UN fordern Aufklärung Entsetzen und Kritik nach Vorfall in Gaza-Stadt
Der Vorfall rund um eine Hilfsgüterlieferung nach Nord-Gaza mit vielen Toten sorgt für scharfe Kritik und wirft viele Fragen auf. Ägypten spricht von einem "abscheulichen Verbrechen", der UN-Sicherheitsrat wurde einberufen.
Nach dem Tod vieler Menschen in der Nähe eines Hilfsgüterkonvois im Norden des Gazastreifens pocht die US-Regierung bei der israelischen Regierung auf Antworten. Man werde eine Untersuchung über die Geschehnisse genau verfolgen und "auf Antworten drängen", so der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller.
Man habe keine gesicherten Erkenntnisse über die Geschehnisse, so Miller. Das Luftbildmaterial zeige, dass die Menschen im Gazastreifen unglaublich verzweifelt seien. "Heute sind zu viele Palästinenser gestorben, und das gilt für zu viele Tage seit dem 7. Oktober."
Der Vorfall zeige, warum eine schnelle Einigung über eine Waffenruhe und die Freilassung der Hamas-Geiseln notwendig sei, betonte Miller. Diese "Tragödie" könne die Verhandlungen komplizierter machen. Aber man werde sich weiter dafür einsetzen, eine Einigung zu erzielen. "Wenn die Hamas die Waffen niederlegen würde, könnte das alles heute vorbei sein", betonte Miller.
Ein "tragischer und alarmierender Vorfall"
Nach Angaben des Weißen Hauses telefonierte US-Präsident Joe Biden auch mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi und dem katarischen Emir Tamim bin Hamad al-Thani. In den Telefonaten hätten alle Beteiligten den Verlust von Menschenleben unter der Zivilbevölkerung bedauert, so das Weiße Haus. Es handle sich um einen "tragischen und alarmierenden Vorfall". Man sei sich einig, dass dieser Vorfall die Dringlichkeit unterstreiche, die Verhandlungen so bald wie möglich abzuschließen und die humanitäre Hilfe für den Gazastreifen auszuweiten.
Ägypten bezeichnete die Tötung zahlreicher Palästinenser als Verbrechen. "Es ist ein abscheuliches Verbrechen, friedliche Zivilisten anzugreifen, die sich beeilen, ihren Anteil an humanitären Hilfen zu erhalten", hieß es in einer Mitteilung, die das ägyptische Außenministerium veröffentlichte. "Es ist ein eklatanter Verstoß gegen internationales Recht und das humanitäre Völkerrecht und zeigt zudem Missachtung für die Unantastbarkeit von Menschenleben."
Deutschland kündigt weitere humanitäre Hilfe an
Angesichts der verzweifelten Lage der Zivilbevölkerung im Gazastreifen forderte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock von Israel, "umgehend sicheren und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe" zu ermöglichen. Die israelische Armee müsse "nach dem Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung in weiten Teilen des Gazastreifens sicherstellen, dass die Verteilung von humanitärer Hilfe gelingen kann", so Baerbock. Die Lage der Menschen im Gazastreifen sei mit Worten kaum noch zu fassen.
Die Ministerin kündigte an, dass Deutschland seine humanitäre Hilfe für den Gazastreifen um weitere 20 Millionen Euro aufstocken wolle. Notfalls wolle sich Deutschland zusammen mit anderen Ländern, insbesondere Jordanien, auch an dem Abwurf von humanitärer Hilfe aus der Luft beteiligen.
Nord-Gaza von UN-Hilfe abgeschnitten
UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte den Vorfall in klaren Worten. "Die verzweifelten Zivilisten in Gaza brauchen dringend Hilfe, auch die im belagerten Norden, wo die Vereinten Nationen seit mehr als einer Woche keine Hilfe leisten konnten", hieß es.
Die Vereinten Nationen fordern eine Untersuchung, teilte ein Sprecher des UN-Generalsekretärs mit. "Es wird eine Zeit der Verantwortung geben", fügte Stephane Dujarric hinzu. Mitarbeiter der Vereinten Nationen seien bei dem Vorfall nicht anwesend gewesen, man kenne nicht alle Fakten und sei sich bewusst, dass es unterschiedliche Darstellungen gebe. "Was uns betrifft, wissen wir nicht genau, was passiert ist und ob Menschen durch israelische Schüsse getroffen wurden und starben, ob sie von einer Menschenmenge niedergedrückt wurden oder ob sie von Lastwagen überfahren wurden", so UN-Sprecher Dujarric weiter.
Angesichts der Geschehnisse wurde eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats einberufen. Die Sitzung wurde laut Diplomatenkreisen von Algerien beantragt und wird hinter verschlossenen Türen stattfinden.
Der Hamas-kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen zufolge sollen bei dem Vorfall in Gaza mehr als 100 Menschen getötet und mehrere Hunderte verletzt worden sein. Die israelische Armee hatte mitgeteilt, zahlreiche Anwohner hätten sich um einfahrende Lastwagen mit Hilfsgütern gedrängt, um diese zu plündern. Dutzende wurden demnach etwa durch Rempeleien und Gedränge getötet und verletzt. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.