Alte Kohletagebaue Zu wenig Wasser zum Fluten
Ob in der Lausitz, rund um Leipzig oder im Rheinland: Aus vielen früheren Kohletagebauen sind Seen entstanden. Weitere sollen dazukommen, doch das Wasser wird knapp.
Wer von oben auf die Landschaft südlich von Leipzig blickt, sieht nicht mehr das, was noch in den 1980er- und 1990er Jahren zu sehen war. Im flachen Land, in dem Braunkohlebagger jahrzehntelang riesige Löcher aushoben, reihen sich nun glitzernde Seen aneinander. Das "Neuseenland” ist ein Freizeitparadies - lädt zum Segeln oder Baden ein.
Nur am südlichen Rand dieser Seenplatte gibt es sie noch, die Bagger. Der Tagebau Vereinigtes Schleenhain etwa, der für den Betrieb des Braunkohlekraftwerks Lippendorf zuliefert, könnte noch bis 2040 ausgekohlt werden. Könnte, denn nach dem Kohleausstieg spätestens Mitte der 2030er Jahre soll damit Schluss sein. Dann - so der Plan - sollen auch hier die dunklen Löcher geflutet werden. Ein Teil von Schleenhain soll bis Mitte des Jahrhunderts zum mehr als zwölf Quadratkilometer großen Pereser See werden - und damit alle anderen Gewässer im Leipziger Neuseenland übertreffen.
Wassermangel erschwert Flutung
Die Trockenheit der vergangenen Jahre stellt diese Planungen aber in Frage. Experten und Politiker warnen vor Wassermangel. Volkmar Zschocke ist Landtagsabgeordneter der Grünen in Sachsen und umweltpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Er sagt, gerade in einem attraktiven Großraum wie Leipzig wachse der Wasserbedarf der Bevölkerung und der Unternehmen. Gleichzeitig brauche auch der Auwald, der die Stadt durchzieht, viel Wasser.
Der Bedarf für die geplanten Seen komme noch dazu, ergänzt Zschocke. "Und wenn man sich diese ganzen steigenden Bedarfe anschaut, dann sieht man schnell, dass das Wasser dafür bereits heute nicht mehr vorhanden ist."
Für die Tagebaue Vereinigtes Schleenhain und Profen an der Grenze zu Sachsen-Anhalt geht Andreas Berkner insgesamt von einem Wasserdefizit von 1,6 Milliarden Kubikmetern aus - Wasser, das für die Flutung der Kohlelöcher benötigt wird. Berkner leitet den Regionalen Planungsverband Westsachsen und beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Rekultivierung von ehemaligen Tagebauen.
Keine Alternative zur Flutung
Eine Alternative zur Flutung der Seen gibt es für Berkner nicht. Zuschütten könne man die Löcher wegen der enormen Masse, die dafür nötig wäre, jedenfalls nicht. Und sobald die Pumpen in den Tagebauen abgestellt würden, füllten sich die Löcher ohnehin teilweise mit Wasser, sagt er. Die Frage sei nur, wie lange das dauere. Solange die Seen nicht mit Wasser gefüllt seien, müsse die Böschung stabilisiert werden.
Berkner rechnet damit, dass sich nur rund 40 Prozent des künftigen Pereser Sees mit Grundwasser und sogenanntem Sümpfungswasser - also dem aus dem Tagebau bislang abgepumpten Grundwasser - auffüllen ließen. Bisher konnten die neu entstehenden Seen mit Sümpfungswasser aus den noch aktiven Tagebauen geflutet werden. Doch das geht bei den letzten Tagebauen nicht mehr. 60 Prozent des Wassers für die neuen Seen müssten laut Berkner deshalb aus Flüssen zugeleitet werden.
Auch Flüsse werden sich verändern
Es müsste wohl Wasser aus Saale und Mulde in die Region südlich von Leipzig transportiert werden. Im bisherigen Entwurf des Braunkohleplans aus dem Jahr 2022 für den Tagebau Vereinigtes Schleenhain heißt es noch, dass das Wasser für die Flutung aus der Weißen Elster sowie aus der Pleiße kommen soll, beide fließen durch Leipzig. Doch diese Pläne sind laut Berkner nicht mehr realistisch. Die beiden Flüsse litten in den vergangenen Jahren ohnehin unter Niedrigwasser - auch wenn sich die Situation in diesem Jahr vorübergehend verändert habe.
Auch die Flüsse selbst werden sich mit dem Kohleausstieg verändern. Denn das abgepumpte Sümpfungswasser aus den Tagebauen floss in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur in die aufzufüllenden Seen - sondern auch in die Flüsse. Andreas Berkner geht davon aus, dass Elster und Pleiße nach dem Kohleausstieg in Trockenphasen bis zu einem Drittel weniger Wasser führen werden. "Und das wird man logischerweise auch in Leipzig merken", sagt er. Das für den Bergbau zuständige sächsische Oberbergamt geht ohne das zusätzliche Wasser aus den Tagebauen davon aus, dass es in längeren Trockenperioden "zu kritischen Abflussverhältnissen" kommen wird.
Leipzig setzt auf Konzept Schwammstadt
Die Stadt Leipzig will dem Problem mit dem Konzept der Schwammstadt begegnen - Wasser aus Starkregen und anhaltenden Niederschlägen soll in Grünanlagen und Auen aufgenommen und später langsam wieder abgegeben werden. Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke) geht von einem dreistelligen Millionenbetrag aus, um Leipzig auf das künftige Wasserangebot sowie Starkregenereignisse oder Trockenheit vorzubereiten.
Doch Umweltverbände sind skeptisch. Der Naturschutzbund NABU fordert, die ganze Region um Leipzig mit der Integration der Auwälder als "Schwammregion" auf das künftige Wasserangebot sowie Extremwetterlagen vorzubereiten.
Wie nun genau und welche Mengen Wasser aus nahegelegenen Flüssen in die Tagebau-Restlöcher fließen sollen, muss noch erarbeitet werden. Uwe Müller vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie verweist auf laufende Berechnungen, wie sich der Wasserhaushalt in Sachsen entwickeln wird.
Ergebnisse Ende des Jahres
Ende des Jahres sollen die Ergebnisse da sein, Mitte des Jahres bereits Wassermodellierungen für das Mitteldeutsche Revier. Erst wenn man wisse, was verfügbar ist, könne man über die Verteilung sprechen, sagt Müller.
Grünen-Politiker Zschocke macht allerdings Druck und fordert, dass nun zügig ein wasserwirtschaftliches Gesamtkonzept entwickelt werde, denn der Kohleausstieg ist absehbar. Zschocke will zudem, dass die Speicherfunktion der Seen neu gedacht werde - und diese in Trockenzeiten Wasser abgeben.
Doch dann veränderten sich auch die Nutzungsmöglichkeit der Seen, sagt Zschocke. Der gesamte Gewässerverbund im Raum Leipzig müsse neu simuliert und gesteuert werden, um sich auf Klimaveränderungen einzustellen. In der Lausitz wird schon länger über die Speichermöglichkeiten der Seen nachgedacht - nun könnte es auch im Leipziger Neuseenland so weit sein.