medizinischer Versorgung, Sanitäranlagen. Hilfsorganisationen berichten, wie verzweifelt die Menschen sind. "Wir haben eine schwierige Situation. Es ist notwendig, dass jetzt Hilfe in größerem Umfang nach Gaza gelangt", konstatierte Bundeskanzler Olaf Scholz, der für zwei Tage in die Region gereist ist.

Im Gazastreifen leben etwa 2,2 Millionen Menschen. Dem Welternährungsprogramm (WFP) zufolge befinden sie sich am Rande einer Hungersnot. Vor dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel und der darauffolgenden Offensive der israelischen Armee erreichten den Küstenstreifen jeden Tag etwa 500 Lkw mit Hilfsgütern. Welche Hilfe kommt derzeit an - und auf welchem Weg?

Bundeswehr wirft per Luftbrücke erstmals Hilfslieferungen für die Menschen im Gazastreifen ab

Astrid Halder, ARD Tel Aviv, tagesschau, 16.03.2024 20:00 Uhr

Wie erreichen Hilfsgüter den Gazastreifen auf dem Landweg?

Bislang gelangte die Hilfe für die Palästinenser den Gazastreifen vor allem über zwei Grenzübergänge im Süden: Rafah an der Grenze zu Ägypten und Kerem Shalom an der Grenze zu Israel. Es kommen inzwischen mehr Lieferungen an, als zu Beginn des Krieges. Wie viele genau, darüber gibt es unterschiedliche Angaben. Die Rede ist teils von etwa 100 Lastwagen täglich. Der ägyptische Außenminister Samih Schukri nannte die Zahl von rund 200 Lkw pro Tag allein am Übergang Rafah. Israel berichtete, man habe am Donnerstag 244 Lkw durchgelassen.

Anfang dieser Woche ermöglichte die israelische Armee erstmals einen Hilfskonvoi direkt in den Norden des Küstenstreifens, über die sogenannte Pforte 96 in der Sperranlage zum nördlichen Teils Gazas, wo die Not besonders groß ist. Sechs Lkw mit Hilfsgütern der Vereinten Nationen seien im Rahmen des Pilotprojekts durchgelassen worden, so Israels Armeesprecher Daniel Hagari. Mit einer direkten Lieferung soll verhindert werden, dass auf dem Weg vom Süden in den Norden die Hamas die Güter übernimmt. Weitere Konvois dieser Art würden folgen, sagte Hagari, ebenso wie Lieferungen von anderen Zugangspunkten aus.

Wieso kommen nicht ausreichend Lkw durch?

"Wir versuchen, das Gebiet mit humanitärer Hilfe zu überschwemmen", verkündete der Armeesprecher diese Woche vor Journalisten als Reaktion auf den internationalen Druck, mehr Hilfe in den Gazastreifen zu lassen. Tatsächlich gelingt das auf dem Landweg weiterhin schleppend. Laut WFP bräuchte es täglich 300 Lastwagenlieferungen, um die Bevölkerung mit dem Nötigsten zu versorgen.

Doch das Gebiet ist abgeriegelt, Israel besteht auf eine strenge Kontrolle von Lkw-Ladungen. Das soll verhindern, dass mit den Lieferungen etwa Waffen für die Hamas-Terroristen geschmuggelt werden. Auf der ägyptischen Seite von Rafah wartet nach Regierungsangaben eine lange Schlange Lastwagen darauf, durchgelassen zu werden.

Hilfsorganisationen werfen Israel vor, die Hilfslieferungen zu behindern - mit dem Aushungern der Bevölkerung als Kriegstaktik. Israel weist das zurück und macht die Vereinten Nationen für Lieferschwierigkeiten verantwortlich.

Große Probleme macht auch die Verteilung der Hilfsgüter vor Ort. Armeesprecher Hagari räumte ein, es müsse mehr getan werden, um die Hilfen gerecht und effizient zu den bedürftigen Menschen zu bekommen. Mehrmals fielen Schüsse bei der Belieferung, ein Konvoi mit 200 Tonnen Ladung wurde geplündert.

Wie läuft die Versorgung per Luftbrücke?

Vorreiter bei der Versorgung des Gazastreifens aus der Luft ist Jordanien. Bereits im November warf Israels östlicher Nachbar Hilfsgüter an Fallschirmen aus Flugzeugen ab. Ägypten schloss sich im Februar an, inzwischen beteiligen sich auch die USA, Frankreich und auch Deutschland an der Luftbrücke.

Die Bewohner des Gazastreifens und Hilfsorganisationen sind sich allerdings einig, dass die Abwürfe aus der Luft bei weitem nicht ausreichen. Eine Flugzeugladung, die unter großem Aufwand und mit hohen Kosten an ihr Ziel gebracht werde, entspreche etwa der Menge, die ein Lastwagen transportieren kann.

Zudem bestehen Gefahren für die Menschen auf dem Boden. Die Nachrichtenagentur dpa berichtet von einigen Palästinensern, die diese Weise an etwas Nahrung gekommen seien. Andere wiederum hätten darüber geklagt, dass sie bislang nichts davon abbekommen hätten. Sie seien lange Strecken gelaufen, um zu sehen, wie sich an den Stellen, an denen die Paletten landeten, verzweifelte Menschen um die Ladungen prügelten. Bei einem Abwurf erschlug eine Palette, deren Fallschirm sich nicht öffnete, vor einer Woche fünf Menschen. Ein junger Mann kritisierte, dass abgeworfene Güter in einem Fall in einem aktiven Kampfgebiet niedergingen, mit israelischen Soldaten in unmittelbarer Nähe.

Welchen Beitrag leistet Deutschland?

Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte am Mittwoch angekündigt, dass Deutschland sich an der Luftbrücke beteiligen wolle. Am Samstag flog die Luftwaffe ihren ersten Einsatz und warf nach eigenen Angaben vier Tonnen Lebensmittel über dem Norden des Gazastreifens ab, unter anderem Reis und Mehl. "Aus etwa 1000 Meter Höhe haben wir die vier Paletten punktgenau geliefert", schrieb die Luftwaffe auf der Plattform X.

Die Bundeswehr hatte dafür zuvor zwei in Frankreich stationierte Transportmaschinen vom Typ C-130 "Hercules" in die Region verlegt. Jede Maschine kann bis zu 18 Tonnen Last transportieren. Die Flugzeuge werden von Jordanien aus eingesetzt. Am Freitag hatte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums angekündigt: "Wir sind darauf eingestellt, dass wir so lange zur Verfügung stehen, wie der Transport-, der Absetzbedarf besteht."

Wie wird der Gazastreifen auf dem Wasserweg beliefert?

Die neueste Variante, den Gazastreifen zu beliefern, erfolgt über den Seeweg. Am Dienstag war das Schiff "Open Arms" der gleichnamigen Hilfsorganisation im zyprischen Hafen Larnaka aufgebrochen - ein Lastkahn im Schlepptau, der knapp 200 Tonnen Lebensmittel der Organisation World Central Kitchen (WCK) geladen hatte. Israelische Behörden hatten die Ladung zuvor inspiziert. Freitagabend legte der Kahn an einem Pier an der Küste im Südwesten der Stadt Gaza an. Dort seien die Lebensmittel auf zwölf Lastwagen verteilt worden, so WCK. Mit ihnen könnten 300.000 Mahlzeiten für die Bewohner des nördlichen Gazastreifens zubereitet werden.

Die Entsendung des ersten Hilfsschiffs sei ein Test gewesen, erklärte WCK-Gründer José Andrés bei X . "Wir können jede Woche Tausende Tonnen (Hilfsgüter) bringen", betonte er. Die Hilfsorganisation bereitet derzeit in Larnaka ein zweites Schiff vor, das mit 240 Tonnen Hilfsgütern beladen ist. Wann dieses Schiff Richtung Gazastreifen aufbrechen kann, ist unklar.

Was planen die USA?

Unabhängig von dem WCK-Projekt planen die USA einen eigenen maritimen Korridor nach Gaza, für den die US-Armee einen provisorischen Hafen nahe der Küste anlegen soll. Laut US-Präsident Joe Biden soll die schwimmende Anlegestelle "große Schiffe mit Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten und Notunterkünften aufnehmen". Gebaut werden soll sie mit einem System, das einem gigantischen Lego-Baukasten gleicht. Er besteht aus einer Reihe von zwölf Meter langen Stahlteilen, die miteinander verbunden werden und dann einen Landungssteg und einen Damm bilden. Der Damm wird knapp 550 Meter lang und zwei Fahrstreifen breit und an der Küste in den Boden gerammt.

Am Steg sollen die großen Schiffe mit Hilfsgütern entladen werden, die dann von kleineren Militärschiffen zum Damm gebracht werden sollen. Unklar ist noch, wer die Schiffe entladen und die Hilfsgüter an Land bringen soll. Für den Bau brachen am Dienstag vier Schiffe der US-Armee in Richtung Mittelmeer auf - bis der Hafen fertig ist, dürften etwa zwei Monate vergehen.

Zypern wirbt dafür, dass Larnaka auch für das Projekt der USA der zentrale Abfertigungs- und Kontrollhafen wird. Er liegt 370 Kilometer von Gaza entfernt. Schon vor Monaten hatte Präsident Nikos Christodoulides angeboten, dass Vertreter Israels, der USA und anderer Staaten, in Larnaka alle Hilfslieferungen prüfen könnten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 16. März 2024 um 20:00 Uhr.