Berichte über Schüsse Viele Tote bei Verteilung von Hilfsgütern in Gaza
In Gaza-Stadt ist es bei einem Ansturm auf Hilfsgüter zur Eskalation gekommen. Medien berichten über Schüsse. Die Gesundheitsbehörde in Gaza meldet mehr als 100 Tote. Noch ist vieles unklar, zum Vorfall gibt es unterschiedliche Angaben.
Bei Chaos und Schüssen rund um einen Hilfskonvoi im Gazastreifen sind zahlreiche Menschen ums Leben gekommen. Die israelische Armee teilte mit, viele Anwohner hätten sich um einfahrende Lastwagen mit Hilfsgütern gedrängt, um diese zu plündern. Laut den israelischen Angaben wurden mindestens 24 Menschen durch Rempeleien und Getrampel getötet. Zudem gebe es zahlreiche Verletzte. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben derzeit nicht.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Weitaus höhere Zahlen nennt die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde. Sie meldete 104 Tote und 760 Verletzte. Die Behörde warf Israels Armee vor, die Gruppe in Gaza-Stadt angegriffen zu haben, als sie auf Hilfsgüter warteten. Auch diese Angaben sind derzeit nicht zu überprüfen.
Israel: "Es ist eine Tragödie"
In einem ersten Statement sprach die israelische Regierung von einer Tragödie. Erste Anzeichen würden darauf hindeuten, dass die Todesfälle durch Lieferfahrer verursacht worden seien, die in eine Menschenmenge rasten. "Irgendwann waren die Lastwagen überfordert", sagte Avi Hyman gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Bei den Lastwagenfahrern handele es sich um zivile Fahrer aus Gaza. Die Lastwagen seien in die Menge gefahren und hätten "soweit ich weiß, Dutzende Menschen" getötet, sagte Hyman. "Es ist offensichtlich eine Tragödie, aber wir sind uns der Einzelheiten noch nicht ganz sicher."
Die Armee veröffentlichte auf der Plattform X ein Video, das den Ansturm zeigen soll.
Medienberichte über Schüsse
Mehrere israelische Medien berichteten unter Berufung auf Armeekreise, ein Teil der Menge habe sich den Soldaten genähert, die die Einfuhr der Lastwagen koordinierten. Dadurch seien die Soldaten gefährdet worden, hieß es in den Artikeln. Das Militär habe deshalb das Feuer auf die Gruppe eröffnet.
Die "Times of Israel" berichtete, rund 30 Lastwagen seien am frühen Morgen an der Küste in der Stadt Gaza angekommen. Tausende Palästinenser rannten demnach auf die Transporter zu. Die Zeitung schrieb später, etwa zehn Menschen seien durch von israelischen Soldaten abgegebene Schüsse getroffen worden. Dies sei das Ergebnis einer ersten Untersuchung des Militärs.
Zudem meldeten mehrere israelische Medien, die sich auf die Armee beziehen, dass bewaffnete Palästinenser auf einige der Lastwagen geschossen hätten. Das Militär habe zunächst Warnschüsse in die Luft abgegeben und auf die Beine derjenigen gefeuert, die sich den Soldaten trotzdem genähert hätten.
Augenzeugen gaben gegenüber der Nachrichtenagentur AP an, es habe Schüsse gegeben, als sich Menschen Mehl und Konservendosen aus Lastwagen holten. Israelische Soldaten sollen laut dieser Berichte geschossen haben.
Augenzeuge berichtet von mehreren Leichen
Ein Anwohner sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Menschen hätten am frühen Morgen Lastwagen mit Hilfsgütern aus dem Süden des Küstengebiets in Empfang nehmen wollen, um Mehl und weitere Lebensmittel zu bekommen. Es sei noch dunkel gewesen. Plötzlich sollen Schüsse gefallen sein. Nach Darstellung des 27-jährigen Augenzeugen sollen auch Granaten abgefeuert worden sein. Der Anwohner sei zunächst geflohen, bei Tagesanbruch aber zurückgekommen, berichtete er weiter.
Bei seiner Rückkehr habe der Palästinenser etliche Leichen auf dem Boden gesehen. Anwohner hätten Verletzte unter anderem auf Eselskarren in ein Krankenhaus transportiert. Auch diese Angaben lassen sich nicht unabhängig prüfen.
Katastrophale humanitäre Lage in Gaza
Der UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths äußerste sich entsetzt. "Selbst nach fast fünf Monaten brutaler Feindseligkeiten kann Gaza uns immer noch schockieren", schrieb er auf der Plattform X (früher Twitter). "Das Leben schwindet mit erschreckender Geschwindigkeit aus dem Gazastreifen."
Das ägyptische Außenministerium schrieb in einer Mitteilung: "Es ist ein abscheuliches Verbrechen, friedliche Zivilisten anzugreifen, die sich beeilen, ihren Anteil an humanitären Hilfen zu erhalten." Dies sei "ein eklatanter Verstoß gegen internationales Recht und das humanitäre Völkerrecht und zeigt zudem Missachtung für die Unantastbarkeit von Menschenleben".
Die Hamas sprach von einem "abscheulichen Massaker" Israels, an dem auch die US-Regierung Mitschuld habe. Die Terrororganisation rief Menschen weltweit auf, demonstrieren zu gehen.
Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist laut Hilfsorganisationen katastrophal. Die Menge der Hilfslieferungen hat sich UN-Angaben zufolge im Februar im Vergleich zum Vormonat halbiert. Vertreter der Vereinten Nationen warnen vor einem Hungertod Tausender Zivilisten. Bereits zuvor hat es Berichte über heftige Rangeleien um Hilfsgüter gegeben.