Mit einem Laptop sitzen eine Frau und ihr Begleiter am Pfingstsonntag bei Sonnenschein am Senftenberger See.

Strukturwandel in der Lausitz Tourismus statt Tagebau

Stand: 01.06.2023 15:56 Uhr

Das Lausitzer Seenland soll die größte künstlich geschaffene Wasserlandschaft Europas werden, entstanden aus gefluteteten Tagebaugruben. Doch noch wird um den Kohleausstieg in der Region gerungen.

1966 war der Tagebau Niemtsch ausgekohlt. Er wurde geschlossen und geflutet. Sieben Jahre später am 1. Juni 1973 wurde der erste Strandabschnitt des neu entstandenen Senftenberger Sees für die Badegäste freigegeben. Es war der Startschuss für eine neue Art Tourismus in der Lausitzer Bergbauregion. In den folgenden Jahrzehnten entstanden rund um den See weitere Badestellen. Campingplätze, Ferienparks, Hotels, Pensionen, Radwege wurden angelegt und Bootsliegeplätze wurden geschaffen. Vor zehn Jahren erhielt die Stadt Senftenberg ihren eigenen Hafen.

Baden in der Tagebaugrube

Eine Entwicklung, die als Beispiel für eine erfolgreiche Tagebausanierung gilt und als Beginn für weitere dieser Art. Bis zum Ende des Jahrzehnts soll zwischen Görlitz in Sachsen und dem Cottbusser Umland in Brandenburg nicht weniger als die größte künstlich geschaffene Wasserlandschaft in Europa entstehen, das Lausitzer Seenland, meist aus gefluteten Tagebaugruben. 20 der Gewässer sind bereits zum Baden freigegeben.

Fast 850.000 Übernachtungen zählte der hiesige Tourismusverband im vergangenen Jahr, erstmals wieder mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019. Das Gastgewerbe machte insgesamt einen Umsatz von 265 Millionen Euro. Der Tourismus hat sich in der Lausitz zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor jenseits des Bergbaus entwickelt und lässt hoffen für die Zeit danach. So sollen rund 25 Millionen Euro an Fördermitteln in den nächsten Jahren in touristische Infrastruktur investiert werden.

Wassermangel infolge von Hitze und Dürre

Ingolf Arnold, der sich seit mehr als 40 Jahren als Hydrologe um die Folgen des Bergbaus und das Wassermanagement in der Lausitz kümmert, sieht in der Seenlandschaft und speziell im Senftenberger See weniger eine Blaupause für eine erfolgreiche Sanierung. Diese Gewässer müssten ständig beobachtet und es müsse dafür gesorgt werden, dass die Uferböschungen und Strände sicher sind und stetig Wasser nachfließt.

Die Folgen von Hitze und Dürre in den zurückliegenden Jahren seien deutlich spürbar. So musste beispielsweise der Senftenberger See 2018 gesperrt werden, weil die Uferböschung an der in ihm liegenden Insel instabil war durch den niedrigen Wasserstand und es zu Erdabrutschungen kam.

Ingolf Arnold

Seit mehr als 40 Jahren ist der Hydrologe Arnold mit den Folgen des Bergbaus in Brandenburg beschäftigt.

Auch René Schuster von der Umweltgruppe Cottbus warnt davor, dass nicht nur in der Lausitz das Wasser bald nicht mehr reichen könnte. Der Ingenieur und Naturschützer kämpft seit Jahren gegen die Braunkohle und die Folgen ihres Abbaus. Für ihn sind viele der Seen überdimensioniert - wie der gerade entstehenden Cottbusser Ostsee, der einmal Deutschlands größter künstlicher See werden soll. Der sei viel zu groß und zu flach, sagt Schuster. Bei Erwärmung würde viel Wasser verdunsten, das dann in der eh schon trockenen Region fehle.

Für die Seenproblematik wäre es auch günstiger, wenn der Kohleausstieg früher als jetzt geplant erfolgen würde, sagt Schuster. Die Tagebaulöcher wären dann kleiner, da weniger Kohle abgebaut würde und somit die Folgen für Natur und Landschaft geringer wären.

Wasserdampf steigt aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG). Das Kraftwerk ist das drittgrößte Kraftwerk in Deutschland.

Wasserdampf steigt aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG). Es ist das drittgrößte Kraftwerk in Deutschland.

Ost-Länder gegen früheren Ausstieg

Streit gibt es um das Jahr, in dem die Braunkohleverstromung beendet werden soll, das sorgt für Verunsicherung in der Region. Vereinbart ist bis spätestens 2038. Die Grünen streben an, den Ausstieg auch in den ostdeutschen Braunkohleländern Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt auf 2030 vorzuziehen. Das hat ihre Bundestagsfraktion im Frühjahr auf einer Klausurtagung beschlossen als wichtigen Schritt für den Klimaschutz. In Nordrhein-Westfalen haben Landesregierung, Bundeswirtschaftsministerium und der Energiekonzern RWE bereits einen Schritt in diese Richtung getan.

Im Osten halten die Ministerpräsidenten der betroffenen Länder bislang an 2038 als Ausstiegsdatum fest. Zu viele Fragen seien zum Beispiel in der Lausitz noch ungeklärt, etwa was die Sicherung der Stromversorgung ohne die Kohle angeht, wer am Ende die jahrzehntelang anfallenden Folgekosten für die Tagebausanierung trägt und wie die Lausitz künftig mit Wasser versorgt werden soll.

Einerseits haben Hitze und Trockenheit als Folge des Klimawandels der Region in den vergangenen Jahren schwer zu schaffen gemacht und andererseits ist die Sorge groß, wo künftig Wasser herkommen soll, wenn aus den dann stillgelegten Tagebauen kein Grubenwasser mehr abgepumpt und in die Seen und Flüsse wie die Spree fließen kann.

Wer trägt die Folgekosten?

Der CO2-Ausstoß sei entscheidend, nicht das Datum für den Kohleausstieg, sagt René Schuster von der Umweltgruppe Cottbus und verweist auf eine im April dieses Jahres veröffentlichten Studie der Europa-Universität Flensburg im Auftrag der Klimaaktivisten von "Fridays for Future". Darin heißt es, dass der Kohlendioxid-Ausstoß im Lausitzer Braunkohlerevier auf 205 Millionen Tonnen beschränkt werden müsse, wenn Deutschland die auf der Pariser Weltklimakonferenz vereinbarte 1,5-Grad-Grenze bei der Erderwärmung einhalten wolle. Das hieße, der Studie zufolge, die Auslastung der Kohlekraftwerke sofort um ein Viertel zu senken oder den Kohleausstieg auf 2026 vorzuziehen.

Für ihn sei wichtig, dass diese 205 Millionen Tonnen an CO2 nicht überschritten würden, so Schuster. Danach müsse sich der Zeitplan des Ausstiegs richten und dann könne auch über die anstehenden Probleme wie die Versorgungssicherheit oder das Wassermanagement diskutiert werden.

Auch dürften die Folgekosten nicht aus den Augen verloren werden. Wenn die LEAG als Tagebau- und Kraftwerksbetreiberin in andere Geschäftsfelder wie Erneuerbare Energien oder Wasserstoff investieren will, dürfe dies von Land und Bund nicht gefördert werden ohne verbindliche Zusagen des Konzerns für die dauerhafte Übernahme der Folgekosten der Tagebausanierung. Teil dieser Folgekosten sind auch der Senftenberger See und die Lausitzer Seenlandschaft.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk in der Sendung "Kultur heute" am 14. Januar 2023 um 17:46 Uhr.