Braunkohle-Reviere Wer zahlt am Ende für die Folgen des Tagebaus?
Für die Renaturierung des Tagebaus werden zukünftig Milliarden benötigt. Die ostdeutschen Braunkohlekonzerne bauen ihr Geschäft um. Doch wird Geld da sein, wenn es gebraucht wird?
2,6 Milliarden Euro: So hoch ist die Entschädigungszahlung der Bundesregierung an den westdeutschen Stromkonzern RWE, die die EU-Kommission im Dezember 2023 bewilligt hat. Nach der Entscheidung dauerte es nicht lange, bis sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer mit Kritik am Bund zu Wort meldete.
Die einseitige Entscheidung zu Gunsten der Entschädigungszahlung für RWE sei aus sächsischer Sicht eine Enttäuschung. "Man gewinnt den Eindruck, dass die Bundesregierung sich zu wenig für die Braunkohleunternehmen in Ostdeutschland, LEAG und MIBRAG, einsetzt."
Eine Kritik, die Michael Kellner, Staatssekretär der Grünen im Bundeswirtschaftsministerium, im Dezember im Gespräch mit dem mdr zurückweist: "Das ist Quark, und der MP Kretschmer weiß das auch." Der Bund wolle, dass die Beihilfe für die LEAG genauso fließe wie die an RWE.
1,75 Milliarden Euro sollen allein an die LEAG gehen. Das Geld ist für die Renaturierung gedacht. Allerdings ist nicht klar, ob die Milliarden wirklich fließen werden. Denn die EU-Kommission hat Zweifel an der Höhe der Ausgleichszahlungen und prüft nun, ob - und wenn ja, wie viel - Geld an das Unternehmen geht.
Eine Mahnung von der Bundesebene
Kellner äußert im mdr-Gespräch seine Bedenken, dass die Mittel für die Rekultivierung der Tagebaue nicht da seien, wenn sie gebraucht würden. Als der schwedische Staatskonzern Vattenfall sein ostdeutsches Kohlegeschäft und damit LEAG und MIBRAG an den jetzigen Eigentümer EPH verkauft habe, seien durch die Länder zu wenige Sicherheitsleistungen verlangt worden.
"Das macht mir Sorgen, weil ich nicht will, dass der Steuerzahler am Ende der Dumme ist", so Kellner. Nach Bergrecht sind für die Tagebau-Rekultivierung die Kohleunternehmen in der Pflicht.
Kellner ist deshalb der Meinung, dass sich die Kohleländer jetzt intensiv um die Reserven für die Renaturierung bemühen müssen: "Das Risiko ist natürlich immer da, dass es schiefgeht. Dass die Kohlekraftwerke geschlossen werden, marktgetrieben, und die Länder darauf sitzen bleiben."
Eine Warnung, die bei einigen Adressaten offenbar ernstgenommen wird: "Die Absicherung der Rekultivierungskosten hat für das Land Brandenburg zwingend absolute Priorität", schrieb Hendrik Fischer, Staatssekretär im brandenburgischen Wirtschaftsministerium, im Spätsommer an das Kohleunternehmen LEAG.
Kohlegeschäft als "Resterampe"?
Die LEAG gehört zu Deutschlands größten Stromlieferanten, betreibt Braunkohletagebau und Kohlekraftwerke in der brandenburgischen und sächsischen Lausitz. Der Kohleriese investiert derzeit viel Geld in Erneuerbare Energien, plant gigantische Wind- und Solarparks, die auch in Zukunft Gewinne bringen sollen. Die Kohle aber wird in eine operativ eigenständige Gesellschaft unter dem Dach der LEAG-Holding ausgegliedert.
Damit handelt die LEAG ähnlich wie ihr Mutterkonzern, die tschechische EPH-Gruppe. Die hat ebenfalls begonnen, ihr ostdeutsches Kohlegeschäft auszulagern. Die LEAG ist bereits Teil der neuen "EP Energy Transition". Bis 2025 soll darin auch die MIBRAG, die Tagebau in Sachsen und Sachsen-Anhalt betreibt, aufgehen.
Werden hier "Bad Banks" - also Abwicklungsanstalten - gegründet? Das befürchten Umweltverbände wie BUND oder auch grüne Politiker. Sie glauben, dass die Kohlesparte gezielt in die Insolvenz geschickt werden soll - ein Schachzug, um nicht für die Kosten der Renaturierung aufkommen zu müssen. Denn das Geschäft mit der Kohle wird immer unrentabler, je mehr die EU für klimaschädliche Abgase verlangt.
Benjamin Raschke, grüner Landtagsabgeordneter aus Brandenburg, sieht darin "eine ernsthafte Gefahr, dass am Ende die öffentliche Hand für die Schäden durch die Braunkohleförderung aufkommen muss".
Die LEAG weist das zurück. In einer Mitteilung erklärt sie, dass die Umstrukturierung für ihre Neuausrichtung wichtig sei - für "die Finanzierungsfähigkeit der grünen Geschäftsfelder". Dies schließe auch das Bekenntnis zu den langjährigen Verpflichtungen des Unternehmens zur Wiedernutzbarmachung der Tagebauflächen mit ein.
Frisches Geld für "grüne" Technologien
Wer ein Kohleunternehmen auf Klimaneutralität trimmen will, braucht dafür frisches Geld. Investoren stecken ihr Vermögen nicht mehr gern in einen abgeschriebenen Brennstoff. Die Ausgliederung erscheint daher plausibel. Nach dem Motto: Weg mit der Kohlesparte, auf in die Zukunft.
Doch könnte sich die tschechische EPH-Gruppe damit auch ihrer Verantwortung für die Renaturierung entziehen, wenn das Schwesterunternehmen Pleite geht? Diese Sorge hat offensichtlich der brandenburgische Staatssekretär Fischer. In seinen Brief an das Kohleunternehmen schreibt er weiter, auch bei einem Umstrukturierungsprozess der LEAG müsse gewährleistet sein, dass die festgelegten Einzahlungen gesichert erfolgen können. Es soll also immer sichergestellt sein, dass genug Geld für die Renaturierung da ist.
Fischer droht dem Unternehmen gar zu prüfen, ob Sicherheitsleistungen zu erbringen sind: Garantien, die den Differenzbetrag abdecken zwischen den bereits vorhandenen Rücklagen und dem, was am Ende für die Renaturierung nötig sein wird.
Brandenburg lässt Konzern-Angaben überprüfen
Auf Nachfrage des mdr bestätigt das brandenburgische Wirtschaftsministerium, dass das Unternehmen alle Informationen darüber, wie die Renaturierung sicher finanziert werden soll, geliefert habe. Diese würden derzeit von einem Fachanwalt überprüft. "Ein Ergebnis der Prüfung liegt noch nicht vor", so eine Sprecherin.
In Sachsen sieht man keinen Grund zur Unruhe. Aus dem Wirtschaftsministerium in Dresden heißt es, der Freistaat habe zur Sicherung der Renaturierungskosten eine Vorsorgevereinbarung abgeschlossen: "Bis zum heutigen Tag hat die LEAG alle ihre Verpflichtungen aus der Vorsorgevereinbarung komplett erfüllt, und wir gehen davon aus, dass das auch zukünftig so passieren wird. Sowohl der Freistaat Sachsen als auch das Land Brandenburg sind sich einig, dass mit der unternehmerischen Entscheidung seitens EPH zur Umstrukturierung der LEAG keine negativen Auswirkungen auf diese Vorsorgevereinbarung verbunden sein darf."
Dazu befinde man sich mit dem Land Brandenburg in Abstimmung, teilt ein Sprecher dem mdr mit.