Kundenkarten im Einzelhandel Soll der Supermarkt vor ungesundem Essen warnen?
Über Bonuskarten sammeln Einzelhändler viele Daten ihrer Kunden. Der Chef einer britischen Supermarktkette könnte sich vorstellen, diese für Ernährungstipps zu nutzen. Verbraucherschützer sind wenig begeistert.
Im Vereinigten Königreich haben 22 Millionen Menschen eine Kundenkarte der größten Supermarktkette Tesco. Sie sammeln Punkte, erhalten vergünstigt Produkte. Im Gegenzug bekommt der Konzern einen guten Überblick darüber, was die Menschen da so einkaufen. Diese Daten sind die Grundlage für Marketing, Werbung, Produktentwicklung - und vielleicht noch mehr.
Der Vorstandsvorsitzende von Tesco, Ken Murphy, weiß, auf welchem Datenschatz das Unternehmen sitzt. Und auf einem Branchenkongress spielte er mit dem Gedanken, diese Daten für etwas ganz anderes zu nutzen: für die Gesundheit der Menschen.
"Den Verbraucher anstupsen"
"Die Tesco-App könnte den Verbraucher dann anstupsen und sagen: Ich habe übrigens festgestellt, dass dein Salz-Konsum mit diesen Produkten 250 Prozent über der empfohlenen Tagesdosis liegt. Du könntest die folgenden Produkte ersetzen, für deine Gesundheit", sagte der Tesco-Chef.
Das umzusetzen sei ziemlich einfach, sagte Ken Murphy, betonte aber auch: Allein wolle man diesen Schritt nicht gehen. Zu den Beweggründen sagte er nichts. Er adressierte seine Idee an die Politik - als Diskussionsgrundlage.
Hohe Kosten im Gesundheitssystem
Dazu muss man wissen, dass der britische Gesundheitsdienst stark unter Druck ist, Geld fehlt an allen Ecken und Enden. Experten empfehlen Prävention als Maßnahme, um die Kosten zu reduzieren. Da passt der Vorschlag doch gut, wenn die Einkaufs-App die Verbraucherin und den Verbraucher warnt: weniger Salz, weniger Fett, mehr Gemüse.
Henry Dimbleby ist Unternehmer, investiert im Bereich Nahrungsmittel und hat die Regierung zum Thema beraten. Er würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und die Einkaufsdaten mit anderen Informationen verknüpfen, wie er in der "BBC" sagte: "Wir können die Daten aus dem Gesundheitsdienst NHS verbinden mit Informationen zum Einkommen, Steuer. Dann verstehen wir, wie Krankheiten das Einkommen beeinflussen. So wie das in Neuseeland passiert. Und wenn wir das dann verbinden mit den Daten rund um die Ernährung, dazu gibt es Untersuchungen von der Universität Oxford, dann hilft uns das und wir bekommen raus, wie wir gesünder und produktiver werden als Nation."
Der "gläserne Kunde"?
Private Unternehmen und staatliche Stellen teilen und vor allem verknüpfen Daten. Solche Visionen haben eine Kehrseite: Das Ergebnis wäre der gläserne Kunde, die transparente Bürgerin. Für viele sei die Idee, dass Tesco die Einkaufsdaten mit Künstlicher Intelligenz auswertet, abschreckend, sagt Silkie Carlo von der Verbraucherschutzorganisation Big Brother Watch.
Diese Äußerungen sollten uns verdeutlichen, dass die Kundenkarten eine Art der Massenüberwachung seien, heißt es in einer Pressemitteilung der Organisation. Tesco habe nicht das Recht, Verbraucherinnen und Verbrauchern vorzuschreiben, was sie kaufen sollten und was nicht.