Gefahr für den "Green Deal" EU-Umweltausschuss lehnt Renaturierungsgesetz ab
Das EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur ist vorerst vor dem Umweltausschuss des EU-Parlaments gescheitert. Das Ergebnis gefährdet auch die weiteren Pläne von Kommissionspräsidentin von der Leyen für ein nachhaltigeres Europa.
Das Ergebnis fiel denkbar knapp aus: Die Hälfte der Mitglieder im Umweltausschuss des EU-Parlaments stimmte für das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur, die andere Hälfte dagegen. Damit ist das Vorhaben zunächst gescheitert.
Das sogenannte Renaturierungsgesetz sieht vor, bis 2030 mindestens ein Fünftel der geschädigten Land- und Wasserflächen in der EU zu sanieren - etwa trockengelegte Moore wieder zu vernässen oder Wälder aufzuforsten. Während die eine Seite der Abgeordneten das Gesetz für essenziell notwendig hält, stößt es auf der anderen Seite auf kategorische Ablehnung.
Geteilte Meinungen zum "Green Deal"
"Dieses Gesetz ist notwendig, um das Artensterben zu stoppen und unsere Klimaziele einzuhalten, denn zehn Prozent der europäischen Klimaziele beruhen darauf, dass wir gesunde Ökosysteme haben, die CO2 binden können", erklärt die Grünen-Europaabgeordnete Jutta Paulus. Das Gesetz sei außerdem dringend nötig, um die langfristige Ernährungssicherheit zu gewährleisten.
Gerade die sieht die christdemokratische EVP-Fraktion, in der auch die Abgeordneten von CDU und CSU sitzen, durch das neue Gesetz gefährdet. Nach ihrer Lesart würde das Renaturierungsgesetz nämlich dazu führen, dass weniger Fläche für Land- und Forstwirtschaft genutzt werden könnte - und das ausgerechnet jetzt, wo die Ukraine infolge des Krieges als wichtiger Lebensmittellieferant ausfalle.
Die zuständige CDU-Europaabgeordnete Christine Schneider rechnet vor, dass allein in Deutschland 1,3 Millionen Hektar stillgelegt würden: "Wir sind nämlich der Auffassung, dass wir Biodiversitätsschutz und Naturschutz besser hinbekommen, wenn wir dies gemeinsam mit den Landnutzern, mit der Landwirtschaft, mit der Forstwirtschaft, mit der Fischerei betreiben - und nicht, indem wir immer mehr Flächen aus der Nutzung nehmen."
EVP stemmt sich gegen Renaturierungsgesetz
Normalerweise lehnen pro-europäische Fraktionen Gesetze nicht pauschal ab, sondern versuchen, sie in ihrem Sinne zu verändern. Im Falle des Renaturierungsgesetzes hat EVP-Fraktionschef Manfred Weber aber eine Totalblockade angeordnet. Dabei ist das Vorhaben zentraler Bestandteil von Ursula von der Leyens "Green Deal", dem Plan der Kommissionspräsidentin und Weber-Parteifreundin für Europas nachhaltigen Umbau.
Der umweltpolitische Experte der Europa-CDU, Peter Liese, betont: "Wir stellen den 'Green Deal' nicht in Frage, indem wir einen Vorschlag ablehnen. Aber wir sind der Meinung, dass dieser Vorschlag so schlecht ist, dass man ihn auch nicht durch Änderungsanträge verbessern kann."
Auch die geplante Pestizidverordnung lehnt die EVP kategorisch ab. Diese soll bis 2030 den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln halbieren. Seit einem EVP-Kongress im Mai in München warnt Fraktionschef Weber davor, Landwirte übermäßig zu belasten. Dabei dienen ihm wohl die Niederlande als Mahnung: Dort wurde bei Provinzwahlen im März die rechtspopulistische Bauernbürgerbewegung BBB stärkste Kraft.
Reguliert Brüssel zu viel?
Führende EVP-Politiker beklagen regelmäßig die Überregulierung Brüssels. Auch die Staats- und Regierungschefs Frankreichs und Belgiens verlangen eine Pause bei Umweltvorschriften. Allerdings haben sich die EU-Staaten vor einer Woche hinter das Renaturierungsgesetz gestellt, und zwar auch mit der Unterstützung christdemokratischer Regierungschefs.
In einem offenen Brief wenden sich Tausende Wissenschaftler gegen die Argumente der EVP und fordern eine schnelle Regelung. In zwei Wochen soll das Plenum des EU-Parlaments darüber abstimmen. Nach Ansicht der Sozialdemokratin Delara Burkhardt kann die EVP-Führung den Beschluss dann nicht mehr wie heute im Ausschuss in ihrem Sinne beeinflussen.
"Ein Drittel der Abgeordnete wurde tatsächlich ausgetauscht, weil sie nicht mit der Fraktionslinie stimmen wollten. Diese Möglichkeit hat Manfred Weber im Plenum nicht - und dort wird es noch mal eine letzte Chance geben, das EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur zu schützen", erklärt Burkhardt.
Wie die Chancen tatsächlich für die Befürworter und die Gegner des Vorhabens stehen, ist völlig offen. Falls es auch im Plenum keine Mehrheit gibt, würde das Parlament mit dem Standpunkt in die weiteren Verhandlungen gehen, dass es kein Renaturierungsgesetz geben soll.