Schutz vor Hochwasser Wie Städte zu Schwämmen werden können
Starkregen und Überschwemmungen haben an diesem Wochenende besonders das Saarland und Baden-Württemberg überrascht. Und es sind neue Unwetter angekündigt. Können Schwammstädte Teil einer Lösung sein?
Versunkene Autos in der Stadt, Menschen retten sich vor den Fluten auf Häuserdächer, Rettungstaucher sind im Einsatz - so hat es zu Pfingsten in einigen Städten und Gemeiden ausgesehen. Besonders betroffen waren das Saarland und Baden-Württemberg. In den nächsten Tagen ziehen die Regenfälle auch über Bayern hinweg.
Schon 2017 hat die bayerische Staatsregierung das Projekt "HiOS" in Auftrag gegeben - kurz für: "Hinweiskarten Oberflächenabfluss und Sturzflut". Wissenschaftlerinnen und Wissenschafter unter anderem der TU München und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) sollten untersuchen, wie groß die Gefahr von Sturzfluten in den verschiedenen Regionen Bayerns ist.
Das Ergebnis: Gut ein Drittel von Bayern ist stark oder sehr stark durch Sturzfluten und Überflutungen gefährdet, vor allem in der Alpenregion und im Südosten von Bayern. Gut ein Viertel der bayerischen Städte gilt als gefährdet, 16 Prozent als sehr gefährdet.
"Schwammregion" statt Überschwemmungsgebiet
Um dieses Risiko zu verringern, hat das bayerische Landwirtschaftsministerium die Aktion "Schwammregionen" gestartet. Damit sollen Kommunen unterstützt werden, Siedlungsbereiche wassersensibel zu gestalten, um damit Dörfer und Städte klimafest zu machen.
Mithilfe neuer Abfluss- und Regenrückhaltebecken, neuer Überschwemmungsgebiete oder der Entsiegelung von Flächen soll wieder mehr Wasser im Boden versickern. Nachdem viele Städte und Gemeinden nach Starkregenereignissen überschwemmt werden, bestehe hier dringender Handlungsbedarf. Der Freistaat will sich mit bis zu 90 Prozent an den Planungskosten beteiligen.
Umleitung per Rohrsystem
Aubstadt in Unterfranken war 2018 dreimal überflutet. Die Gemeinde im Landkreis Rhön-Grabfeld liegt in einem Tal umringt von Feldern. Bei Starkregen kann das Wasser ungehindert in den Ort laufen. Dabei werden nicht nur Wasser und Schlamm in den Ort gespült, sondern auch Düngemittel und Pestizide von den Feldern, die dann in der Kanalisation landen.
Im Rahmen der Ortssanierung hatte man zunächst das Kanalnetz getrennt. Das Abwasser von den Häusern und Regenwasser von den Dächern und Straßen läuft nun in getrennten Systemen. Das entlastet bei Starkregen die Kanalisation.
Seit dem Umbau 2018 wird auch das Regenwasser, das früher in den Ort gelaufen ist, am Berg abgefangen und über ein Rohrsystem um den Ort herumgeleitet. Dort wird das Wasser in Regenrückhaltebecken gespeichert. Hier kann es langsam versickern, oder wird verzögert und mit langsamer Fließgeschwindigkeit weitergeleitet.
Das hat zwei große Vorteile. Zum einen kann das Grundwasser auf diese Weise aufgefüllt werden, zum anderen kommen in den flussabwärts gelegenen Dörfern und Städten weniger Wassermengen an, was die Gefahr von schnell steigenden Pegelständen verringert.
Aubstadt in Unterfranken war 2018 dreimal überflutet. Jetzt hat die Stadt unter anderem Regenrückhaltebecken aufgebaut und versucht so, besser mit Starkregenereignissen klarzukommen.
Klimaresiliente Dörfer und Landschaften
Die Kommunen bereiten sich auf Starkregenereignisse vor. Dazu bedarf es aber einer Zusammenarbeit der Kommunen. Der Bürgermeister der Aubstadter Nachbargemeinde Herbstadt, Georg Rath, bringt es auf den Punkt: "Wenn das nicht nur wir machen, sondern viele Gemeinden, dann kommt das Wasser viel langsamer in Bad Neustadt, oder Bad Kissingen an und dann bleibt der Kurgarten dort vielleicht trocken."
Ein neues System zur Baumbewässerung im Test
Bei der Aktion "Schwammregion" geht es auch draum, überschüssiges Niederschlagswasser zu speichern, um in Hitzeperioden eine kontinuierliche Bewässerung zu ermöglichen. Die bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim im Landkreis Würzburg forscht zum Thema "Schwammstadt" bereits seit den 1970er Jahren.
Angefangen hatte es mit Versuchen verschiedener Pflanzen und deren Wasseraufnahmefähigkeit. Auch zahlreiche Dachbegrünungen wurden untersucht. Diese geben bei Starkregen das überschüssige Wasser verzögert ab und entlasten so das Kanalnetz.
Jetzt könnte eine Lösung für Bäume in den Innenstädten kommen. Die Testreihe läuft seit ein paar Monaten. Dabei handelt es sich um einen unterirdischen Speicher, in dem bei Starkregen Wasser gesammelt wird. In diesem Speicher ist eine Art "Schwamm" als Dochtmaterial integriert, der das Wasser nach oben zur Pflanze zieht. So könnte die Vegetation an der Oberfläche während Trockenphasen mit Wasser versorgt werden. Mit den bisher getesteten Materialien konnte bereits eine "Wassersteighöhe" von 70 Zentimetern erreicht werden.
Unterirdische Speicher sollen dabei helfen, eine ausgewogene Bewässerung für Bäume etwa in Innenstädten sicher zu stellen.
Warten auf Sommerhitze und Trockenheit
Claus Prinz von der LWG ist gespannt auf den Sommer. "Ich hoffe sehr auf einen heißen, trockenen Sommer und möglichst viel Verdunstung in meiner Anlage, um dann auch schauen zu können, wie belastbar dieser Docht auch unter Extrembedingungen ist, weil ich die maximale Leistungsfähigkeit messen möchte." Ob das System praxistauglich ist, werden die Ergebnisse zeigen, die der Forscher in etwa zwei Jahren erwartet.