Naturaufnahme mit Gewässer bei Bretzenheim

Hochwasserschutz in Rheinland-Pfalz Flüsse aus engen Korsetten befreien

Stand: 19.07.2023 13:52 Uhr

Extremwetterereignisse wie Hochwasser nehmen zu, auch hierzulande. Um die Auswirkungen einzudämmen, investiert Rheinland-Pfalz in die Renaturierung von Landschaften - beispielsweise rund um die Nahe.

Eisvogel, Bitterling und Groppe - drei seltene Tierarten, die im Naturschutzgebiet bei Bretzenheim an der Nahe in Rheinland-Pfalz eine neue Heimat gefunden haben. Hier wurde der Nebenfluss des Rheins renaturiert, sprich: ein Deich rückverlegt und ein 50 Hektar großes Gebiet geschaffen, das sich die Natur - mit menschlicher Hilfe - zurückerobert hat.

Entstanden ist eine natürliche Auenlandschaft mit sogenannten Stillgewässern als Laichplätzen für die Fische, einem geschwungenen Flusslauf und reichlich Ausweichfläche für Hochwasser. Renaturierung ist nämlich nicht nur Umweltschutz und Förderung der Artenvielfalt, sondern auch Hochwasserschutz.

Und der ist von der Politik gewollt und wird gefördert, betont die rheinland-pfälzische Klimaschutzministerin Katrin Eder: "Indem wir Ökosysteme stärken, schützen wir das Klima und beugen den Auswirkungen der Klimakrise vor. Auen beispielsweise binden viel CO2, sorgen für Kühlung und bieten gleichzeitig vielen Arten einen Lebensraum. Und sie sorgen für effizienten Hochwasserschutz, da sich das Wasser nicht nur ausbreiten, sondern der Boden auch viel Wasser aufnehmen kann." Ein absoluter Gewinn für Mensch und Natur, findet die Ministerin, die sich mit ihrer Amtskollegin Steffi Lemke vor Ort an der Nahe ein Bild macht.

Michael Cyfka, Steffi Lemke und Katrin Eder

Besuch in Bretzenheim: Bundesumweltministerin Lemke (mitte) und ihre rheinland-pfälzische Amtskollegin Eder (rechts) machen sich gemeinsam mit Bürgermeister Cyfka ein Bild von der Lage vor Ort.

Viele Flüsse wurden begradigt

Rund 400.000 Kilometer Fließgewässer schlängeln sich durch Deutschland, vielmehr: rauschen. Denn viele Bäche und Flüsse sind begradigt, wurden optimiert zu Wasserstraßen, dienen als Quelle für Bewässerung von Äckern und Gärten. Mit fatalen Folgen für Flora, Fauna und am Ende auch den Menschen.

Seit 2017 gibt es das Förderprogramm "Blaues Band Deutschland". Sein Ziel: Gewässer aus ihren engen Betonkorsetten befreien und Bächen ihr altes Bett zurückgeben. Das bedeutet auch Renaturierung der Flussauen. Denn künstlich angelegte Deiche trennen an Bundeswasserstraßen mehr als drei Viertel der Auen vom Fluss, so dass diese bei Hochwasser nicht mehr überflutet werden können. Das Projekt ist auf 30 Jahre angelegt - in der Zeit wird viel Wasser die Flüsse hinabfließen.

Für den Gewässerökologen Hans Jürgen Hahn von der Universität Koblenz-Landau haben Renaturierungsprojekte wie das an der Nahe Vorbildcharakter - sind aber bei weitem nicht ausreichend. Er fordert eine Restrukturierung und Reökologisierung der Landschaft, beispielsweise durch Pflanzung von Hecken und Bäumen, um mehr Wasser in der Fläche zu halten.

Angler engagieren sich

Ursprünglich floss der überwiegende Teil der Flüsse durch Wälder, war also beschattet von Bäumen. Unweit des Auwaldes bei Bretzenheim mündet der Guldenbach in die Nahe. Seit Jahren engagiert der örtliche Angelsportverein sich für die Renaturierung des Flüsschens. "Wir haben am Ufer Bäume nachgepflanzt, um den Bachlauf zu beschatten und das Aufheizen des Wassers zu dämpfen. Und wir haben die Uferverbauung - also Mauern und Flussbausteine - entfernt und große Felsbrocken als Störsteine im Wasser versenkt, um die Fließgeschwindigkeit zu bremsen", erklärt Dennis Höning, Vorsitzender des Vereins.

Mit Erfolg: Längst hat der Guldenbach wieder natürliche Schleifen gebildet, tiefere Stellen als Rückzugsorte für die Fische. Elritzen, Gründlinge und Forellen tummeln sich hier, aber auch Flusskrebse - ein Indiz für gute Wasserqualität.

Naturaufnahme mit Gewässer bei Bretzenheim

Bächen ihr altes Bett zurückgeben: Das Förderprogramm "Blaues Band Deutschland" ist auf 30 Jahre angelegt.

Ziel: Wiederansiedlung von Lachsen und Aalen

Entlang des Laufs ist ein Gewässerlehrpfad entstanden. "Um zu erklären, was wir hier machen und warum das wichtig ist, ohne erhobenen Zeigefinger", schildert Höning und findet das angesichts des Klimawandels und der deutlich sichtbaren Auswirkungen wichtiger denn je.

Mit seinen Mitstreitern unterstützt er auch das Wiederansiedlungsprojekt des Landes für Lachse, Meerforellen und Aale - mit mäßigem Erfolg, wie er sagt. "Beim Thema Durchgängigkeit der Flüsse gibt es noch viel Nachholbedarf. Derzeit schaffen es die erwachsenen Tiere nicht zurück an ihre Laichgründe, wir haben praktisch null Rückkehrer." Eine weitere Baustelle also, was die Renaturierung angeht - und ihre Auswirkung auf Tier und Mensch.