Anpassung an Klimawandel Wie sich Städte gegen Extremwetter wappnen
Mehr Frühwarnsysteme, besseres Katastrophen-Management und das Konzept der "Schwammstadt": Wie sich Menschen und Städte gegen Extremwetter wappnen können, erklärt Hydrologe Bruno Merz im tagesschau.de-Interview.
tagesschau.de: Bereits mehr als 100 Tote, ganze Regionen zerstört, wie kann man sich besser vorbereiten, dass es nicht zu solch einer Hochwasser-Katastrophe kommt?
Bruno Merz: Das ist natürlich eine große Frage, die sich nicht so leicht beantworten lässt. Denn so weit sich das bislang abschätzen lässt, sind da viele Sachen zusammengekommen: Extremer Starkregen, gesättigte Böden, die kaum noch Wasser aufnehmen konnten und es waren auch Mittelgebirgsregionen betroffen - die Wassermassen haben dann enorme Fließgeschwindigkeiten und entfalten eine besondere Wucht.
Aber es gibt es natürlich auch eine ganze Reihe von Ansätzen, um sich im Vorfeld besser vorzubereiten. Das betrifft die Stadtplanung, das generelle Wasser-Management und den Hochwasserschutz. In der konkreten Situation geht es dann auch um die Auswertung von Wettervorhersagen, die Risiko-Abschätzung bis hin zum Evakuierungs-Management.
tagesschau.de: Lassen Sie uns auf den Aspekt der Stadtplanung blicken, wie kann man sich da gegen extreme Wetterlagen wappnen?
Merz: Die Infrastruktur in Städten, also insbesondere die Kanalisation, ist nicht für solche extreme Wetterlagen ausgerichtet. Das ist auch ganz bewusst so, das ließe sich gar nicht realisieren. Aber es hat in den vergangenen Jahren auch ein Umdenken eingesetzt.
Expertinnen und Experten setzen jetzt auf das Konzept der "Schwammstadt". Das bedeutet, dass wir in den Städten Wasserspeicher einplanen - etwa Dachbegrünungen, mehr Versickerungs- und Überschwemmungsflächen, um Starkniederschläge möglichst gut abzufangen. Damit sind wir auch für extreme Wetterlagen besser aufgestellt.
tagesschau.de: Was waren Ihrer Meinung nach die größten Fehler beim Hochwasserschutz in den vergangenen Jahrzehnten?
Merz: Man hat sehr lange vor allem auf strukturelle Maßnahmen gesetzt, also Flußdeiche, Hochwasserschutzmauern, Auffangbecken und Talsperren. Das ist einerseits natürlich sehr effektiv, aber andererseits haben wir meines Erachtens zu wenig für die Raumplanung getan. Also die Frage wie nah Häuser an Bächen und Flüssen gebaut werden sollten. Und dann müssen die Menschen dort natürlich auch besser informiert werden, welche Risiken es gibt und wie man sich darauf vorbereiten kann.
"So ein Risiko lässt sich nicht einkalkulieren"
tagesschau.de: Und was ist in den vergangenen Jahren besser geworden?
Merz: Da hat es tatsächlich ein Umdenken gegeben, spätestens nach den schweren Hochwassern an der Elbe und Donau im Jahr 2002 und den Überschwemmungen im Jahr 2013. Danach wurde für ganz Deutschland die Gefährdung durch Hochwasser an den Flüssen untersucht und entsprechende Karten erstellt. Davor wusste man teilweise gar nicht, wie hoch die lokalen Risiken sind.
Aber in den vergangenen Jahren beobachten wir, dass es vermehrt zu besonders heftigem Starkregen kommt. Das sind dann gewaltige Wassermassen. Und solch ein Risiko lässt sich einfach nicht vorher einkalkulieren, denn es kann überall auftreten. Zumal die kleineren Flüsse und Bäche noch nicht erfasst sind. Und wenn diese dann mit solchen enormen Wassermengen anschwellen, dann können sie natürlich auch eine verheerende Kraft entfalten.
"Vorwarnzeit von einer Stunde"
tagesschau.de: Aber wenn man grundsätzlich weiß, dass bestimmte Regionen ein höheres Risiko haben. Müsste man dort nicht auch die Bevölkerung besser aufklären, wie sie sich im Gefährdungs- oder gar Katastrophenfall zu verhalten hat?
Merz: Da gebe ich Ihnen grundsätzlich natürlich Recht. Viele Menschen wissen nicht, was sie im Vorfeld und erst recht nicht bei einer so dramatischen Situation tun können. Zudem müssen wir die Frühwarnsysteme ausbauen. Im konkreten Fall müssen wir nun aber auch erst einmal untersuchen, weshalb es tragischerweise so viele Tote gegeben hat.
Wir hatten ja in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder schwere Hochwasser, aber glücklicherweise kamen dabei deutlich weniger Menschen ums Leben. Und die Untersuchungen haben damals gezeigt, dass eine Vorwarnzeit von einer Stunde gereicht hat, damit sich die Betroffenen in Sicherheit bringen können. Umso mehr wird ganz genau analysiert werden müssen, wie es zu solch einer dramatischen Lage kommen könnte - und was wir für die Zukunft daraus lernen können.
tagesschau.de: Was können Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer denn selbst unternehmen? Wie lässt sich das eigene Zuhause sicherer machen?
Merz: Es gibt eine ganze Reihe an Maßnahmen: wasserdichte Keller, speziell abgedichtete Fenster oder Wasser-Schutzbarrieren im Garten. Aber das hilft natürlich nur bis zu einem gewissen Wasserstand oder einer gewissen Fließgeschwindigkeit. Für solche extreme Situationen, wie wir teilweise in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gesehen haben, können sich Hausbesitzer nicht wirklich wappnen.
"Starkregen wird weiter zunehmen"
tagesschau.de: Unwetter und Starkregen gab es ja schon immer, ist das schlimmer geworden - Stichwort Klimawandel. Ist damit zu rechnen, dass sich solche extremen Wetterlagen häufen?
Merz: All unsere Daten zeigen, dass es häufiger zu lokalem Starkregen kommt und auch die Intensität nimmt zu. Und unsere Prognosen zeigen auch, dass sich diese Phänomene noch weiter verstärken werden. Dementsprechend müssen wir beim Klimaschutz vorankommen.
Aber wir müssen auch Konzepte erstellen, wie wir uns für solche extremen Wetterlagen besser aufstellen können: von der Stadtplanung über Frühwarnsystemen bis hin zum Evakuierungs- und Katastrophenmanagement. Aber klar ist leider auch - es bleibt immer ein Restrisiko.
Das Interview führte Stefan Keilmann, tagesschau.de