Architektur und Hochwasserschutz Die "Schwammstadt" Kopenhagen
Ein verheerender Wolkenbruch im Jahr 2011 hat die Einwohner Kopenhagens zum Umdenken gezwungen. Parks und Innenhöfe werden seitdem zu großen Reservoirs umgebaut - sie behalten ihren ursprünglichen Nutzen aber bei.
Von Julia Wäschenbach
Auf den ersten Blick ist der Enghave Park am westlichen Ende von Kopenhagen ein ganz normaler Park. Auf einem Sportplatz kicken Jugendliche einen Ball hin und her, Familien sind mit Kinderwagen unterwegs, Herrchen mit ihren Hunden. Bei einem Wolkenbruch aber verwandelt sich der Park in eine gigantische Badewanne. Dann kann er bis zu 23 Millionen Liter Wasser fassen, die ansonsten in Keller oder Wohnungen laufen würden.
Dafür haben der Architekt Flemming Rafn Thomsen und sein Büro "Tredje Natur" (zu Deutsch: "Dritte Natur") gesorgt: "Der Park ist Teil eines großen Wolkenbruch-Plans. Alles Wasser, das in diesem Teil von Kopenhagen ankommt, soll hier im Enghave Park aufgefangen werden. Damit spielt der Park eine große Rolle in dem Plan, Kopenhagen gegen Überschwemmungen abzusichern."
Ein Sportplatz als Wasserbecken
Einen Sportplatz, einen Rosengarten und einen kleinen See haben die Architekten tiefergelegt, damit sie bei starkem Regen mehr Wasser aufnehmen können. Um den Enghave Park herum führt eine niedrige Mauer. Bei einem Jahrhundert-Wolkenbruch kann der ganze Park mit mechanischen Pforten so abgeschottet werden, dass er als riesiges Auffangbecken funktioniert. Fast hüfthoch könne das Wasser jetzt dort stehen, ohne dass es nach draußen dringe, erzählt Architekt Thomsen.
"Solche extremen Wolkenbrüche sind aber selten, und deshalb war uns wichtig, dass alles so designt ist, dass es nicht ein Prozent, sondern 100 Prozent der Zeit genutzt werden kann", erklärt Thomsen. Der abgesenkte Sportplatz habe etwa, ähnlich wie bei einem Amphitheater, Treppen an den Seiten. Deren unterschiedlich große Stufen würden zum Spielen und Verweilen einladen. "Hier fahren die Leute Rollschuh und Skateboard, hier wird getanzt. Es soll ein universelles Design sein."
Architekt Thomsen im Enghave Park, den sein Büro neu konzipierte.
Multifunktionale Architektur
Kaum etwas im Park erfüllt nur einen Zweck. In einem unterirdischen Becken wird Regenwasser aus den Dachrinnen des Viertels gesammelt. Es wird zur Bewässerung des Rosengartens genutzt. Und die städtischen Kehrmaschinen können es an einer Ecke des Parks abzapfen, um damit die Straßen zu reinigen.
Das Prinzip zieht sich durch die rund 250 Projekte des Kopenhagener Wolkenbruch-Plans. Ein kleiner Teil der Maßnahmen werde über Steuern finanziert, der größte über die Abgaben der Haushalte an die Wasserversorger, sagt Rasmus Dragenberg. Er ist bei der Kommune für die sogenannte Klimaanpassung zuständig.
"Das Besondere, was die Leute wohl auch so neugierig macht, ist, dass wir gleichzeitig den städtischen Raum erneuern, während wir ihn vor extremen Wetter schützen wollen. Wir legen nicht nur Auffangbecken an, sondern renovieren die Innenhöfe, Parks und Plätze der Stadt. Es ist einfach ein neuer Faktor, der dazu gekommen ist, den man auch bedenken muss", erklärt Dragenberg.
Die "Schwammstadt" als Reaktion auf die Katastrophe
Kopenhagen zur "Schwammstadt" zu machen - diesen Plan fasste die Stadt nach einer Katastrophe, einem historischen Wolkenbruch 2011. An einem Samstag im Juli prasselten mancherorts in einer halben Stunde mehr als 50 Millimeter Regenwasser pro Quadratmeter auf die Stadt nieder. Straßen, Keller, Geschäfte, ein Teil der Autobahn wurden überschwemmt. Der Schaden war immens.
Auch der Innenhof im Stadtteil Østerbro, an dem die Wohnung von Mads Faber Henriksen liegt, stand unter Wasser. "Als der Regen kam, liefen alle Keller voll. Die Bewohner rannten runter in die Keller und sahen ihre Schallplatten mit den Ratten um die Wette schwimmen. Das hat vielen erst die Augen geöffnet, dass so etwas passieren konnte", erzählt Henriksen.
Nachbarschaft musste überzeugt werden
Und es sollte nicht noch einmal passieren. Nicht in Kopenhagen und auch nicht in Henriksens Innenhof. Deshalb ging er von Tür zu Tür und überzeugte seine Nachbarn davon, sich gemeinsam bei der Stadt um Geld für eine Renovierung zu bewerben.
"Früher war das hier ein ziemlich heruntergekommener Innenhof. Die Leute haben ihre Autos hier geparkt, aber niemand hatte Lust, sich hier aufzuhalten. Die Kinder wollten hier nicht spielen", erinnert sich Henriksen. "Und dann haben wir die Möglichkeit bekommen, uns auf diese Traumreise zu begeben und mitzubestimmen, was passieren sollte."
Jetzt ist der Innenhof vor allem eins: grün. Von den Dachrinnen läuft das Wasser auf die Grünfläche ab, wo sich bei Regenwetter in den bepflanzten Gräben ein kleiner See bildet. Biotope wie dieses gibt es seit Beginn des Wolkenbruch-Plans überall in Kopenhagen. Und es sind noch viele weitere geplant.